Viele KI-gestützte Systeme, beispielsweise für autonomes Fahren, das Stellen medizinischer Diagnosen, die Vergabe von Krediten oder die Prognose der Rehabilitation von Straftätern, treffen ethisch schwierige Entscheidungen. Eine Maschine an sich hat keinen Sinn für Ethik, aber ihr Verhalten muss sich an ethischen Maßstäben messen lassen. Zu bedenken sind beispielsweise
- das Verhalten in Krisensituationen wie einem unabwendbaren Unfall
Hier wurde und wird vom Menschen nicht erwartet, in Sekundenbruchteilen eine ethisch abgewogene und im Nachhinein hinterfragbare Entscheidung zu treffen. Vielmehr „darf“ der Mensch im Reflex handeln. Für ein KI-System sind die Grundlagen für solche Entscheidungen dagegen bei der Programmierung von Algorithmen und/oder der Auswahl von Trainingsdaten vorher festgelegt worden und damit kontrollierbar
- die Fortschreibung menschlicher Unzulänglichkeiten
Wird eine KI mit früheren, von Menschen generierten Daten trainiert, übernimmt sie auch deren Unzulänglichkeiten, beispielsweise eine (auch unbeabsichtigte) Ungleichbehandlung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. Damit wird ethisch fragwürdiges Verhalten gewissermaßen automatisiert.
- die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine
Behält der Mensch in einer KI-durchdrungenen Umgebung noch das Heft in der Hand, d. h. ein gewisses Maß an Souveränität, oder wird er zu einem bloßen Rädchen im Getriebe technischer Systeme? Dies spielt insbesondere in der Arbeitswelt eine Rolle.
- ein möglicher Verzicht auf KI in gewissen ethisch heiklen Einsatzgebieten
Aktuell wird jedoch noch kontrovers diskutiert, inwieweit eine solche Herangehenweise und Umsetzung praktikabel und sinnvoll wäre.
Wer KI-Systeme entwickelt und trainiert und damit deren Verhaltensmuster festlegt, kommt nicht darum herum, sich mit solchen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Es kann jedoch nicht die Aufgabe von Entwicklern oder deren Arbeitgebern sein, die Antworten zu geben.
Vielmehr müssen
- Antworten in einem breiten Konsens von Experten und anderen relevanten Akteuren – auch in der Politik – gefunden werden, und
- diese Antworten so klar und konkret formuliert werden, dass Entwickler von KI-Systemen sie als Leitlinien benutzen können.
Diese beiden Schritte – das Herstellen eines Konsens und dessen technisch anwendbare Formulierung – bilden jedoch genau die seit vielen Jahrzehnten geübte Praxis in der Normung. Damit bietet sich Ethik von KI-Systemen als Gegenstand der Normung an. Ob dabei ethische Grundsätze selbst genormt werden sollten oder eher die Prozesse und Zuständigkeiten, die zur Festlegung solcher Grundsätze führen, wird derzeit noch untersucht, unter anderem durch VDE DKE im Rahmen eines Auftrags des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.