- Wo steht Afrika bei der Elektrifizierung?
- Welche IEC-Normen sind von Bedeutung?
- Welche Rolle spielt die Konformitätsbewertung?
Zugang zu Elektrizität in ganz Afrika beschleunigen
Die Vereinten Nationen betrachten die Energieversorgung als maßgeblichen Eckpfeiler für eine wirtschaftliche Entwicklung, welche wiederum die Bemühungen zur Bekämpfung von Armut und Hunger unterstützt, die Gesundheitsversorgung und Bildung verbessert und die Gleichberechtigung von Frauen fördert. Unter den UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung ist SDG 7 darauf ausgerichtet, den Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle bis 2030 sicherzustellen.
Ein Zugang zu nachhaltiger Energie wird auch dazu beitragen, die meisten anderen Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Zum Beispiel SDG 3, das sich mit Gesundheit und Wohlergehen auseinandersetzt, und SDG 4, das darauf ausgerichtet ist, eine inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung zu gewährleisten und Möglichkeiten für ein lebenslanges Lernen für alle zu fördern.
Verlangsamung der Elektrifizierung in Afrika
In den letzten Jahren wurden hinsichtlich der Elektrifizierung weltweit viele Ziele erreicht. Betrachtet man jedoch die Zahlen auf dem afrikanischen Kontinent, zeichnet sich ein deutlich weniger positives Bild ab. Der UN-Veröffentlichung „Tracking SDG 7: The Energy Progress Report“ aus dem Jahr 2023 zufolge hat COVID-19 den Zugang zu Elektrizität in afrikanischen Ländern südlich der Sahara verlangsamt und die Situation hat sich seitdem nicht merklich verbessert. Der seit Sommer 2021 stetige Anstieg der Energiepreise bremst den Fortschritt zusätzlich. Dies insbesondere in den ohnehin am stärksten benachteiligten Ländern und jenen, die sowieso bereits der Entwicklung hinterherhinkten.
Dem UN-Bericht zufolge hatten 2021 immer noch 675 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom. Davon leben 567 Millionen Menschen in Afrika südlich der Sahara, das sind mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung, die keinen Zugang zu Strom haben. Der Bericht stellt ferner fest, dass die internationale finanzielle Unterstützung für saubere Energie, die an Entwicklungsländer geleistet wird, seit ihrem Höchststand von 26,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 um 60 Prozent zurückgegangen ist.
Der Bericht warnt weiter, sollte sich dies nicht rasch verbessern, werden die Ziele von SDG 7 bis 2030 nicht erreicht werden. Um die Ziele aber zu erreichen, insbesondere für Menschen, die in armen und abgelegenen Regionen leben, muss sich die jährliche Wachstumsrate der Zahl der Menschen, die Zugang zu Strom erhalten, verdoppeln.
Der Bericht unterstreicht zudem, dass das Tempo bei der Nutzung erneuerbarer Energien – auch wenn es zunimmt – immer noch zu langsam ist, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Es sind wesentlich größere Anstrengungen erforderlich, um den Einsatz erneuerbarer Energieträger im Verkehrs- und Wärmebereich zu erhöhen und gleichzeitig Fortschritte bei der Energieeinsparung zu erzielen.
Solarenergie – eine ideale Lösung für Afrika?
In Afrika gibt es mehr Sonnenstunden als auf jedem anderen Kontinent der Erde. Das Klima ist ideal, um photovoltaische Solarenergie in vollem Umfang zu nutzen. Darüber hinaus lassen sich Solaranlagen auf Dächern installieren, ohne an nationale Stromnetze angeschlossen zu sein. Diese Anlagen ermöglichen den Zugang zu Strom in entlegenen Orten, die das nationale Stromnetz nicht erreicht.
Die Preise für Solaranlagen sind in den letzten Jahren zudem gesunken, wobei es hierbei große Unterschiede gibt, je nachdem in welchem Land man lebt. Trotz dieses globalen Abwärtstrends bleiben die Preise für den durchschnittlichen Haushalt in Afrika hoch. Es gibt jedoch Lösungen: In vielen Ländern werden bereits Mietanlagen favorisiert und anstatt individueller Anlagen, werden Gruppeninstallationen für kleine Dörfer genutzt, die die Kosten für die einzelnen Nutzer damit reduzieren.
Statista zufolge verfügte Südafrika im Jahr 2022 mit über 6 Gigawatt über die größte installierte Solarenergiekapazität in Afrika; Ägypten verzeichnete mit etwa 1,7 Gigawatt die zweitgrößte, gefolgt von Marokko mit 858 Megawatt, Kenia und Senegal mit 307 bzw. 263 Megawatt. Die Zahlen beinhalten auch konzentrierte Solarthermie (en: concentrated solar power, CSP); bei dieser Technologie haben Länder wie zum Beispiel Südafrika, wo mehrere CSP-Anlagen gebaut wurden, eine Vorreiterrolle gespielt.
Der „Snapshot of Global PV Markets 2023“, eine Veröffentlichung der Internationalen Energieagentur (IEA), enthält Schätzungen wonach Afrika und der Nahe Osten im Jahr 2022 nur 3 Prozent der weltweiten PV-Anlagen ausmachten.
SDG 7 – Bezahlbare und saubere Energie
Wie lassen sich die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen erreichen?
Die DKE leistet direkt und indirekt, einen bedeutenden Beitrag, diese Ziele mit Normen und Standards, Fachleuten und Fachgremien, Positionspapieren, Roadmaps und Veranstaltungen zu erreichen.
IEC-Normen sind eine treibende Kraft für Solarenergie
Mehrere IEC-Dokumente zu PV-Anlagen wurden von der Weltbank und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) anerkannt und können der Photovoltaik in Afrika zu einem Durchbruch zu verhelfen. Die technischen Spezifikationen der Normenreihe IEC 62257 geben Empfehlungen für kleine Hybridanlagen, die erneuerbare Energien nutzen, um ländliche Gebiete mit Strom zu versorgen.
Dazu gehört IEC TS 62257-9-8, die Mindestanforderungen an die Qualität, Haltbarkeit und Genauigkeit für eigenständige Produkte im Bereich der erneuerbaren Energien festlegt, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Die Evaluierung dieser Anforderungen erfolgt anhand der in IEC TS 62257-9-5 festgelegten Prüfverfahren. Sie basieren alle auf dem Rahmen für Qualitätssicherung und den Qualitätsstandards, die von Lighting Global (Weltbank) aufgestellt wurden, um für die hunderte Millionen Menschen auf der Welt, die aktuell ohne Strom leben, schnellstmöglich den Zugang zu netzunabhängiger Solarenergie zu verbessern. Entwicklungsländer erhalten die Normenreihe zu einem deutlich reduzierten Preis.
„2013 veröffentlichte das technische Komitee IEC/TC 82 (DKE/K 373) die erste Ausgabe von IEC TS 62257-9-5. Das Dokument wurde seither mehrmals überarbeitet und es werden regelmäßig neue Fassungen veröffentlicht. Viele Millionen Produkte, die, basierend auf entsprechenden Prüfungen nach den Leitlinien von IEC TS 622257-9-5, den Qualitätsstandard von Lighting Global erfüllen, wurden weltweit verkauft und kommen damit vielen Leuten zugute“, erzählt Arne Jacobson, der gemeinsam mit Leon Drotsché die Arbeitsgruppe leitet, die die Spezifikationen erarbeitet.
IEC 62257-9-8 gilt sowohl für sehr kleine Photovoltaikprodukte, dazu gehören kleine, tragbare Geräte wie Laternen und Taschenlampen, als auch für sog. Solar-Home-Systeme (SHS), die für Heimbeleuchtungsanlagen und bestimmte Haushaltsgeräte genutzt werden können. Die Produkte müssen
- eine Batterie bzw. einen anderen Energiespeicher
- ein Stromerzeugungsgerät, wie zum Beispiel ein zum Laden der Batterie geeignetes Solarmodul und die notwendigen Kabel, sowie
- die zur Verbindung von Batterie und Stromerzeugungsgerät erforderlichen Kabel und Anschlüsse enthalten.
Direkter Zugang zu Elektrizität
Im Jahr 2022 veröffentlichte die IEC die Norm IEC 63318 zum Zugang zu Niederspannungsgleichstrom (LVDC), die vom Systemkomitee LVDC entwickelt wurde. „Ich bin überzeugt, dass sich diese Norm als bahnbrechend erweisen wird, da sie nach ihrer Umsetzung Millionen von benachteiligten Haushalten weltweit den Zugang zu Strom ermöglichen wird“, erklärt Rajeev Sharma, Leiter der Arbeitsgruppe des Systemkomitees LVDC, die das Dokument erarbeitete.
Die Norm übernimmt das mehrstufige Bewertungssystem, das sogenannte "Multi-Tier Framework" (MTF), der Weltbank. Dieses legt eine neue Bewertung für Stromzugangsbedingungen fest und geht damit über die herkömmliche binäre Bewertung nach „netzgebunden bzw. netzunabhängig“ hinaus.
Das MTF beginnt mit der niedrigsten Stufe für Stromzugang (Stufe 1). Bei dieser Stufe haben Haushalte für ein paar Stunden am Tag einen begrenzten Zugang zu geringen Mengen an Strom, die sie für elektrische Beleuchtung oder das Aufladen des Mobiltelefons nutzen können. Diese Zugangsstufe kann durch eine kleine Solaranlage realisiert werden. Höhere Zugangsstufen zeichnen sich durch höhere Kapazität und längere Versorgungszeit aus und ermöglichen die Nutzung von Geräten mit mittlerem oder hohem Stromverbrauch wie beispielsweise Waschmaschinen oder Klimaanlagen. IEC 63318 nimmt Bezug auf die Stufen 2 und 3 des Bewertungssystems der Weltbank.
„Das Bureau of Indian Standards (BIS) hat den Leitfaden IS 16711 Guidelines für 48-V-LVDC-Verteilnetze veröffentlicht. Diese Publikation befasst sich mit den Anforderungen an eine besonders niedrige 48-V-Gleichstromquelle. Die Norm war uns eine große Hilfe bei der Formulierung von IEC 63318. Wir haben allerdings einige Veränderungen vorgenommen, um weltweiten Best Practices Rechnung zu tragen und gleichzeitig den hilfreichen Input von internationalen Fachleuten zu berücksichtigen,” erläutert Sharma.
Könnte solarthermischer Strom eine Option sein?
CSP-Technologien nutzen reflektierende Materialien, wie beispielsweise Spiegel, um die Wärme der Sonne zu konzentrieren. Die Wärme treibt anschließend Dampf- oder Gasturbinen an, um Strom zu erzeugen. Die meisten solarthermischen Kraftwerke (STE) verfügen über eine Form von Wärmespeicher. Das bedeutet, dass sie tagsüber Wärme speichern und diese nachts in Strom umwandeln können. Das ist neben der hohen Produktionssicherheit und Energieeffizienz eines der wichtigsten Argumente für Solarwärmekraftwerke: Die Spiegel von Solarwärmekraftwerken gewinnen deutlich mehr Energie der Sonne als Photovoltaikanlagen.
Ihr größter Nachteil besteht darin, dass die Solarwärmeenergie nur von großen Solaranlagen erzeugt werden kann, wodurch die anfänglichen Investitionskosten sehr hoch sind. Solarwärmekraftwerke werden in Regionen mit vielen Sonnenstunden, von denen es viele in Afrika gibt, gebaut. IEC/TC 117 (DKE/K 374), Solarwärmekraftwerke, arbeitet aktuell an der Normenreihe IEC 62862, die die unterschiedlichen Anforderungen an die verschiedenen Solarwärmetechnologien festlegt.
Im Jahr 2022 veröffentlichte das Technische Komitee die Norm IEC 62862-3-1, die Anforderungen für die Konstruktion von Parabolrinnen-Kraftwerken, eine der wichtigsten Technologien für die Gewinnung von Energie aus der Sonne, festlegt.
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Konformitätsbewertungssysteme für eine hochwertige Infrastruktur
Zwei der vier Konformitätsbewertungssysteme der IEC beschäftigen sich mit PV-Energie: IECEE, das IEC System of Conformity Assessment Schemes for Electrotechnical Equipment and Components, und IECRE, das IEC System for Certification to Standards Relating to Equipment for Use in Renewable Energy Applications.
IECEE bietet ein Programm, das den Zugang zu qualifizierten Prüflaboren für die Zertifizierung von PV-Komponenten und -Modulen in Übereinstimmung mit den entsprechenden IEC-Normen ermöglicht. Die grundsätzliche strategische Ausrichtung von IECRE besteht darin, eine nachhaltige Stromerzeugung und Stromversorgung zu ermöglichen. Es handelt sich dabei um das international anerkannte Konformitätsbewertungssystem für sämtliche Kraftwerke, die Energie aus Sonne (PV), Wind und verschiedenen Formen von Meeresenergie erzeugen, speichern oder umwandeln.
„Für Hersteller, die PV-Anlagen nach Afrika exportieren möchten, stellt IECEE sicher, dass die in den IEC-Normen festgelegten Leistungs- und Sicherheitsanforderungen eingehalten werden. Das ist wichtig, da dies auch den afrikanischen Verbraucherinnen und Verbrauchern die Gewissheit gibt, dass die von ihnen gekauften PV-Produkte funktionieren und nicht schon nach kurzer Zeit ersetzt werden müssen. Das wiederum fördert das Marktwachstum. Das Schlimmste einen aufstrebenden Markt ist schlechte Mundpropaganda und schlechte Verbrauchererfahrungen“, erklärt Wolfram Zeitz, IEC Executive Secretary für IECEE und IECRE.
Er weist darauf hin, dass, auch wenn die erforderliche Prüfinfrastruktur in vielen afrikanischen Ländern noch nicht vollständig vorhanden ist, was hauptsächlich an den Kosten liegt, die Anerkennung von Konformitätsbewertungszertifikaten der IEC ausreicht, um sicherzustellen, dass nach Afrika importierte Produkte einen bestimmten Standard erfüllen. Ein Beispiel hierfür ist Kenia. Im Februar 2022 wurde das Kenya Bureau of Standards (KEBS) eine nationale Zertifizierungsstelle (NCB) von IECEE. Als nationale Zertifizierungsstelle betreibt KEBS ein nationales Zertifizierungsgenehmigungssystem, das IECEE-Prüfberichte und -Zertifikate für elektrische und elektronische Komponenten, Anlagen und Geräte anerkennt.
Irene Njine, Assistant Manager im Bereich Quality Assurance bei KEBS erklärt: „Wenn Produkte bereits von IECEE geprüft wurden, muss KEBS keine weitere Prüfung vornehmen. Das ist einer der wesentlichen Vorteile. Dadurch können wir Kosten für die Prüfung sparen.“
„Die Idee ist, in Entwicklungsländern und aufstrebenden Märkten, wo der Zugang zu nachhaltigem Strom zunimmt, die Entwicklung einer hochwertigen Infrastruktur, inklusive der Anerkennung bestehender Systeme, wie das IECEE CB-System, zu unterstützen. Kenia ist ein sehr gutes Beispiel hierfür,” fügt Wolfram Zeitz an.
Andere afrikanische Länder wie der Senegal beginnen ebenfalls, IECEE als Instrument der gegenseitigen Anerkennung zu nutzen. „Nicht alle Länder verfügen über die Infrastruktur, um die Qualität der Produkte in Afrika zu kontrollieren, da es zu teuer ist. Aber Konformitätsbewertungssysteme wie IECEE ermöglichen die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungszertifikaten und zugehörigen Prüfberichten, die in diesen Situationen funktionieren. Im Senegal haben wir seit 2021 ein System zur Qualitätskontrolle von Solarprodukten, das auf der Authentifizierung bestehender Konformitätsbewertungszertifikate beruht. Wir nutzen die Online-Zertifikatsdatenbank der IEC. Die senegalesische Regierung hat inzwischen zertifizierte Solarprodukte von der Mehrwertsteuer befreit. Der Erfolg dieses Systems zur Qualitätskontrolle wird auch zu einem ähnlichen System für Energiesparlampen führen“, erklärt Hassan Mbengue, Conformity Assessment Programm Manager der senegalesischen Association for Standardization (ASN).
Auch wenn es noch viel zu tun gibt, um die Ziele von SDG 7 in Afrika zu erreichen, scheint es doch zumindest etwas Licht am Ende des Tunnels zu geben.
Redaktioneller Hinweis:
Der englischsprachige Originalartikel erschien erstmals auf etech.iec.ch in der Ausgabe 05/2023.
Zu finden unter: https://etech.iec.ch/issue/2023-05/how-to-speed-up-electricity-access-for-all-africans
Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.
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