- Mobiltelefone haben einen Einfluss auf unsere Gesundheit.
- Sicherheitsnormen haben großen Sicherheitsspielraum.
- Die IEC legt Prüfverfahren fest, keine Grenzwerte.
Können Mobiltelefone unserer Gesundheit schaden
Interview mit Mike Wood
e-Tech: Können Mobiltelefone unserer Gesundheit schaden?
Wood: Meine Antwort ist ja und nein. Fangen wir mit dem Ja-Teil an, da viele sich fragen werden, was ich damit meine. Heute lief ich auf meinem Weg nach Hause durch die Stadt. Wissen Sie, wie viele Menschen ich gesehen habe, die auf ihr Mobiltelefon gesehen haben? Sie haben telefoniert und sie laufen entweder in eine andere Person oder in einen Laternenpfahl hinein oder sie laufen auf die Straße und werden beinahe überfahren. Ich sehe das jeden Tag. Die Menschen sind abgelenkt, wenn sie ihr Mobiltelefon nutzen. Was noch schlimmer ist, man sieht das selbst bei Autofahrer*innen. Viele von ihnen halten an der Ampel und sehen auf ihr Telefon, lesen Nachrichten. Sie bemerken nicht, wenn die Ampel auf Grün schaltet. Ablenkungen durch Mobiltelefone sind ein großes Sicherheitsproblem.
Aber wenn es um die Frage geht, ob die hochfrequenten Felder, die von Mobilgeräten erzeugt werden, unserer Gesundheit schaden, dann lautet die Antwort nein. Fangen wir bei den Grundlagen an. Mobiltelefone müssen mit den Netzen kommunizieren und zu diesem Zweck nutzen sie ein Funkfrequenzsignal. Die Strahlung ist hierbei sehr, sehr niedrig. Sie beträgt etwa 0,25 Watt. Stellen Sie sich jetzt eine Taschenlampe vor und die Strahlung ist beinahe dieselbe: sehr, sehr niedrige Strahlung.
Es gibt jetzt seit mehr als 50 Jahren Mobiltelefone. Ich glaube, der erste Anruf von einem Mobiltelefon wurde 1973 getätigt. Und die Forschung geht 60 oder 70 Jahre zurück. Funk gibt es seit mehr als 100 Jahren. Die Forschung erstreckt sich über viele Jahrzehnte. Wenn sich Wissenschaftler*innen aus aller Welt treffen, dann betrachten sie die Forschung an Zellen, sie betrachten die Forschung an Tieren und die Forschung an Menschen. Dann bewerten sie die Qualität dieser Forschung und führen eine Analyse durch. Wenn man sich Forschungsstudien ansieht, dann muss man sich die Qualität ansehen, man muss sich die Wiederholung ansehen und was einem die Ergebnisse sagen.
e-Tech: Und was sagen uns die Ergebnisse?
Wood: Wenn sich die Wissenschaftler*innen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die nationalen und internationalen Sicherheitsbehörden die Qualität der Studien ansehen und sie sich die Wiederholungsstudien ansehen, dann kommen sie zu dem Schluss, dass wir bis zu einem gewissen Grad Grenzwerte setzen können und sämtliche Nutzungen unter diesen Grenzwerten sicher sind. Mobiltelefone und die anderen Geräte, die wir nutzen, werden immer sehr genau nach den Sicherheitsnormen für mobile Geräte geprüft, um sicherzustellen, dass sie die Normen erfüllen. Zudem haben sie einen großen Sicherheitsspielraum. Das bedeutet, dass sie weit unter den Grenzwerten, die etwaige biologische Auswirkungen haben könnten, arbeiten. Die Schlussfolgerung der vergangenen Jahrzehnte ist, dass die Sicherheitsnormen mit einem großen Sicherheitsspielraum festgelegt werden und wir müssen sicherstellen, dass sämtliche Geräte und Netze und alles, was wir nutzen, diese Sicherheitsnormen erfüllen.
Ich bin zufällig auf eine sehr interessante Information von der WHO gestoßen. Es gibt mehr Studien zur Sicherheit von Drahtlos- und Mobilgeräten als zur Sicherheit der meisten Chemikalien.
e-Tech: Sie haben den Begriff „biologische Auswirkungen“ verwendet, aber lassen Sie uns konkret werden, was sagen Sie, wenn Sie gefragt werden, ob Mobiltelefone Krebs verursachen?
Wood: Was aus meiner Sicht sehr beruhigend ist, ist die Tatsache, dass, wenn man sich die Krebsrate über die Jahre ansieht, diese allgemein kaum zugenommen hat. Es gab einen kleinen Anstieg als MRTs entwickelt wurden und sich die Erkennungsrate dadurch verbesserte. Aber in den letzten 30 Jahren hat sie kaum zugenommen. Allerdings ist die Zahl der Menschen, die Mobiltelefone nutzen, deutlich gestiegen. Den Wissenschaftler*innen zufolge bedeuten diese Daten, dass wenn es etwas zu sehen gäbe, dann hätten wir dies an den Inzidenzraten für Krebs bereits sehen müssen. Das beruhigt die meisten Menschen gewöhnlich, besonders diejenigen, die sich Gedanken wegen Krebs machen, da hier die Bevölkerung insgesamt betrachtet wird und die meisten Menschen Mobiltelefone nutzen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Telefone nach strengen Sicherheitsnormen geprüft werden und die Sicherheitsnormen auf jahrzehntelanger weltweiter Forschung beruhen.
DKE Newsletter: Alle News zur elektrotechnischen Normung
Mit unserem DKE Newsletter sind Sie immer top informiert! Monatlich ...
- fassen wir die wichtigsten Entwicklungen in der Normung kurz zusammen,
- berichten wir über aktuelle Arbeitsergebnisse, Publikationen und Entwürfe,
- informieren wir Sie bereits frühzeitig über zukünftige Veranstaltungen.
e-Tech: Sie sagen, dass Regierungen und Regulierungsbehörden auf die Empfehlungen von Wissenschaftler*innen hören und sie sicherstellen, dass die Gerätehersteller die Vorgaben erfüllen, die auf den wissenschaftlichen Empfehlungen beruhen. Was genau ist die Rolle der IEC hierbei?
Wood: Die Aufgabe von Gesundheitsbehörden und -einrichtungen sowie Wissenschaftler*innen ist es, sich die Studien anzusehen und Grenzwerte oder entsprechende Leitlinien zu entwickeln. Zum Beispiel, wie viel Hochfrequenzenergie können wir ausgesetzt sein bzw. können Mobiltelefone oder -netze nutzen? Unsere Aufgabe bei der IEC ist, diese Grenzwerte zu nehmen und entsprechende Prüfverfahren zu entwickeln. Die Mitglieder unserer Gruppe kommen aus dem akademischen Bereich, von Forschungsinstituten, Universitäten, Herstellerseite, aus der Industrie, staatlichen Regulierungsbehörden und Prüflaboren. Sie sind alle Teil der IEC-Expertengruppe und bringen die besten Voraussetzungen mit, um uns dabei zu helfen, die Prüfverfahren zu entwickeln.
Was wir in unserem Komitee tun und die IEC in Zusammenarbeit mit dem Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) tut, ist, entsprechende Prüfverfahren zu entwickeln, um sicherzustellen, dass Telefone und Netze die festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten. Das ist die Rolle der IEC. Das ist nicht dasselbe wie die Grenzwerte festzulegen. Wir legen die Prüfverfahren fest.
e-Tech: 2023 wurde in den Medien berichtet, dass die französische Regulierungsbehörde den Verkauf eines beliebten Smartphones eines bekannten Herstellers vorübergehend untersagte. Worum ging es dabei?
Wood: Regulierungsbehörden weltweit testen Produkte, die bereits auf dem Markt sind, erneut. Was in Frankreich passierte, war, dass die Regulierungsbehörde Mobiltelefone in Läden kaufte und einem ihrer Prüflabore gab. Sie haben sie dann die Prüfverfahren durchlaufen lassen, die wir in unseren Normen festlegen. Sie überprüften die Geräte im Hinblick auf die Strahlung am Kopf. Test bestanden. Sie überprüften die Geräte im Hinblick auf die Strahlung am Körper. Test bestanden. Aber als sie die Geräte testeten, wenn sie in der Hand gehalten wurden bzw. sie die Hand simulierten, da fielen die Geräte durch den Test. Das erschien ihnen sehr merkwürdig und ich denke, sie haben den Test wiederholt, aber die Geräte haben ihren Test nicht bestanden. Die Behörden in Frankreich setzten dann den Verkauf der Telefone vorübergehend aus, bis die Sache geklärt war.
Folgendes war passiert: Wird das Mobiltelefon in die Hand genommen und genutzt, erkennt das Telefon, dass es genutzt wird oder dass man sich bewegt, und es hat das, was man einen Bewegungssensor nennt. Einige Telefone haben eine höhere elektromagnetische Strahlung, wenn man sie nicht in der Hand hält, falls sie ein Netz in einem Land oder einer ländlichen Gegend suchen müssen, aber sobald man sie in der Hand hält, wird die Strahlung immer reduziert, sodass die Grenzwerte für den Kopf nie überschritten werden. Soviel ich verstanden habe, war es bei dem Fall in Frankreich so, dass der Bewegungssensor nicht richtig aktiviert wurde, als die Tests mit dem Mobiltelefon in der Hand durchgeführt wurden bzw. es gab einen Fehler bei der Aktivierung des Bewegungssensors. Das Mobiltelefon – es ging dabei um das iPhone 12 – hat die Strahlung nicht reduziert und deshalb nicht die Grenzwerte für den Bereich der Finger bzw. Hand eingehalten.
Apple hat danach einen aktualisierten Software Patch herausgebracht, sodass alle Mobiltelefone in Frankreich mit dieser geringeren Strahlung arbeiteten. Ich unterstütze es wirklich, dass Regulierungsbehörden Produkte, die bereits auf dem Markt sind, testen. Aber in diesem Fall stellte sich die Frage, wie sie die Tests bezüglich des Mobiltelefons in der Hand durchführten. Aus diesem Grund aktualisieren wir bei der IEC die Prüfverfahren für Geräte, um bessere Erklärungen oder neue Erklärungen zur Aktivierung dieser Bewegungssensoren zu liefern. Das Mobiltelefon war absolut sicher. Die Grenzwerte für den Kopf und den Körper wurden eingehalten. Es war nur diese Überprüfung der Erfüllung der Anforderungen. Selbst in Frankreich sagte die Gesundheitsbehörde, dass es sich nicht um ein Sicherheitsproblem handelt. Es handelt sich um ein Problem der Überprüfung der Erfüllung der Anforderungen durch die Regulierungsbehörde.
Redaktioneller Hinweis:
Der englischsprachige Originalartikel von Michael Mullane erschien erstmals auf etech.iec.ch in der Ausgabe 01/2024 unter:
https://etech.iec.ch/issue/2024-01/can-mobile-phones-damage-our-health
Die Antworten entsprechen den persönlichen Ansichten und Meinungen des Interviewpartners und müssen nicht denen der DKE entsprechen.
Interessiert an weiteren Inhalten zu Core Safety?
Core Safety & Information Technologies umschließt alle Aspekte der Sicherheit: grundlegende Sicherheitsanforderungen, funktionale Sicherheit, Informationssicherheit sowie deren Wechselwirkungen. Außerdem befasst sich Core Safety mit wichtigen Querschnittsthemen und definiert grundlegende Anforderungen die allgemein einzuhalten sind – zum Beispiel für Elektromagnetische Verträglichkeit, Umwelt- und Ressourceneffizienz, Schadstoffe, Größen, Einheiten und Kennzeichnungen. Weitere Inhalte zu diesem Fachgebiet finden Sie im