Aufnahme unter Wasser Richtung Wasseroberfläche
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22.06.2021 Fachinformation

Meeresenergietechnik: Zertifizierung stärkt das Vertrauen in Kraftwerke und deren Bestandteile

Unser Planet ist zu über 70 Prozent mit Wasser bedeckt. Wind, Gezeiten und Meeresströmungen machen die Meere zu einem nimmermüden Energiepaket. Meeresenergie könnte auf diese Weise erheblich zum globalen Energiemix beitragen. Mit IEC TS 62600-4 liegt seit kurzem ein Dokument vor, das die Anforderungen an den Technologie-Qualifizierungsprozess für marine erneuerbare Technologien beschreibt.

IEC-Logo
IEC

Von Winston D’Souza und Peter Scheijgrond

Technische Innovationen führen oft zu völlig neuartigen Entwicklungen und Konzepten, die nicht mit bestehenden normativen Regeln oder internationalen Codes und Normen zertifizierbar sind.

In Ermangelung solcher Benchmarks erfordern diese Technologien (oder ihre jeweiligen neuartigen Komponenten) daher einen anderen systematischen Prozess zur Verifizierung und Validierung, um die möglicherweise auftretenden Betriebsrisiken zu identifizieren, zu quantifizieren, zu analysieren und zu managen.

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Alexander Nollau
Zuständiges Gremium
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Meeresenergie zählt zu den am schnellsten wachsenden Sektoren und bringt die Entwicklung neuartiger Kraftwerke (Marine Energy Converter, MEC) mit sich. Spezielle internationale Normen für diesen Sektor sind bereits in Arbeit, aber wie lassen sich bis zu ihrem Erscheinen die Risiken im Zusammenhang mit den Kraftwerken verringern? Die technische Qualifizierung (TQ) bietet einen Ausgangspunkt für die Zertifizierung. Sie macht die MEC-Technologie für Investoren attraktiver, weil sie Vertrauen schafft, dass eine unabhängige Beurteilung nach einem strukturierten Prozess stattgefunden hat.

IEC/TC 114 (Spiegelgremium: DKE/GK 385) hat kürzlich einen neuen Teil der internationalen Normenreihe IEC 62600 herausgegeben, der Unterstützung bei der Beurteilung solch neuartiger Technologien bietet. Der neue Teil, IEC TS 62600-4, beschreibt den Zertifizierungsprozess von Meeresenergie-Technologien durch technische Qualifizierung.


Generatoren des Hoover Dam
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DKE/GK 385 Meeresenergie-, Meeresströmungs-, Wellen- und Gezeiten-Kraftwerke

In Meeresströmungs-Kraftwerken nutzen Unterwasserturbinen die Meeresströmung und wandeln diese in Elektrizität um. Wellenkraftwerke nutzen die kontinuierliche Wellenbewegung zur Stromerzeugung. Ein Gezeiten-Kraftwerk wiederum nutzt hierfür die Energie des wechselnden Wasserpegels des Meeres. Und OTEC-Kraftwerke nutzen den Temperaturunterschied zwischen dem warmen Wasser an der Oberfläche und dem kalten Wasser in der Tiefe des Meeres. Das Expertengremium spiegelt in diesem Bereich die internationale Normungsarbeit von IEC/TC 114.

Zum Expertengremium DKE/GK 385

Diese technische Spezifikation unterstützt bei der Ermittlung der am stärksten von technischen Risiken oder Unwägbarkeiten betroffenen Bestandteile einer solchen Technologie und legt angemessene Qualifizierungsmaßnahmen zur Bewältigung dieser Risiken und Unwägbarkeiten fest. Auf diese Weise bildet sie gewissermaßen ein Sprungbrett für die Zertifizierung von Produkten für die Meeresenergie.

Die Erarbeitung dieser technischen Spezifikation wurde in Teilen durch das kürzlich abgeschlossene Projekt INTERREG 2 SEAS MET-CERTIFIED unter der Leitung des Dutch Marine Energy Centre unterstützt. Zahlreiche Projektpartner – darunter Zertifizierungsstellen, Technologieentwickler und Meeresenergie-Prüflaboratorien – waren hierfür an der Erreichung der Projektziele beteiligt, zu denen auch Unterstützung bei der Entwicklung internationaler Normen zur Beurteilung von Meeresenergie-Technologien zählte.

Angesichts der stetig steigenden Anzahl an Meeresenergie-Technologienauf der ganzen Welt soll die Normenreihe IEC 62600 allgemein anerkannte Kriterien für die Beurteilung von MECs bereitstellen, um eine durchgängige Qualität der weltweit angebotenen Qualität von Produkten und Dienstleistungen sicherzustellen.


IEC TS 62400-4

IEC TS 62400-4

| IEC

Marine energy – Wave, tidal and other water current converters –
Part 4: Specification for establishing qualification of new technology

IEC TS 62600-4 spezifiziert die Anforderungen an den Technologie-Qualifizierungsprozess für marine erneuerbare Technologien.

Die Technologiequalifizierung ist ein Prozess, bei dem Nachweise und Argumente erbracht werden, um die Behauptung zu unterstreichen, dass die zu bewertende Technologie in einer Zielbetriebsumgebung innerhalb bestimmter Grenzen und mit einem akzeptablen Vertrauensniveau zuverlässig funktionieren wird Vertrauen.

Norm im VDE VERLAG

Im Rahmen von „IEC System for Certification to Standards Relating to Equipment Relating to Equipment for Use in Renewable Energy Applications“ (IECRE) führt eine unabhängige Zertifizierungsstelle für erneuerbare Energie (Renewable Energy Certification Body; RECB) einen TQ-Prozess durch, der dann zu einer Zertifizierung führt. Durch RECB ausgestellte Zertifikate genießen hohes Ansehen bei zahlreichen Stakeholdern wie Finanzinstituten, Versicherern, Regulierern und Endbenutzern, da sie die zertifizierten MECs oder auch deren Bestandteile vertrauenswürdiger machen. Dieser Aspekt spielt eine wichtige Rolle bei der Kommerzialisierung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen.

Die TQ in Übereinstimmung mit IEC TS 62600-4 und anschließender Vergabe einer Durchführbarkeitserklärung findet in einem zweistufigen Prozess statt:

Stufe 1 (technische Begutachtung): In dieser Stufe findet eine umfassende Beurteilung im Rahmen eines Technologie-Workshops statt, die mit der Ausstellung eines Berichts zur technischen Begutachtung endet. Diese Stufe gliedert sich in die folgenden Detailstadien:

  • Definition der Technologie
  • Zerlegung des Systems
  • Detaillierte technische Beurteilung
  • Detaillierte Risikobeurteilung
  • Technische Begutachtung (Diskussion der Befunde aus Technologie- und Risikoanalyse)
  • Ausstellung des Berichts zur technischen Begutachtung durch die RECB

Stufe 2 (technischer Qualifizierungsplan): In dieser Stufe erstellt der Technologieentwickler einen technischen Qualifizierungsplan (TQP), der nach Genehmigung durch die RECB zur Vergabe einer Durchführbarkeitserklärung durch die RECB führt. Dieser Teil des Prozesses gliedert sich in die folgenden Detailstadien:

  • Durchsicht des Berichts zur technischen Begutachtung durch den Technologieentwickler
  • Anfertigung eines TQP-Entwurfs durch den Technologieentwickler unter Eingehen auf Bedenken
  • Finalisierung des TQP mit Details zu Prüfungen, Abnahmekriterien, Zeitplänen usw.
  • Vorlage des TQP bei der RECB zur Beurteilung
  • Genehmigung des TQP durch die RECB, falls keine Rückfragen
  • Ausstellung einer Durchführbarkeitserklärung durch die RECB und Bestätigung der Abnahme des TQP

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Norm IEC 62600

Norm IEC 62600

| DKE

Neben den beiden Stufen kann der Technologieentwickler in Übereinstimmung mit dem IECRE-Zertifizierungsprozess auch Kontakt mit einer RECB aufnehmen, um auf eine Zertifizierung hinzuarbeiten. Wenn ein solcher Prozess erfolgreich abgeschlossen wird, führt dies zur Vergabe einer der folgenden Zertifizierungen:

  • Prototypenzertifizierung
  • Komponentenzertifizierung
  • Typenzertifizierung
  • Projektzertifizierung

Das an der Entwicklung der technischen Spezifikation IEC TS 62600-4 beteiligte Projektteam besteht aus Fachleuten aus China, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Kanada, den USA und dem Vereinigten Königreich. Mit der Veröffentlichung von IEC TS 62600-4 verfügt der Meeresenergie-Sektor nun über das Rüstzeug, um einen weltweit akzeptierten und strukturierten Beurteilungsprozess für neuartige Technologien bereitzustellen und Technologieentwicklern einen Rahmen zu bieten, damit diese verstehen, wie ihre Produkte und Dienstleistungen beurteilt werden.


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