Blackout - Stromausfall in der Stadt
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18.01.2021 Fachinformation

Eine neue Norm zur Verringerung der Auswirkungen einer Katastrophe

Naturkastrophen treten oftmals sehr kurz und intensiv auf. Die Folgen allerdings erstrecken sich über einen wesentlich längeren Zeitraum. Betroffen ist häufig auch die Versorgung mit Elektrizität. Die internationale Norm IEC 63152 unterstützt Stadtplaner dabei mit Richtlinien, um eine Vielzahl von städtischen Dienstleistungen nach einer Störung aufrechtzuerhalten.

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Von Natalie Mouyal

Keine Stadt funktioniert ohne Elektrizität. In Haushalten wird Elektrizität genutzt, um Lichter, Kühlschränke, Waschmaschinen und Wasserpumpen zu betreiben. Sie wird für Straßenbahnen, Signalsysteme, Medizingeräte in Krankenhäusern und elektronische Zahlungsmittel in Geschäften und Banken eingesetzt. Rundfunk, Internet und Telefondienste benötigen Elektrizität. Sie ist das Rückgrat, das den Großteil einer modernen Stadt betreibt.

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Dennoch kann es zu Störungen in der Elektrizitätsversorgung kommen. Orkane, Erdbeben, schwerwiegende Dürreperioden und Überflutungen gehören zu den Katastrophen, die immer häufiger und intensiver auftreten. Diese Ereignisse können zerstörende Auswirkungen auf Städte und ihren Bürgern bereitgestellte Dienste haben.

Die Kontinuitätsplanung ist ein Schlüsselfaktor, um Kosten und Schäden zu minimieren, falls kritische Infrastruktur (KRITIS) nicht mehr funktionsfähig ist. Sie stellt sicher, dass mögliche Katastrophen berücksichtigt und lokale Pläne zur Wiederherstellung der Dienste entwickelt wurden. Da städtische Dienstleistungen nicht ohne Elektrizität funktionieren, ist das Wiederingangbringen der Stromversorgung die dringendste und wichtigste Aufgabe nach einer Katastrophe.

Die IEC hat kürzlich die internationale Norm IEC 63152 veröffentlicht, die als Werkzeug für bewährte Verfahren für Stadtplaner dienen soll. Angesichts der zunehmenden Häufigkeit von Naturkatastrophen und der durch sie verursachten Zerstörungen schlägt diese Norm Richtlinien vor, um eine Vielzahl von städtischen Dienstleistungen nach einer Störung aufrechtzuerhalten. Sie liefert die grundlegenden Konzepte, wie mehrere städtische Dienste zusammenarbeiten können, um die Stromversorgung aufrechtzuerhalten.

Um mehr über diese neue Norm zu erfahren, sprach das IEC e-tech mit Tatsuya Shimoji, der als Projektleiter für das Projektteam IEC SyC Smart Cities für die Aufrechterhaltung von städtischen Diensten fungiert.

Interview mit Tatsuya Shimoji, stellvertretender Vorsitzender SyC Smart Cities

e-Tech: Wieso brauchen wir diese Norm?

Shimoji: Städte sind zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt. So eine Naturkatastrophe hat z. B. Japan im Jahr 2011 mit der großen Erdbebenkatastrophe Ost-Japans („Tōhoku-Erdbeben 2011“), die einen Tsunami und einen nuklearen Unfall verursachte, erlebt. In jüngerer Vergangenheit gab es Totalausfälle aufgrund des Hokkaidō-Erdbebens 2018 und des Hagibi-Taifuns 2019. Diese Arten von Katastrophen können sich in jeder Region der Welt ereignen.

Zudem werden Totalausfälle nicht nur durch Naturkatastrophen ausgelöst. Sie können auch durch Katastrophen nicht natürlicher Art hervorgerufen werden, wie Cyberangriffe und Terroranschläge, usw. COVID-19 selbst mag zwar keinen Totalausfall herbeigeführt haben, aber es hat verdeutlicht, dass unser Überleben von Elektrizität abhängig ist.

Infolgedessen müssen wir uns fragen, wie wir als Stadt überleben können, wenn eine so große Katastrophe eintritt. Dieses Konzept versuchen wir anzugehen.

e-Tech: Wie definieren Sie das Konzept der Aufrechterhaltung von städtischen Diensten?

Shimoji: Mithilfe dieser Norm wollen wir dokumentierte Verfahren zur Beratung von Organisationen anbieten und die Stromversorgungskontinuität zur Aufrechterhaltung von städtischen Diensten sicherstellen. IEC 63152 basiert auf der Idee eines Notfallplans („Business Continuity Plan“), der bereits in ISO 22301 festgelegt ist.

Damit städtische Dienste während eines netzbedingten Leistungsverlustes, der durch eine Katastrophe ausgelöst wurde, auf einem Mindeststand gesichert werden, sollte jede Dienste-anbietende Organisation, einen Business Continuity Plan aufstellen, um die Stromversorgung entsprechend sicherzustellen.

Zusätzlich sollten Pläne zum Austausch zwischen Organisationen für die Aufrechterhaltung von Diensten entsprechend der stadteigenen Anforderungen ausgearbeitet werden. Stadtverwalter wie auch Bürger sollten sich über die Verfügbarkeit von Diensten informieren können, um Entscheidungen treffen und geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Dies ist das Konzept der Aufrechterhaltung von städtischen Diensten (en: City Service Continuity, CSC).

Zur Umsetzung dieses Konzepts muss jede Organisation einen Plan zur Stromversorgungskontinuität (en: Electricity Continuity Plan, ECP) erstellen. Der Schwerpunkt dieses Plans liegt zum einen auf der Stromversorgung im Business Continuity Plan und zum anderen auf der Einrichtung eines Systems zur Stromversorgungskontinuität (en: Electricity Continuity System, ECS) zum Durchführen des ECP.


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e-Tech: Warum sind Planung und Vorbereitung wichtig?

Shimoji: Katastrophenschutz ist wichtig. Aber leider können wir weder voraussagen, wann und wo eine Katastrophe auftreten wird, noch können wir den Auswirkungen und Schäden, die eine Katastrophe tatsächlich verursacht, vollständig entfliehen. Daher werden Planung und Vorbereitung zu äußerst wichtigen Werkzeugen, um Schaden zu mindern und städtische Dienste soweit wie möglich aufrechtzuerhalten, oder Dienste so schnell wie möglich wiederherzustellen.

e-Tech: Welche Bedeutung kommt der Norm heute zu?

Shimoji: Städte sehen sich vielen verschiedenen potentiellen Bedrohungen, die Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung von städtischen Diensten haben, ausgesetzt. Daher besteht eine große Notwendigkeit, sichere Gesellschaften zu schaffen, in denen negative Auswirkungen auf städtische Dienste minimiert werden und städtische Dienste während eines Notfalls fortlaufend für Bürger verfügbar sind. Es besteht kein Zweifel daran, dass Elektrizität in modernen Städten eine kritische Rolle bei der Erhaltung städtischer Dienste spielt.

ISO 22301 legt zwar die Anforderungen an Systeme für Betriebskontinuitätsmanagement (en: Business Continuity Management System) fest, geht aber nicht weiter darauf ein, wie Elektrizität weiterhin zur Verfügung gestellt wird. Ich glaube, die Bedeutung von ECP und ECS wird zunehmen, wenn Interessensvertreter ihren Business Continuity Plan erstellen und durchführen. IEC 63152 unterstützt sie dabei, dieses Ziel zu erreichen.


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e-Tech: Warum ist es wichtig, einen Systemansatz zu verfolgen?

Shimoji: Bei Betrachtung der Aufrechterhaltung von städtischen Diensten fallen viele verschiedene Dienstleistungsarten und Anwender auf, die sich je nach Region unterscheiden. Markt- und Anwendungsfallanalysen sind sehr wichtig, um soziale Bedürfnisse zu verstehen und identifizieren. Außerdem ist ein Referenzarchitekturmodell von großer Bedeutung dafür, dass Lösungen universell und anwendbar sind. Ein Systemansatz kann dabei helfen, diese Informationen zu erfassen.

Bei IEC 63152 bezogen wir uns hinsichtlich der Marktanalyse auf das Whitepaper über Mikronetze zur Katastrophenbereitschaft und Notfallwiederherstellung von IEC und hinsichtlich der Referenzmodelle auf den Abschlussbericht von IEC SEG 1. Beide trugen maßgeblich zur Beschleunigung der Normungsarbeit an IEC 63152 bei.

e-Tech: Sind weitere Standards zur Betriebskontinuität geplant?

Shimoji: Als nächste Maßnahme hat SyC Smart Cities einen Normenantrag mit dem Ziel gestellt, einen Leitfaden für die Norm IEC 63152 zu erarbeiten, um mehr praktische Details zu bieten. Das Dokument befindet sich derzeit am Übergang der Stufe „Vorstadium“ zur Stufe „Vorschlag“.


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