Hintergrund
Das BSI Dokument „Kriterien für die Standortwahl höchstverfügbarer und georedundanter Rechenzentren“, das Ende des Jahres 2018 erschienen ist, hat in der deutschen Rechenzentrumsbranche für einige Verunsicherung gesorgt.
Das BSI Dokument „Kriterien für die Standortwahl höchstverfügbarer und georedundanter Rechenzentren“, das Ende des Jahres 2018 erschienen ist, hat in der deutschen Rechenzentrumsbranche für einige Verunsicherung gesorgt.
Als deutsches, nationales Gremium zur Entwicklung und Fortschreibung der Rechenzentrumsnormen DIN EN 50600 (VDE 0801-600) sowie der fachlich verwandten Dokumente aus CENELEC und ISO/IEC haben die in DKE/GK 719 „Rechenzentren“ tätigen Fachkreisvertreter das vorgenannte Dokument mit Erstaunen zur Kenntnis genommen und sehen sich aufgefordert Stellung zu nehmen.
Das GK 719 nimmt wie folgt Stellung zum BSI-Dokument „Kriterien für die Standortwahl höchstverfügbarer und georedundanter Rechenzentren“:
Zunächst wird in der Einleitung in einer Fußnote auf die Definition von Rechenzentren im Anhang 4.3 des Dokuments verwiesen. In diesem Anhang wird folgende Aussage getroffen: Zitat: „Die RZ-Definition aus den Anfangsjahren des BSI-Grundschutzes um 1995 ist nicht mehr zeitgemäß und lässt sich auch nicht mit der DIN EN 50600 in Deckung bringen.“
In der anschließend beschriebenen Definition ist nicht erkennbar, in welchen Punkten es keine Deckung mit der EN 50600 gibt. In der EN 50600 wird davon ausgegangen, dass unabhängig von Größe und Zweck eines Rechenzentrums die Norm immer dann angewendet werden kann und sollte, wenn dem Rechenzentrum für den Unternehmenszweck eine entsprechende Bedeutung zukommt, so dass die verwendeten Grundsätze der Verfügbarkeit, Sicherheit und Befähigung zur Energieeffizienz sinnvoll angewendet werden können.
Weiterhin wird im Abschnitt 1.2 „Verfügbarkeit“ auf die vom BSI verwendeten Verfügbarkeitsklassen verwiesen, die über Zielverfügbarkeiten in % (99,99 % pro Jahr für VK 3 und 99,999 % pro Jahr für VK 4) bzw. maximale Ausfallzeiten definiert sind. Die EN 50600 definiert 4 Verfügbarkeitsklassen und verzichtet dabei bewusst auf die Nennung von Zahlen, da solche Zahlen aus Sicht des Gremiums statistischer Grundlagen entbehren und eher falsche Erwartungen befördern. Die Verfügbarkeitsklassen der EN 50600 basieren auf Designprinzipien zur Absicherung der geforderten oder gewählten Verfügbarkeit wie „Mehrpfadigkeit“ oder „Redundanz von Komponenten“. Planer, Errichter und Betreiber können so besser Risiken verstehen und ggf. Schwächen im Design oder im Betrieb gezielt betrachten und beseitigen. Weiterhin wird die reale Verfügbarkeit neben dem Design auch entscheidend von der Umsetzung von Betriebsprozessen beeinflusst.
Der Abschnitt 1.3 „Öffnungsklausel“ enthält aus unserer Sicht Aussagen, die zu breiter Verunsicherung führen:
In Abschnitt 2 werden Umgebungsbedingungen beschrieben, die im Rahmen einer Risikoanalyse zu betrachten sind.
Im Abschnitt 3.3 werden folgende Abstände genannt: Zitat: „Da es aber, insbesondere durch den Blick in die Vergangenheit, nicht möglich ist, zukünftige potentiell schädliche Situationen und Ereignisse ausreichend sicher vorherzusagen, sollten einander Geo¬redundanz gebende RZ einen Mindestabstand von ca. 200 km zueinander haben. Ist im Einzelfall ein deutlich geringerer Abstand unabweisbar, ist diese Notwendigkeit schriftlich ausführlich darzulegen und einer Risikoanalyse zu unterziehen. Keinesfalls sollen georedundante RZ weniger als 100 km voneinander entfernt liegen.“ Zur Motivation der genannten 200 km wird auf den Abschnitt 4.2.7 verwiesen, der verschiedene Autoren zitiert, die aber jeweils andere Entfernungen nennen (3,5 bis mehrere 100 km, mehr als 5.000 km). Aus Sicht des GK 719 und der Anwender fehlt hier die Ableitung für
Stattdessen sollte eine qualifizierte Risikoanalyse als Ergebnis ausweisen, ob gemeinsame Risiken für geplante, georedundante Standorte vorliegen – unabhängig von deren Abstand.
Im Abschnitt 3.5 wird folgende Anforderung zur Energieversorgung beschrieben: Zitat: „Innerhalb eines Netzsegmentes der obersten Netzebene (380 kV-Netz) darf sich maximal eines der sich Georedundanz gebenden RZ befinden. Abweichungen hiervon sind dann zulässig, wenn bei einer aus drei oder mehr RZ bestehenden Redundanzgruppe maximal zwei RZ im gleichen Netzsegment liegen und für beide RZ eine redundante eigensichere Notstromversorgung für mindestens 120 Stunden Volllast-Dauerbetrieb sichergestellt ist. Hierfür ist es unerheblich, ob die Einspeisung vom EVU im Stich oder im Ring erfolgt.“
Aus Sicht des GK 719 ist das Management der obersten Netzebene unter der Verantwortung der Netzbetreiber und unterliegt nicht der Einflussmöglichkeit des RZ-Betreibers. Deshalb müssen als Ergebnis der Risikoanalyse geeignete Maßnahmen getroffen werden. Es muss vermieden werden, dass die Stromversorgung des Rechenzentrums unterbrochen wird. Auch die notwendige Autonomiezeit der Notstromversorgung ist ein fundamentaler Bestandteil der Risikoanalyse und kann nicht pauschalisiert werden.
Das GK 719 lädt das BSI ein, sich an der Entwicklung der EN 50600 im deutschen, nationalen Gremium zu beteiligen. Aus Sicht des Gremiums erwarten die Anwender in Deutschland einheitliche und widerspruchsfreie Vorgaben für Rechenzentren. Dies schließt selbstverständlich die Möglichkeit ein, für bestimmte Anwender weitergehende Empfehlungen auf Basis von EN 50600 zu formulieren.
Die DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE ist im Rahmen des Normungsvertrages zwischen der deutschen Bundesregierung und DIN Deutsches Institut für Normung e.V. die nationale Plattform für die Erstellung von technischen Normen im Bereich der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik.
Die in den DKE-Gremien aktiven Mitarbeiter werden als Vertreter aller betroffenen und interessierten Fachkreise berufen und repräsentieren die Meinung des entsendenden Fachkreises. In DKE/GK 719 „Rechenzentren“ ist die deutsche Rechenzentrumsbranche mit Experten aus BITKOM, bvfa, eco-Verband der Internetwirtschaft, GDV, VBI, VdTÜV, ZVEI sowie der öffentlichen Hand (z. Z. N. N.) vertreten, die die Interessen von Betreibern, Planern, Herstellern und Anwendern im weitesten Sinne repräsentieren.
Die Normenreihe EN 50600 legt Europaweit geltende, ganzheitlich formulierte Anforderungen und Empfehlungen für das Design, den Betrieb und die zugehörigen Leistungskennzahlen von Rechenzentren fest und wird unter zwei Normungsaufträgen der EU-Kommission erstellt.
Bei Home & Building geht es um die Integration und Nutzung von Informations- und Telekommunikationstechnologien in der heimischen Umgebung, die eine neue Erfahrungswelt ermöglichen und bekannte Aktivitäten bei Unterhaltung, Komfort, Energiemanagement, Sicherheit und Gesundheit kosteneffizienter oder bequemer machen. Weitere Inhalte zu diesem Fachgebiet finden Sie im