- Beschreibung einer Eignungsprüfung
- Übertragung auf andere erneuerbare Energien
- Bedeutung von Eignungsprüfungen für den Windenergiesektor
Eignungsprüfungen für Windturbinen
Interview mit Alejandro B. Martínez Muelas
e-Tech: Was versteht man unter einer Eignungsprüfung?
Martínez Muelas: Lassen Sie mich zunächst erklären, was technische Labore tun. Ein technisches Labor ist ein Institut, das Messungen durchführt und Ergebnisse auf Basis dieser Messungen erzielt. Eine Anforderung, die in Normen festgelegt ist, besteht darin, dass alle technischen Labore im IECRE-System Messungen durchführen, die mit all den anderen Messungen kompatibel sind. Das Ziel von Eignungsprüfungen, basierend auf der Annahme, dass wir alle dieselbe Windturbine und denselben Wind messen, ist, dass wir vergleichbare Ergebnisse haben.
Was wir mit dem Eignungsprüfungsbericht sagen, ist, egal welches Prüflabor Sie nutzen und egal wer die Messung durchführt, die Ergebnisse werden dieselben sein. Ein Labor in China wird dieselben Ergebnisse liefern wie ein Labor in Deutschland oder Spanien, das Teil des IECRE-Systems ist. Jeder Hersteller auf der Welt kann darauf vertrauen, dass Labore innerhalb des IECRE-Systems dieselben Ergebnisse liefern werden.
e-Tech: Was wird bei einer Eignungsprüfung gemessen?
Martínez Muelas: Eine Windturbine ist ein komplexes Gerät und damit sie genehmigt und dadurch bestätigt wird, dass sie ordnungsgemäß funktioniert, muss sie einige Tests durchlaufen, in der eine Reihe von Parametern betrachtet werden. Die technischen Labore im IECRE-System führen diese Tests durch.
Um Teil des Systems zu sein, müssen die technischen Labore ihrerseits ihre Leistungsfähigkeit belegen und nachweisen, dass sie die Turbinen ordnungsgemäß prüfen können. Eignungsprüfungen sind Aufgaben, bei denen die Labore ihre Kompetenz zeigen. Der erste von uns veröffentlichte Bericht befasst sich damit, wie die Labore die Leistungskurve der Turbine messen können (wie viel Energie die Windturbine erzeugt verglichen mit der Energie, die bereits vom Wind erzeugt wird).
Aber es gibt noch weitere Tests, zum Beispiel zu Vibrationen: Ist die Windturbine in der Lage, Vibrationen standzuhalten? Oder auch Tests, die sich mit den Rotorblättern befassen: Sind die Rotorblätter stark genug, um dem Wind standzuhalten? Diese und weitere Tests sind alles Teil des Zertifizierungsprozesses der Windturbine.
e-Tech: Warum haben Sie beschlossen, den ersten Bericht zu veröffentlichen und warum ist das so wichtig?
Martínez Muelas: Measnet wurde vor ein paar Jahren dafür kritisiert, dass wir angeblich nicht transparent genug seien, was unsere Arbeit angeht. Jetzt sind wir Teil von IECRE, einem System, dem nicht nur Prüflabore angehören, sondern auch Zertifizierungsstellen, Hersteller und Betreiber, bei denen es sich häufig um Energieversorgungsunternehmen handelt. Alle diese Beteiligten müssen sich auf die Tests verlassen können, die wir durchführen. Um dieses Vertrauen zu schaffen, haben wir uns gleich am Anfang entschieden, dass einige Ergebnisse veröffentlicht werden sollten. Alle im IECRE-System könnten so sehen, wer sich an der Eignungsprüfung beteiligt hat, wer die Tests bestanden hat und was dabei geprüft wurde. Nachdem diese Entscheidung getroffen war, wollten wir so viele Informationen wie möglich öffentlich machen. Das Dokument, das wir veröffentlicht haben, ist sehr lang und komplex und ein derartiges Maß an Transparenz gab es bisher noch nie. Wir wollten so viele Informationen wie möglich offenlegen.
Die Unterstützung des Aufbaus einer Qualitätsinfrastruktur ist ein Grundprinzip von IECRE und wir möchten in der Lage sein, Berichte zu veröffentlichen, die den Betreibern die Gewissheit geben, dass diese gültig sind und ohne Einschränkungen verwendet werden können. Die von uns herausgegebenen Dokumente werden Herstellern helfen, ihre Windkraftanlagen weltweit zu verkaufen.
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e-Tech: Welche Herausforderungen galt es zu meistern?
Martínez Muelas: Zunächst einmal die große Zahl an Teilnehmern an dem Ringversuch zur Messung der Leistungskurve – es nahmen fast 30 Labore teil. Die andere Herausforderung besteht darin, dass diese Eignungsprüfung die Messung abdeckt, die in der Windindustrie als die eigentliche Schlüsselprüfung gilt – die ultimative Messung. Das heißt, es stand sehr viel auf dem Spiel, weil wir wussten, dass so viele Augen darauf gerichtet sein würden. Ich möchte in dem Zusammenhang die Arbeit von Kostas Papadopoulos hervorheben, der den Input der Leiter*innen dieser 30 Labore, die meisten von ihnen mit PhD und sehr erfahren, koordinierte. Er hat das gesamte Projekt hervorragend gemanagt.
e-Tech: Könnten die Eignungsprüfungen für Windkraftanlagen auch auf andere erneuerbare Energieanlagen angewandt werden – zum Beispiel Meeresenergie?
Martínez Muelas: Windenergieanlagen waren schon immer ein paar Schritte voraus. Es handelt sich um eine ausgereiftere Industrie und die IECRE hat hierzu mehr Prüfungen durchgeführt als zu anderen Industrien. Wir gehen davon aus, dass das, was wir jetzt machen, in Zukunft auch in den Bereichen PV-Solar- und Meeresenergie zum Einsatz kommen wird. Außerdem planen wir, Zertifizierungsstellen innerhalb von IECRE bei sogenannten Eignungsevaluierungen zu helfen, sodass sie auch nachweisen können, dass sie alle ein vergleichbares Qualitätsniveau haben.
e-Tech: An welchen Eignungsprüfungen arbeiten Sie als nächstes?
Martínez Muelas: Wir sind dabei, die endgültigen Ergebnisse einiger Eignungstests für die elektrischen Eigenschaften zu veröffentlichen, bei denen es darum geht, wie gut der von der Windkraftanlage gelieferte Strom ist. Außerdem stehen wir kurz davor, Berichte zu Last- und Schallbewertung zu veröffentlichen, die aus umwelttechnischer Sicht relevant sind. Wir sind gerade dabei, zwei neue Prüfungen zu entwickeln, von denen eine die Anemometer-Kalibrierungsprüfung abdecken wird. Anemometer sind Geräte, die die Windgeschwindigkeit messen. Und wir bereiten eine Eignungsprüfung zu Rotorblättern vor. Es hört nie auf! Wir arbeiten bereits an der zweiten Ausgabe des Berichts, den wir gerade veröffentlicht haben.
Im Rahmen der Eignungsprüfung haben wir herausgefunden, dass manche Labore Dinge anders, aber nicht falsch, machen. Sie interpretieren die Normen einfach anders. Wir erklären, warum wir unterschiedliche Ergebnisse liefern, fügen entsprechende Erläuterungen hinzu und machen Vorschläge, wie Änderungen in den Normen vorgenommen werden können, damit sie in Zukunft eindeutiger werden. Unsere Arbeit trägt dazu bei, Normen anzupassen.
e-Tech: Wie wichtig sind Prüfungen für den Windenergiesektor?
Martínez Muelas: Teil unserer Arbeit als Prüflabore ist es, zu zeigen, dass das Testen von Windturbinen nicht dasselbe ist wie, sagen wir, bei einem Toaster. Die Prüfungen, die wir für Windkraftanlagen durchführen, sind ganz anderer Natur als die üblichen Prüfungen für elektrotechnische Geräte und Anlagen. Jedes Mal, wenn eine Windturbine getestet wird, handelt es sich dabei um ein sehr komplexes und zeitintensives Verfahren. Um einen ordentlichen Test der Leistungskurve einer Windturbine zu realen Bedingungen durchzuführen, wird ein bis zu 140 Meter hoher Messturm mit 20 oder 30 kalibrierten Sensoren errichtet und es dauert mehrere Monate, bis man die Ergebnisse erhält. Außerdem ist das System so wertvoll, dass man nicht nur beweisen muss, dass es sicher ist, sondern auch dass es die Leistungserwartungen der Hersteller erfüllt. Also ja, Prüfungen sind ein wesentliches Merkmal des Windenergiesektors und erfordern eine erhebliche Ressourcen.
Redaktioneller Hinweis:
Der englischsprachige Originalartikel erschien erstmals auf etech.iec.ch in der Ausgabe 02/2024.
Zu finden unter: https://etech.iec.ch/issue/2024-02/proficiency-tests-for-wind-turbines