Die Innovationszyklen von Elektronik werden immer kürzer. Bei Displays liegen sie bei einem halben Jahr, bei Prozessoren und Speicherbausteine folgen etwa jährlich neue Versionen. Und auch wenn klassische Elektronikbauteile, wie Kondensatoren und Widerstände, längere Lebenszyklen haben, unterliegen auch sie einem stetigen Entwicklungsprozess sowie einer Veränderung der Marktnachfrage.
Bei Grundstoffen sorgen neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Umwelt- und Gesundheitsschäden dafür, dass die Produktion ausläuft. Bei Software liegen die Lebenszyklen häufig deutlich unter denen langlebiger Investitionsgüter.
Grundstoffe
Seit 2007 gilt die REACH-Verordnung. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals.
Die REACH-Verordnung wird ständig fortgeschrieben und führt immer wieder dazu, dass einzelne Grundstoffe neu bewertet werden. Das kann weitreichende Konsequenzen für Hersteller und Kunden haben: Ändern sich beispielsweise Zusammensetzungen in Lacken, Kleb- oder Kunststoffen durch den Austausch eines Grundstoffes, können sich auch die Produkteigenschaften ändern. Beispielsweise wurde 2013 Chrome VI verboten, das bisher in Lacken und beim Korrosionsschutz im Einsatz war. Die veränderte Stromleitfähigkeit der Produkte zwang die Luftfahrtindustrie zu weitreichenden Maßnahmen.
Das Obsoleszenzmanagement muss daher auch die regulatorischen Prozesse beobachten und frühzeitig Einkauf, Produktmanagement sowie Forschung und Entwicklung informieren und in den weiteren Prozess einbinden.
Elektronik
Besonders bei innovativer Elektronik besteht häufig die Unsicherheit, welche Technologie sich langfristig durchsetzt.
Bei Smart-Home-Produkten, Unterhaltungselektronik und intelligenten Endgeräten existieren beispielsweise Unterschiede in der verbauten Funktechnologie, den Schnittstellen und den Kommunikationsprotokollen. Eine Wohnungsbaugesellschaft, die Smart-Home-Funktionen in ein Mehrparteienhaus integriert und sich auf die Produkte eines Herstellers festlegt, unterliegt der Lock-in-Gefahr – sie wird damit abhängig von einem Hersteller und seiner Produktlinie.
Das Obsoleszenzmanagement muss diese Gefahren bereits im Vorfeld bei der Entscheidung für einen Anbieter bedenken. Es muss Vorkehrungen treffen, wie Bevorratung, Ersatzbeschaffung oder ein Reengineering über die Nutzungszeit bis zur ersten Sanierung des Hauses nach etwa zwanzig Jahren sichergestellt werden können.
Software
Jede technische Aufrüstung an Maschinen und Anlagen zieht notwendigerweise eine Änderung der Software nach sich.
Soll beispielsweise die Anbindung einer zehn Jahre alten CNC-Maschine an das Industrial Internet of Things (IIoT) erfolgen, bieten die vormals eingesetzten Software oder Steuerungskomponenten meist keine Schnittstellen. In vielen Fällen fehlen Dokumentationen, Compiler, Entwicklungsprogramme und schlicht das Fachwissen für die Weiterentwicklung der Software.
Das Obsoleszenzmanagement muss diese Grenzen der Entwicklungsfähigkeit frühzeitig in den Planungsprozess für die IIoT-Anbindung einbringen, um rechtzeitig Lösungen zu finden.
Maschinenbau
Im Maschinenbau erfolgt die Abkündigung durch den Hersteller oder den Händler zwar meist ein halbes Jahr vor der Produktionseinstellung. Diese Frist kann aber unter Umständen zu kurz sein, um beispielsweise bestimmte Schalter, Timer, Transistoren, Logikbausteine oder Sensoren auf der Platine einer Maschine zu ersetzen. Selbst Bauteile mit denselben Spezifikationen könnten nicht geeignet sein, weil sie andere Baumaße oder Anschlusslogiken haben.
Bei proaktivem Obsoleszenzmanagement sind solche Faktoren dokumentiert, um die Entscheidung für Bevorratung, Ersatzbeschaffung oder Reengineering rechtzeitig vorzubereiten.
Schienenverkehr
Seit Jahrzehnten bildet Computertechnologie das Rückgrat in Anlagen für die Überwachung und Steuerung des Schienenverkehrs. Auch hier übersteigt die Lebensdauer hochwertiger Investitionsgüter die Lebenszyklen einzelner Komponenten um ein Vielfaches. Wird bei einer Anlage mit einer Produktionszeit von mehr als zehn Jahren und einer Nutzungsdauer von über zwanzig Jahren die Herstellung eines Prozessors eingestellt, kann die Bevorratung günstiger sein als das Reengineering.
Deshalb gehört Obsoleszenzmanagement bei Herstellern und Betreibern solcher Anlagen schon seit Jahren zum Standard der Risikominimierung.