Vermeintliche Fehlmessungen durch PV-Einspeiseoptimierung
Normauslegung des DKE/AK 461 im Wortlaut:
Steigende Strompreise bei gleichzeitig niedrigen Einspeisevergütungen machen für private Verbraucher, die gleichzeitig Betreiber von Photovoltaikanlagen sind (Prosumer), eine Optimierung der Einspeisung bzw. die Erhöhung des Eigenverbrauchs sehr interessant.
Ziel der Bemühungen ist es, lokal erzeugte Energie möglichst direkt zu speichern oder zu verbrauchen, anstatt einzuspeisen. Während dies mit Batteriespeichern vergleichsweise komfortabel, aber teuer ist, bietet sich die thermische Energiespeicherung im in der Regel ohnehin vorhandenen Warmwasserspeicher an. Dazu muss lediglich ein elektrisches Heizelement entsprechend des PV-Überschusses flexibel und möglichst stufenlos in der Leistung verstellt werden.
In solchen Szenarien wurden unerwartete Zählerstände der für die Abrechnung relevanten elektronischen Zweirichtungszähler beobachtet. Anstatt möglichst verschwindende Energien sowohl in Bezugs- als auch in Einspeiserichtung anzuzeigen, zeigten sich signifikante Zählerstände in beiden Richtungen.
Wie der folgende Beitrag zeigt, sind die scheinbar "falschen" Messergebnisse jedoch nicht auf Fehlfunktionen der EN 50470-3-konformen Elektrizitätszähler zurückzuführen, sondern geben die tatsächlichen Energieflüsse korrekt (aber unerwartet) wieder.
Die wesentlichen Komponenten einer solchen Einspeiseoptimierung sind:
- (1) Regler. Er versucht durch Erhöhen oder Absenken der Leistung eines oder mehrerer steuerbarer(n) Verbraucher(s) die Ist-Einspeiseleistung auf Null zu bringen.
- (2) Ein fälschlicherweise im einschlägig als „Smartmeter“ bezeichneter Elektrizitätszähler oder Messsensor, der kundenanlagenseitig vor dem eigentlichen Abrechnungszähler angeordnet ist. Er liefert die Ist-Einspeiseleistung an einen Regler.
- (3) Steuerbare Verbraucher. Lasten deren Leistung durch den Regler möglichst stufenlos einstellbar sind.
- Und natürlich (4) der Zweirichtungszähler (Abrechnungszähler) des Energieversorgers.
Die steuerbaren Verbraucher sind jedoch eine Herausforderung. Sie müssen einerseits „flexibel“ sein, also zu beliebigen Zeitpunkten sinnvoll Leistung „aufnehmen“ können. Wirklich in Frage kommen hier nur Systeme, die die Energie in irgendeiner Form speichern und zu einem späteren Zeitpunkt abgeben können. Also in einem Haushalt große Sekundärbatterien (Akkus), elektrische Heizungen oder Kühlungen, oder elektrische Warmwasserspeicher.
Insbesondere letztere sind sehr oft bereits vorhanden, oder existierende Warmwasserspeicher können mit elektrischen Heizelementen nachgerüstet werden. Die Einspeiseoptimierung gelingt mit solchen Heizelementen jedoch zunächst nur suboptimal, da ihre Leistung aufgrund des Aufbaus, wenn überhaupt, nur sehr grob steuerbar ist (z. B. 3-stufig, indem jeder Drehstromphase ein separat schaltbares Heizelement zugeordnet wird).
Eine Lösung versprechen elektronische Leistungssteller, die dem Heizelement vorgeschaltet werden und eine stufenlose Verstellung der Leistung bei gleichzeitig hohem Wirkungsgrad ermöglichen.
Die einfachsten Funktionsprinzipien solcher Leistungssteller sind:
- Phasenan- oder abschnittsteuerung. Hier wird der eigentlich sinusförmige Stromfluss des Wirkverbrauchers gezielt in jeder Netzhalbperiode ein- oder ausgeschaltet.
- Schwingungspaketsteuerung. Hier wird der Strom im Nulldurchgang für eine oder mehrere aufeinanderfolgende Netzperioden ein- oder ausgeschaltet.
In beiden Fällen ergibt sich durch das periodische Ein- und Ausschalten des Wirkverbrauchers eine mittlere Wirkleistung die kleiner ist als die eigentliche Leistung des Verbrauchers und deren Betrag stufenlos und nahezu verlustfrei durch das Verhältnis von Ein- zu Ausschaltdauer steuerbar ist.
Das schnelle Ein- und Ausschalten verursacht jedoch insbesondere im Falle der Phasenan- und abschnittsteuerung signifikante Netzrückwirkungen im Form von Stromoberschwingungen. Diese sind durch einschlägige Normen (z. B. DIN EN IEC 61000-3-2 (VDE 0838-2)) streng reglementiert, so dass solche Steuerungen nur bei kleinen Leistungen und aufwendiger zusätzlicher Filterung in Frage kommen. Die gültigen technischen Anschlussbedingungen der Verteilnetzbetreiber lassen solche Steuerungen sogar explizit nur bis 200 W zu (Quelle: BdeW, TAB2019). Somit stellen Anschnittsteuerungen keine wirklich sinnvolle Option zur Leistungssteuerung dar.
Bleibt die Schwingungspaketsteuerung, die durch einen wie folgt skizzierten Stromfluss, z. B. eine Leistungsreduktion auf z. B. 25 % ermöglicht.
Wie in Abbildung 1 zu sehen, fließt während einer vollen Netzperiode Strom, während drei Perioden kein Strom – also nur zu 25 % der Zeit, woraus im Mittel 25 % des Effektivstromes / der Leistung entstehen.
Dieser Zeitmittelwert kann auch mit wesentlich größeren „Schwingungspaketen“ gebildet werden:
Abbildung 2 zeigt auch eine mittlere Leistung von 25 % der ungesteuerten Leistung aber wesentlich längeren Ein- und Ausschaltdauern.
Das weniger häufige Ein- und Ausschalten reduziert zwar einerseits die Netzrückwirkungen, führt andererseits mit Unter zu Verwirrung bei der Abrechnung. Denn während die mittlere Leistung, im Beispiel zwar 25% beträgt, wird tatsächlich eine Zeitdauer T lang die volle Leistung umgesetzt und die dreifache Zeitdauer 3T lang keine Leistung.
Fordert nun der Optimierungsregler 25 % Leistung an, weil diese sonst in das Netz eingespeist würden, passiert folgendes:
- Während des Zeitraums T wird jeweils 100 % Heizleistung umgesetzt. Da der PV-Umrichter aber nur 25 % davon liefern kann, werden die fehlenden 75 % vom Netz bezogen.
- Während der Zeit 3T wird keine Heizleistung umgesetzt. Die 25 % Überschuss des Umrichters können lokal nicht verwendet werden und werden ins Netz eingespeist.
Energetisch und im Mittel betrachtet wird so tatsächlich nicht eingespeist: Bezug 1T x 75 % = 75 Einheiten, Einspeisung 3T x 25 % = 75 Einheiten. Mittlerer Bezug und mittlere Einspeisung heben sich wie gewünscht auf.
Aber nur, wenn die Gesamtdauer von T + 3T = 4T betrachtet wird.
Genau das macht ein Zweirichtungszähler aber nicht, sondern er ermittelt präzise die Energieflüsse in kurzen Zeitintervallen im Bereich von 0,5 bis 1 Sekunde. Dies bedeutet, dass bei großen Schwingungspaketen die tatsächlich bezogenen 75 Einheiten im Bezugsregister und die tatsächlich gelieferten 75 Einheiten im Einspeiseregister erfasst werden.
Die ursprünglich angestrebte Minimierung der Einspeiseenergie / Erhöhung des Eigenverbrauchs, also dass weder Bezug noch Einspeisung registriert wird, kann so also nicht erreicht werden. Die Ursache ist hierbei jedoch die Schwingungspaketsteuerung der flexiblen Last und nicht der für die Abrechnung eingesetzte EN 50470-3-konforme Zweirichtungszähler, der die unerwarteten physikalischen Gegebenheiten lediglich dokumentiert.
Eine Abhilfe ist auf einfachem Weg nicht möglich. Technische Lösung sind z. B. in Form von Pulsweitenmodulation oder echter Umrichter verfügbar, die aber deutlich aufwendiger als Phasenan- oder abschnitt oder Schwingungspaketwellensteuerungen sind. Alternativ kann nur auf eine möglichst perfekte Optimierung des Eigenverbrauchs durch stufenlose Leistungsstellung verzichtet werden und stattdessen die tatsächliche Leistung des flexiblen Verbrauchers / thermischen Speichers nur in wenigen groben Stufen eingestellt werden. Manche Wechselrichterhersteller bieten Geräte mit einer Mischung der verschiedenen Leistungsstellungen an. So werden beispielsweise zwei Phasen hart ein- oder ausgeschaltet, eine dritte Phase im Rahmen der Netzanschlussvorgaben mit einer Phasenanschnittsteuerung fein geregelt. Entsprechende Geräte stellen jedoch aufgrund ihrer Komplexität einen nicht vernachlässigbaren Kostenfaktor bei der Eigenverbrauchsoptimierung dar.
Redaktioneller Hinweis:
Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.
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