Verschiedene Meeresfrüchte zum Verkauf auf einem Markt in Tansania
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26.06.2023 Fachinformation

Lebensmittel sicher aufbewahren, wenn das Stromnetz ausfällt

Mehr als 700 Millionen weltweit haben keinen Zugang zu Elektrizität, die aber Voraussetzung ist für die Kühlung von Lebensmitteln. Auf internationaler Ebene wurde deshalb eine Arbeitsgruppe gegründet, die eine Norm für Kühlgeräte erarbeitet und die Anforderungen für netzunabhängige und netzschwache Situationen in Entwicklungsländern berücksichtigt.

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Von Catherine Bischofberger

Einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge erkranken jedes Jahr etwa 600 Millionen Menschen durch den Verzehr verdorbener Lebensmittel, von denen etwa eine halbe Million Menschen stirbt. Die meisten dieser Menschen leben in Entwicklungsländern, in denen die Lebensmittelkonservierung ein armutsbedingtes Problem ist. In afrikanischen Ländern südlich der Sahara verfügen nur 17 Prozent der Haushalte über einen Kühlschrank.

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Für viele dieser Menschen ist eine Anbindung an das Stromnetz – und der Besitz von an das Stromnetz angeschlossenen Kühlschränken – keine realistische Lösung. Auch wenn es nicht-elektrische Kühllösungen gibt, so sind netzunabhängige Solartechnologien, die Haushaltsgeräte einschließlich Kühlschränke mit Strom versorgen können, eine der Möglichkeiten, diese Hürde zu überwinden. Dem von der Weltbank erstellten Off-Grid Solar Market Trends Report 2022 zufolge sind Solarenergieanlagen die am besten geeignete Lösung, um schätzungsweise 55 Prozent der aktuell nicht an das Stromnetz angeschlossenen Haushalte bis 2030 mit Strom zu versorgen.

Aber selbst, wenn Haushalte in benachteiligten Gebieten an das Stromnetz angeschlossen sind, bereiten häufige Stromunterbrechungen, Spannungsabfälle (Brownouts) oder Stromausfälle (Blackouts) Probleme für herkömmliche Kühlschränke, die nicht für den Betrieb unter unregelmäßigen Energiebedingungen ausgelegt sind. Die unzuverlässige Versorgung mit Strom – manche Gemeinden haben häufig nur ein paar Stunden am Tag Strom – kann zu Geräteschäden führen und die Lebensmittelsicherheit gefährden.

Diese Versorgungsprobleme werden von Fachleuten als „schwaches Netz“ bezeichnet. Das Technische Komitee IEC/TC 59 (DKE/K 513), das Performance-Normen für Haushaltsgeräte entwickelt, hat innerhalb des Subkomitees 59M, das sich mit Kühlgeräten beschäftigt, eine neue Arbeitsgruppe eingerichtet. Sie entwickelt eine Norm, die sich mit den besonderen Bedingungen auseinandersetzen soll, die die Performance und Qualität von Kühlgeräten in Gebieten mit eingeschränktem Zugang zu Energie beeinträchtigen.

Das Dokument wird die wichtigsten Merkmale und Performance-Spezifikationen von Kühlgeräten für den netzunabhängigen und netzschwachen Betrieb in Haushalt oder Kleingewerbe beschreiben, die durch interne natürliche oder erzwungene Luftkonvektion gekühlt werden. Die Norm wird zudem Prüfverfahren zur Überprüfung der Performance-Anforderungen und Energieverbrauchseigenschaften festlegen.

Laut Patrick Beks, dem Leiter der Arbeitsgruppe, ist eine der Herausforderungen der Norm, eine Definition für „schwaches Netz“ festzulegen. „Wir haben uns entschieden, unterschiedliche Klassen von schwachen Netzen zu spezifizieren, die je nach Standort variieren. Das ist ein neuer Ansatz in der IEC-Performance-Normung, da er die tatsächliche Situation in Entwicklungsländern berücksichtigt, wo das Netz nicht immer den Erwartungen der Menschen entspricht.“


Solarmodul in Madagascar
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IEC unterstützt den netzunabhängigen Zugang zu Elektrizität durch neue Norm

Zugang zu bezahlbarer und zuverlässiger Energie ist für jeden Menschen ein Grundbedürfnis. Weltweit haben jedoch noch immer mehr als 700 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Der Markt für netzunabhängige Lösungen entwickelt sich seit Jahren allerdings positiv.

Seit Juni 2020 gibt es eine IEC-Veröffentlichung, die Mindestanforderungen an Qualität, Haltbarkeit und Werbegenauigkeit für eigenständige erneuerbare Energieprodukte festlegt.

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Kühlschränke – unverzichtbare Geräte zur Verbesserung der Lebensqualität

Einen rund um die Uhr funktionierenden Kühlschrank zu besitzen, verbessert die Lebensqualität nicht nur deshalb, weil Kühlschränke dabei helfen, Lebensmittel aufzubewahren. Laut Elisa Lai, eine der Experten, die an der Norm arbeiten und Mitglied von CLASP, einer gemeinnützigen Organisation, deren Ziel es ist, den Zugang zu sauberer Energie in den Entwicklungsländern zu verbessern, ist der Nutzen von Kühlschränken noch viel weitreichender.

„Für die Millionen von Menschen, die keinen zuverlässigen Zugang zu Strom haben, bieten Kühlgeräte eine einzigartige Möglichkeit, den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern. Kühlschränke können zur Senkung der Armut beitragen, indem sie neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Personen, die einen Kühlschrank besitzen, können Waren an andere Mitglieder der Gemeinschaft verkaufen, wodurch sie die Möglichkeit erhalten, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Neben der Erhöhung der Lebensmittelsicherheit durch die Reduzierung von Abfall und die Verlängerung der Haltbarkeit leicht verderblicher Lebensmittel tragen sie auch dazu bei, die Ernährung zu verbessern und den Speiseplan abwechslungsreicher zu gestalten.“

Die Norm ist darauf ausgerichtet, verschiedene Bedingungen der Energieversorgung zu definieren, unter denen Kühlgeräte in Entwicklungsländern mit Strom versorgt werden können, inklusive durch die Nutzung von Solar-/PV-Energie als Hauptenergiequelle, wenn es keinen Anschluss an das Stromnetz gibt bzw. das Stromnetz immer wieder unterbrochen wird.

„Einer der Punkte der Norm, an dem wir gerade arbeiten, ist die Festlegung der verschiedenen Stufen der Sonneneinstrahlung, d.h. die Menge an Solarenergie, die über den Tag verteilt in einzelnen Regionen verfügbar ist – diese unterscheiden sich stark von Land zu Land“, fügt Patrick Beks hinzu.

Input von verschiedenen Interessengruppen

Die Arbeitsgruppe hat den Input von verschiedenen Entwicklungsländern und anderen Interessengruppen, wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sowie von Herstellern und der Industrie gesammelt.

„Wir brauchen ein Maximum an Informationen von den unterschiedlichen Parteien, die die Norm nutzen werden. Die Norm soll dabei helfen, die Elektrifizierung in ländlichen Gebieten voranzutreiben und sie soll Großhändlern dabei helfen, zu unterscheiden, welche Geräte eine gute Qualität haben und welche nicht. Ohne die Norm, an der wir gerade arbeiten, hätten öffentliche Behörden außerdem keine rechtlich belastbaren Mittel in der Hand, um festzulegen, für welche Geräte eine finanzielle Förderung und Steuer- bzw. Zollsenkungen möglich sind, was wiederum den Zugang beschleunigen könnte. Und schließlich wird es einen gut funktionierenden sich entwickelnden wettbewerbsorientierten Markt erst dann geben, wenn die Geräte fair geprüft und verglichen werden können, und die Anbieter technische Leitlinien für Innovationen und Verbesserungen erhalten“, erklärt Beks.


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Horizontale Auswirkungen

Sowohl Patrick Beks als auch Elisa Lai sind überzeugt, dass die Norm, deren erster kommentierter Entwurf voraussichtlich Ende 2023 verteilt wird, für viele weitere Komitees innerhalb der IEC relevant sein wird. „Das Konzept des schwachen Netzes ist neu und trifft im Grunde auf jedes Elektrogerät zu, das in einem Entwicklungsland genutzt wird. Es handelt sich hierbei um einen übergreifenden Begriff, das heißt, diese neue Norm kann horizontale Auswirkungen für die IEC haben”, merkt Patrick Beks an.

Elisa Lai fügt hinzu: „Die Frage der Spannungsqualität in Entwicklungsländern wird in den bestehenden Normen im Allgemeinen übersehen. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass das Risiko von Spannungsspitzen im ländlichen Raum große Probleme mit Blick auf die Performance von Kühlgeräten verursachen kann, einschließlich der Gefahr eines Brandes, was zu finanziellen Verlusten für Kunden in ländlichen Gebieten führt und sogar lebensgefährlich sein kann. Es ist an der Zeit, dass wir damit beginnen, die Probleme hinsichtlich der Spannungsqualität zu definieren und Wege aufzeigen, wie die Produktqualität unter diesen Bedingungen exakt bewertet werden kann.“

Die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen innerhalb der IEC ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg. Die Arbeitsgruppe berät sich mit zahlreichen weiteren Experten innerhalb von IEC SC 59M, dem für die Erarbeitung von Normen für Kühlgeräte zuständigen Unterkomitee. „Unsere Norm basiert in weiten Teilen auf der Expertise, die sich in den Normen der Normenreihe IEC 62552 findet, die allgemeine Anforderungen an Haushaltskühlgeräte festlegt. Wir wollen das Rad nicht neu erfinden“, bestätigt Beks.

IEC SC 59M hat zudem eine Kooperation mit dem technischen Komitee IEC/TC 82 aufgebaut, das Normen für PV-Energiesysteme erstellt, insbesondere die von Leon Drotsché geleitete gemeinsame Arbeitsgruppe, die sich mit netzunabhängigen Anlagen beschäftigt, die erneuerbare Energien nutzen, einschließlich dem Zugang zu Elektrizität, der Elektrifizierung ländlicher Gebiete und Hybridanlagen.

Unter der Leitung von Drotsché hat IEC/TC 82 die technischen Spezifikationen IEC 62257 veröffentlicht, die Empfehlungen für kleine erneuerbare Energien nutzende Hybridanlagen zur Elektrifizierung des ländlichen Raums enthalten. Die Normenreihe wurde von der Weltbank und der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO) anerkannt, die 2013 ein Abkommen mit der IEC unterzeichnet haben. Die Vereinbarung legt fest, dass Entwicklungsländer diese wichtigen technischen Dokumente zu einem deutlich niedrigeren Preis beziehen können, was dabei hilft, abgelegene und benachteiligte Gebiete mit elektrischer Energie zu versorgen.

Durch ihre Zusammenarbeit helfen verschiedene IEC-Expertinnen und -Experten dabei, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem sie einige der Zielsetzungen des UN-Ziels für nachhaltige Entwicklung SDG 2 erreichen, das darauf abzielt, den Hunger auf der Welt zu beenden.


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