Darstellung von Ueberschwemmung
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10.01.2022 Fachinformation

Erneuerbare Energien: Eine der Antworten auf die Katastrophenbekämpfung?

Durch den Klimawandel werden wir zunehmend mit Extremwetterereignissen konfrontiert. Aber erst, wenn unsere Versorgungsstrukturen zusammenbrechen, erkennen wir, wie bedeutend das eigentlich Selbstverständliche sein kann.

Geht es in dem Zusammenhang um die Veringerung von Schäden in einem Katastrophenfall, so sind es sicherlich nicht erneuerbare Energien, an die wir denken. Und doch können sie eine sehr wichtige Rolle bei der Katastrophenbekämpfung einnehmen.

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Von Catherine Bischofberger

Die Nutzung erneuerbarer Energien kann zwar die Belastung der Stromnetze erhöhen, aber auch dazu beitragen, lebenswichtige Dienste im Fall von Naturkatastrophen aufrechtzuerhalten.

Unterstützt durch zahlreiche IEC-Normen helfen sie, einige der Nachhaltigkeitsziele der UN (en: Sustainable Development Goals; SDGs) zu erreichen, wozu auch SDG 13 gehört, d. h. umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und der damit verbundenen Auswirkungen zu ergreifen.

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Die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien ist eine wichtige Maßnahme, um Treibhausgasemissionen zu senken. Unser vermehrtes Zurückgreifen auf diese Energien kann die Belastung der Stromnetze allerdings erhöhen, insbesondere wenn die erneuerbaren Energien nicht kontinuierlich Strom liefern, wie Wind- oder Solarenergie.

Konventionelle Stromnetze, die Strom in großen Mengen produzieren und dazu genutzt werden, diesen in einer Richtung an verschiedene Nutzer zu liefern, müssen immer häufiger überschüssigen Strom, der lokal produziert wurde, z. B. durch Solarmodule auf Hausdächern, integrieren. Sie greifen aber auch auf gespeicherte oder importierte Energie zurück, wenn diese variablen Quellen weniger Strom zur Verfügung stellen (wenn weniger Sonne scheint oder weniger Wind herrscht).

Um sicherzustellen, dass das Netz diese dezentralen Energiequellen (en: distributed energy resources; DERs), die in beide Richtungen Strom liefern, sicher aufnehmen kann, braucht es Intelligenz. Neue Smart-Grid-Technologien helfen, sicherzustellen, dass ein Gleichgewicht zwischen Nutzung und Erzeugung im Netz hergestellt wird.

Die Normen der Reihe IEC 61850 sind grundlegende Veröffentlichungen, die den Weg für den Einsatz verschiedener digitaler Technologien im Zusammenhang mit intelligenter Energie („Smart Energy“) ebnen. Zentrale Themen sind unter anderem die Integration erneuerbarer Energien und dezentraler Energiequellen in das Stromnetz, aber auch die zunehmende Automatisierung und Selbstheilungsprozesse.

Wichtige Technologien, die in Smart Grids zum Einsatz kommen, sind Sensoren, die die wesentlichen Parameter, wie Temperatur, elektrische Spannung und Stromstärke, messen; Kommunikationen, die einen Dialog mit einem Gerät in beide Richtungen erlauben; Steuerungssysteme, die es ermöglichen, dass ein Gerät aus der Ferne rekonfiguriert werden kann, und Benutzerschnittstelle; sowie Entscheidungsunterstützungssysteme (en; decision support systems, DSS), die einen Überblick über den Anlagenstatus liefern und fortschrittliche Datenanalysen durchführen.

Die Normenreihe IEC 61850 wird von IEC/TC 57 (DKE/K 952) veröffentlicht, das auch einige wesentliche Normen in Bezug auf die Cybersecurity intelligenter Netze, die Normenreihe IEC 62351, die in direktem Zusammenhang mit der Normenreihe IEC 61850 steht, erarbeitet.


Ein Ingenieur, welcher in der elektrischen Leitwarte arbeitet
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Cybersecurity für die Kommunikationsprotokolle in der Energieversorgung

Ein Blackout führt bereits nach kurzer Zeit zu Panik in der Bevölkerung, denn ohne Elektrizität ist unser alltägliches Leben nicht mehr möglich. Den Grund für einen Blackout sehen Fachleute aber weniger in der Bereitstellung von Energie als vielmehr durch Angriffe auf Energieversorger durch Hacker.

Cybersecurity spielt bei Kommunikationsprotokollen somit eine zentrale Rolle. Auf internationaler Ebene erarbeiten Fachleute deshalb spezifische Normen und Standards, die sich in der Arbeit von nationalen Gremien widerspiegelt.

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Sicherstellung einer kontinuierlichen Versorgung

Wir sind alle Zeugen der rasanten Zunahme an Naturkatastrophen in den vergangenen zehn Jahren. Waldbrände, z. B. in Australien, Kalifornien, Europa und Nordafrika, sowie Tornados, Tsunamis und Überschwemmungen überall auf der Welt zeigen, dass kein Gebiet auf der Erde vor Extremwetterereignissen und deren Folgen geschützt ist. Mit zunehmendem Klimawandel ist davon auszugehen, dass diese Ereignisse in immer größerer Zahl und auch in immer kürzeren Abständen auftreten werden.

Das Stromnetz ist Teil der kritischen Infrastruktur eines Landes. Wenn ein Großteil des Netzes ausfällt, können die Auswirkungen sogar lebensbedrohlich sein. Der für den längsten Blackout in der Geschichte der USA verantwortliche Hurrikan Maria hat 2017 das Stromnetz in Puerto Rico nahezu vollständig zerstört. Der Stromausfall, der die Stromversorgung der Insel komplett lahmlegte, forderte tausende Todesopfer. Viele Menschen starben, weil die Stromversorgung im Krankenhaus von dem Sturm unterbrochen wurde und lebenswichtige Maßnahmen nicht mehr aufrechterhalten werden konnten.

Bestehende Netze widerstandsfähiger zu machen, ist eine der Antworten: der Einsatz wasserfester Technologien, denen Überschwemmungen nichts anhaben können, die Verlegung von Stromkabeln unter die Erde, um Brände zu vermeiden usw. Diese Maßnahmen werden zwar angestrebt, aber sie sind teuer und ihre Finanzierung bleibt für viele Länder auf der Welt ein Problem. Viele IEC-Normen tragen dazu bei, die Resilienz des Stromnetzes gegenüber Katastrophen durch eingebaute Sicherheitsmechanismen, Prozesse und Mindestanforderungen zu stärken. Sie stellen zudem gleiche Wettbewerbsbedingungen sicher und senken so die Kosten für Hersteller und Energieversorgungsunternehmen.

Die Nutzung dezentraler Energiequellen ist eine weitere und wichtige Maßnahme, um sicherzustellen, dass die Stromversorgung aufrechterhalten bleibt, wenn Netze zusammenbrechen. Dezentrale Energiequellen finden sich überall wieder – das kann ein Solarmodul auf dem Dach eines Gebäudes sein, ein Microgrid oder eine Windturbine, aber es kann auch ein Elektrofahrzeug sein, das an das Stromnetz angeschlossen ist, oder sogar ein Kühlschrank mit beeinflussbarer Last. DERs sind nicht nur dezentrale Energiequellen, sie sind auch beeinflussbare Energieverbraucher.

Die öffentliche Wahrnehmung ist, dass die Installation von Solarmodulen oder kleinen Windturbinen Eigenheime effektiv „vom Netz nehmen wird“, was jedoch nicht stimmt, besonders in Industrienationen, da DERs an das Netz angeschlossen sind und zu viel produzierten Strom zurück in das Energieversorgungsnetz einspeisen. Es gibt aber Möglichkeiten, erneuerbare Energieanlagen, die an das Netz angeschlossen sind, im Fall eines Netzausfalls nach einem Wetterereignis anzuzapfen. Ein spezieller Wechselrichter, der an eine Batterie angeschlossen ist, sorgt dafür, dass Gebäude sich vom Netz abtrennen bzw. isolieren und dann auf diese Weise weiter Strom erzeugen und speichern können.

DERs kombinieren häufig erneuerbare Energieanlagen, wie Solarmodule auf Dächern, kleine Windturbinen oder Kleinwasserkraftwerke mit einer Batterie oder einem Generator, um ein Microgrid oder Minigrid aufzubauen. Microgrids werden von Privatleuten oder kleinen Gewerbebetrieben genutzt. Minigrids hingegen sind größere Anlagen, die große Handelsunternehmen, Universitäten, Fabriken, Städte und sogar Inseln mit Strom versorgen können.

Technische Komitees bei IEC erarbeiten internationale Normen für erneuerbare Energieanlagen. Sie helfen kleinen und großen erneuerbaren Energieanlagen sicher und effizient zu arbeiten, sowohl wenn sie ans Netz angeschlossen als auch wenn sie davon getrennt sind. Dadurch tragen sie dazu bei, SDG 13 zu erfüllen, d. h. umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen zu ergreifen. Sie ermöglichen ferner die Integration erneuerbarer Energieanlagen in herkömmliche Stromnetze:

  • IEC/TC 4: Hydraulic turbines
  • IEC/TC 5: Steam turbines
  • IEC/TC 82 (DKE/K 373): Solar photovoltaic energy systems
  • IEC/TC 88 (DKE/K 383): Wind energy generation systems
  • IEC/TC 114 (DKE/GK 385): Marine energy - Wave, tidal and other water current converters
  • IEC/TC 117 (DKE/K 374): Solar thermal electric plants

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Normen für Mikronetze („Microgrids“)

Microgrids bzw. Minigrids können das konventionelle Stromnetz ergänzen, wenn der Strombedarf hoch ist, aber sie können auch die Stromversorgung während eines Netzausfalls aufrechterhalten und die Stromversorgung schneller wiederherstellen. Sie können zudem abgelegenen Kommunen helfen, Zugang zu einer zuverlässigen Versorgung mit nachhaltig erzeugtem Strom zu erhalten. So tragen sie außerdem dazu bei, SDG 7 zu erfüllen, d. h. den Zugang zu bezahlbarer, zuverlässiger, nachhaltiger und moderner Energie für alle zu sichern.

Japan ist regelmäßig extremen Wetterereignissen ausgesetzt und häufig von Erdbeben betroffen. Bereits vor der Nuklearkatastrophe von Fukushima hatte das Land in Microgrid-Technologie investiert, die es ermöglichte, die enormen Herausforderungen, die durch das Erdbeben und den folgenden Tsunami entstanden, besser zu meistern. Die japanische Stadt Sendai hat ihr Microgrid genutzt, um direkt nach dem Erdbeben von 2011 Krankenhäuser, Seniorenheime und andere Einrichtungen wieder mit lebenswichtigen Diensten wie Strom, Telekommunikation und Wasser zu versorgen. Da das Gasnetz in der Stadt intakt blieb, waren Gasaggregate in der Lage, als Hauptstromlieferant für das Microgrid zu fungieren.

IEC/TC 8 (DKE/K 261) veröffentlicht mehrere Dokumente, die die Auslegung und Steuerung von Microgrids festlegen. Eines seiner Unterkomitees, SC 8B, gibt beispielsweise die Norm IEC 62898-2, die einen Leitfaden für den Betrieb von Microgrids bereitstellt, heraus.

IEC/TC 21 (DKE/K 371) erarbeitet Normen für Sekundärzellen und Batterien. Es veröffentlicht zwei wesentliche Normen für Speichersysteme für erneuerbare Energien. Die erste Norm, IEC 61427-1, legt allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren für netzunabhängige Anwendungen und Strom, der von PV-Modulen erzeugt wird, fest. Die zweite Norm, IEC 61427-2, macht dasselbe für netzabhängige Anwendungen, die ihren Strom von großen Wind- und Solarenergieparks erhalten.

Herbert Giess, Experte im Gremium IEC/TC 21, erklärt: „Die Normen konzentrieren sich auf die richtige Charakterisierung der Batterieleistung, ob sie dazu genutzt wird, einen Kühlschrank in den Tropen, in dem Impfstoff gelagert wird, mit Strom zu versorgen oder um einen flächendeckenden Stromausfall zu verhindern. Da die Normen größtenteils chemieunabhängig sind, d. h. sie gelten für Bleibatterien genauso wie für Lithium-Ionen-Batterien, ermöglichen sie Anlagenplanern bzw. Endkunden, Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, selbst wenn unterschiedliche Batteriechemien involviert sind.“

IECEE, das IEC-System für Konformitätsbewertungssysteme elektrotechnischer Betriebsmittel und Komponenten (en: IEC System of Conformity Assessment Schemes for Electrotechnical Equipment and Components) ist eines von vier CA-Systemen, die von der IEC verwaltet werden. Das System lässt ein Programm laufen, in dem die Sicherheit, die Interoperabilität der Leistungskomponenten, die Energieeffizienz, die elektromagnetische Kompatibilität (en: electromagnetic compatibility; EMC), gefährliche Substanzen usw. von Batterien geprüft werden.

Die sichere und effiziente Nutzung von DERs, die auf erneuerbaren Energien beruhen, die abhängig oder unabhängig vom Netz sind, ist ein sehr wirkungsvolles Instrument, um die Resilienz des Netzes zu erhöhen. Das kann aber nur erreicht werden, wenn die verwendeten Teile und Systeme nach den IEC-Normen und CA-Systemen ausgelegt, gebaut und zertifiziert sind.


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