Die zweite Edition der Norm DIN EN IEC/IEEE 82079-1 ist die wichtigste Norm für die Technische Kommunikation. Sie wurde in der Joint Working Group 16 von IEC/TC 3 und ISO/TC 10/SC 1 in Zusammenarbeit mit IEEE erstellt.
Nutzungsinformation: DIN EN IEC/IEEE 82079-1 als Grundlage für die technische Dokumentation
Bei DIN EN IEC/IEEE 82079-1 handelt es sich um einen Multipart-Standard. Das heißt, weitere Teile der Norm sind geplant. Diese tragen immer die federführende Normungsorganisation, aus der das Projekt eingebracht worden ist, im Namen. IEC war bei der Erarbeitung von Teil 1 federführend.
Der Anwendungsbereich der Norm ist die Erstellung von Nutzungsinformationen für Produkte.
DIN EN IEC/IEEE 82079-1 regelt sowohl Anforderungen an die Nutzungsinformation als auch an den Informationsmanagementprozess. Die Nutzungsinformation versorgt den Nutzer mit den notwendigen Informationen für den sicheren, effektiven und effizienten Gebrauch eines Produkts über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg – und somit vom Aufbau beziehungsweise der Inbetriebnahme über die Wartung und Reparatur bis hin zu Recycling und Abfallbeseitigung.
Verantwortlich für die Bereitstellung dieser Nutzungsinformation ist der Anbieter.
Die Norm gilt für alle Arten von Produkten. Im Anwendungsbereich der Vorversion stand treffend „von der Dose Farbe bis zu großen oder sehr komplexen Produkten, wie z. B. großen Industriemaschinen, schlüsselfertigen Anlagen oder Gebäuden“. Fälschlicherweise wird immer wieder angenommen, dass die Norm ursprünglich aus dem Verbraucherbereich stammt. Das ist aber nicht korrekt. Vielmehr kam die Initiative von einigen Expert*innen aus dem Bereich Anlagenbau. Die Norm gilt für
- Industrieprodukte
- Verbraucherprodukte
- Anwendungssoftware
- komplexe Systemverbunde
- technische Dienstleistungen
- medizinische Geräte, Ausrüstungen oder Systeme
- Transportmittel wie zum Beispiel Pkws oder auch Flugzeuge
- Software für den Betrieb und die automatische Steuerung von Systemen
Weil die Norm für so viele Produkte anwendbar ist, hat IEC ihr den Status einer Horizontalnorm gegeben.
Eine Horizontalnorm beschreibt grundlegende Prinzipien, Konzepte und die Terminologie, aber auch technische Spezifikationen, die nicht nur für einen bestimmten Bereich oder ein bestimmtes Produkt gelten, sondern branchenübergreifend gelten.
Normungsgremien greifen auf Horizontalnormen zurück, um ein konsistentes Normenwerk sicherzustellen. Neue Produktnormen referenzieren in dem Fall auf die jeweilige Horizontalnorm und beschreiben lediglich noch die produktspezifischen Besonderheiten.
„Nutzungsinformation“ ersetzt den Begriff „Gebrauchsanleitung“
Die zweite Edition von DIN EN IEC/IEEEE 82079-1 hat viele Änderungen hervorgebracht. Die Änderung, die auf den ersten Blick ins Auge fällt, ist der neue Titel der Norm, der nicht mehr von „Instructions for use“, sondern von „Information for use“ spricht.
Der Begriff „Information for use“ / „Nutzungsinformation“ wurde mit der zweiten Edition der Norm neu eingeführt und ersetzt den bisher verwendeten Begriff „Instructions for use“ / „Gebrauchsanleitung“. Hintergrund dieser Neuerung ist, dass der bislang im englischsprachigen Raum verwendete Begriff „Instructions for use“ schon immer zu eng gefasst war.
Der Inhalt einer Nutzungsinformation basiert auf drei „Informationstypen“ und nicht ausschließlich auf anleitenden Informationen, wie es „Instructions for use“ nahelegt. Die folgenden drei Informationstypen bilden die Grundlage für eine Nutzungsinformation:
- Anleitende Informationen (en: instructional information): Das sind Verfahrensweisen, die von der Zielgruppe durchzuführen sind, beispielsweise Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Warnhinweise.
- Erklärende Informationen (en: conceptual information): Informationen, die es der Zielgruppe ermöglichen, Aufgaben zu erfüllen, indem sie Zweck und Funktionsprinzipien des Produkts erklären, beispielsweise Sicherheitshinweise bzw. das Sicherheitskapitel.
- Referenzielle Informationen (reference information): Informationen, die die Zielgruppe nur gelegentlich benötigt, beispielsweise Troubleshooting Informationen, bestimmte Befehle oder Codes.
Im Deutschen kommt noch ein weiterer terminologischer Aspekt hinzu, denn es gibt je nach Branche oder Unternehmen sehr unterschiedliche Benennungen, die auch mit den Europäischen CE-Richtlinien zusammenhängen:
- Im Maschinenbau sprechen wir häufig von Betriebsanleitungen
- In der Medizintechnik sprechen wir häufig von Gebrauchsanweisungen
- Im Verbraucherbereich sprechen wir häufig von Gebrauchsanleitungen
Das neue Konzept der „Nutzungsinformation“ und der Anwendungsbereich der Norm DIN EN IEC/IEEE 82079-1 zeigen: Es werden branchenübergreifend alle Produktarten berücksichtigt. Die Überarbeitung der Norm erstreckt sich über das neue Konzept „Nutzungsinformation“ hinaus auch auf folgende Aspekte:
- Neue Strukturierung der Norm
- Neuer Abschnitt zum Informationsmanagementprozess
- Neuer Abschnitt zur Struktur einer Nutzungsinformation
- Neuer Abschnitt zu Medien und Format einer Nutzungsinformation
- Neuer Abschnitt zu beruflichen Kompetenzen technischer Redakteure
Expertengremium DKE/GK 113.1 Koordinierung der Normenreihe ISO/IEC 82079
Die Experten im deutschen Normungsgremium DKE/GK 113.1 befassen sich mit dem Erstellen von Nutzungsinformationen für Produkte.
Nach Veröffentlichung der IEC/IEEE 82079-1 arbeiten die Experten nun daran, dass eine europäische Fassung der Norm herausgegeben wird, um sie in das deutsche Normenwerk zu übernehmen und auf diser Grundlage eine deutschsprachige Fassung herauszugeben.
Anforderungen an eine Nutzungsinformation
DIN EN IEC/IEEE 82079-1 beschreibt grundlegende und spezifische Anforderungen an eine Nutzungsinformation und den Informationsmanagementprozess. Dazu gehören unter anderem Anforderungen an den Inhalt und die Struktur einer Nutzungsinformation:
- Ab welcher Seitenzahl ist ein Inhaltsverzeichnis erforderlich?
- Ab welcher Seitenzahl ist eine Seitennummerierung erforderlich?
- Wann ist für Illustrationen eine Auflösung von 72 oder 300 DPI anzuwenden?
- Wie werden Sicherheits- und Warnhinweise korrekt aufgebaut, wo werden sie platziert und welchen Mindestinhalt müssen sie haben?
- Wie werden Schritt-für-Schritt-Anleitungen aufgebaut?
Technische Redakteure finden in der Norm alle relevanten Anforderungen, um eine Nutzungsinformation bestmöglich schreiben zu können.
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Von analog zu digital: Nutzungsinformation in elektronischer Form
Früher war es vollkommen normal, einem Produkt die Nutzungsinformation in gedruckter Form beizulegen. Im Zuge des digitalen Wandels der vergangenen Jahrzehnte hat die Papierform jedoch immer weiter abgenommen.
Nach einer Umfrage der Gesellschaft für Technische Kommunikation - tekom Deutschland e.V. wurde in Softwareunternehmen bereits im Jahr 2015 sehr viel weniger Printdokumentation erzeugt als in Industrieunternehmen. Die Umfrage ergab, dass bei der Hälfte der befragten Industrieunternehmen der Anteil an Printdokumentationen 75 Prozent und mehr vom Gesamtdokumentationsumfang ausmachte. Hingegen lag der Printanteil bei der Mehrheit der befragten Softwareunternehmen schon unter 25 Prozent gemessen am Gesamtdokumentationsumfang.1
DIN EN IEC/IEEE 82079-1 trifft keine rechtliche Aussage über die Zulässigkeit der Bereitstellung einer Nutzungsinformation in digitaler Form. Anbieter müssen dies im jeweils im Einzelfall prüfen. Dafür gibt die Norm jedoch zahlreiche Hilfestellungen zum „Wie“ der Umsetzung.
Der Anbieter muss die Medien und die Darstellung der Nutzungsinformation nach der Art seiner Zielgruppe(n) und auf Grundlage ihrer Bedarfe festlegen. Folgende Kriterien spielen hierfür eine Rolle:
- Lebensdauer des Produkts
- Haltbarkeit der gewählten Medien
- Verfügbarkeit des Mediums (z. B. ein Produkt, das nicht in Betrieb ist)
- einfacher Zugang zur Nutzungsinformation für die Zielgruppe
- konkrete Eignung des Mediums für das unterstützte Produkt
Die Norm gibt exemplarisch eine Reihe von Kriterien vor, welche bei der Entscheidung für ein konkretes Medium (Papierform oder elektronische Form) hilfreich sein können. Im Fokus der Überlegungen stehen hierbei immer der konkrete Usecase und die Zielgruppe. Die folgende Tabelle verdeutlich dies anhand einiger Beispiele.
Nutzungsbedingungen des unterstützten Produkts | Ungeeignete Medien für die zugehörige Nutzungsinformation |
Schlechte Lichtverhältnisse | Unbeleuchteter Text (Papier, elektronische Tinte) |
Laute Umgebung, Gehörschutz | Gesprochene Sprache |
Nässe, Feuchte, Reinraumbedingungen | Papier |
Quelle: DIN EN IEC/IEEEE 82079-1
Weiterführende Informationen:
1 Aus tekom Richtlinie: Bereitstellung von Nutzungsinformationen in elektronischer Form – eDok (Link führt zur kostenpflichtigen tekom Publikation)
Redaktioneller Hinweis:
Die Fachinformation zur Norm DIN EN IEC/IEEE 82079-1 ist mit Unterstützung durch den Fachverband tekom Deutschland e.V. entstanden.
Die Norm DIN EN IEC/IEEE 82079-1 können Sie beim VDE VERLAG erwerben.
Artikelserie: Nutzungsinformation nach DIN EN IEC/IEEE 82079-1
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