Von starren Regeln zu agilen Lösungen: Wie z. B. ISO PAS 8926 den Umgang mit komplexer Software neu definieren
DKE: Wie unterstützen Standards wie ISO 26262-8 und ISO PAS 8926 die Umsetzung der IEC 61508?
Ahmann: Die IEC 61508 bietet mit der Route 3S einen Ansatz, der sich speziell auf vorbestehende Software konzentriert. Das ist auch die Grundlage für ähnliche Ansätze wie den Teil 8 Abschnitt 12 in der ISO 26262, der sich ebenfalls mit vorbestehender Software befasst, allerdings in seiner aktuellen Form für kleinere, wenig veränderte Softwarekomponenten gedacht war.
Mit dem ISO PAS 8926 wird jedoch ein Ansatz entwickelt, der über diese starren Modelle hinausgeht und in der 3. Edition der ISO 26262 integriert werden soll. Er berücksichtigt die Komplexität moderner Software, insbesondere von Open-Source-Projekten, und stellt konkrete Anforderungen an die Qualität solcher Software. Hier geht es um Fragen wie: Welche Qualitätsstandards müssen erfüllt sein? Wie kann ich sicherstellen, dass Open Source den notwendigen Anforderungen entspricht? Der PAS 8926 bringt dabei neue Ideen ein, die sich auch in künftigen Editionen der IEC 61508 niederschlagen könnten.
DKE: Welche Herausforderungen ergeben sich aus der Integration komplexer Software wie Linux in diese Standards?
Ahmann: Die Integration komplexer Systeme wie Linux in sicherheitskritische Umgebungen ist ein gutes Beispiel für die Herausforderungen. Ein Projekt wie SIL2LinuxMP, das bis 2019 lief, hat gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, Linux auf ein Safety-Integrity-Level-2-Niveau nach IEC 61508 Route 3s-Argumentation zu heben. Allerdings stieß das Projekt an Grenzen, vor allem durch die Komplexität des Linux-Systems und den hohen Formalismus der Normen.
Die Größe und Vielfalt von Open-Source-Projekten machen es schwer, ausreichende Evidenz für alle Aspekte bereitzustellen, die Normen wie die IEC 61508 oder die ISO 26262 fordern. Gleichzeitig erkennen wir in der Automobilbranche, dass wir diese Software zunehmend benötigen, um die Anforderungen aktueller Systeme und Hardware zu erfüllen und dadurch Wege finden müssen, ihre Qualität zu messen und sicherzustellen.
DKE: Welche Rolle spielen die neuen Ansätze wie der ISO PAS 8926 dabei?
Ahmann: Der PAS 8926 ist ein spannender Ansatz, da er sich mit der Qualitätssicherung komplexer Softwareprodukte befasst. Er bietet Kriterien, um die Qualität solcher Systeme zu bewerten und gibt Hinweise darauf, wie Nacharbeiten organisiert werden können. Besonders für agile Entwicklungsprozesse bietet er eine Basis, um Qualität iterativ und kontinuierlich zu sichern. Das ist eine Entwicklung, die auch für die IEC 61508 relevant werden könnte.
Wenn man über eine neue Edition der Norm nachdenkt, sollte man Elemente wie die des PAS 8926 mit aufnehmen. Wichtig ist auch der Austausch zwischen den Normungsgremien, insbesondere zwischen denen der IEC 61508 und der ISO 26262. Denn trotz der branchenspezifischen Unterschiede teilen wir oft die gleichen Herausforderungen, insbesondere wenn es um Komplexität, Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung geht.