Ein starker Binnenmarkt braucht ein starkes europäisches Normungssystem – Handlungsaufrufe an Europaabgeordnete und europäische Institutionen

Europäische Normen sorgen für Klarheit und Konsistenz beim Handel mit Waren und Dienstleistungen in ganz Europa. Sie schaffen Vertrauen für Unternehmen und Verbraucher beim Handel mit verschiedenen Mitgliedstaaten. Dieses einzigartige Normungssystem, das auf Konsens und öffentlicher Beteiligung beruht, sollte von den europäischen Institutionen als wichtiges Instrument zur Verfolgung wirtschaftlich- und gesellschaftlich-politischer Prioritäten und zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas beibehalten werden.

Normen bilden nicht nur den Rahmen und die Richtschnur für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Innovationen im privaten Sektor. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Industrie bei der Entwicklung von Normen weiterhin eine starke Stimme hat, damit die Normen marktorientiert bleiben und die europäische Industrie unterstützen.
 

Bei der Erarbeitung des New Legislative Framework (kurz: NLF, übersetzt: Neuer Rechtsrahmen) haben CEN und CENELEC intensiv mit der Europäischen Kommission, der EFTA und allen europäischen Interessengruppen zusammengearbeitet, um Normen zur Unterstützung der politischen Ziele Europas zu produzieren. Der 2008 verabschiedete NLF zielt darauf ab, den Binnenmarkt für Waren zu verbessern und die Bedingungen für das Inverkehrbringen von Produkten auf dem EU-Markt zu erleichtern. Es handelt sich um ein Paket von Maßnahmen, die darauf abzielen, die Marktüberwachung zu verbessern und die Qualität der Konformitätsbewertungen zu steigern. 

Die weitere Nutzung des NLF zur Festlegung klarer und grundlegender Anforderungen in der Gesetzgebung, unterstützt durch freiwillige technische Normen, hilft den europäischen Unternehmen, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und die Bedürfnisse aller Interessengruppen zu unterstützen. Die Europäische Normungsstrategie ist ein großartiges Beispiel für ein erneuertes Engagement und eine Prioritätensetzung für den Wert der Europäischen Normen und bietet einen klaren Rahmen für eine kontinuierliche Partnerschaft mit den europäischen Institutionen.
 

Europa will die weltweit führende Drehscheibe für Innovationen im Bereich der sauberen Technologien sein, indem es günstige Bedingungen für die Markteinführung gewährleistet.

Der Schwerpunkt liegt darauf, in Europa ausreichend Kapital für die Forschung und Massenproduktion neuer Dekarbonisierungstechnologien zu sichern. Normen tragen dazu bei, diese günstigen Bedingungen zu schaffen, indem sie Marktbedürfnisse decken, die die Umsetzung solcher Innovationen ermöglichen.

Die Energiekrise von 2022 hat uns gezeigt, wie wichtig es für Europa ist, eine größere Energieunabhängigkeit zu erreichen. Die Optimierung des Verbrauchs von Strom aus erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit, Netze mit einem hohen Maß an Interoperabilität, die die Vorteile der Digitalisierung einbeziehen, sind der Schlüssel. Normen leisten einen wichtigen Beitrag zur Beschleunigung der Energiewende.
 

Europäische Normen sind ein entscheidendes Instrument für vertrauenswürdige interoperable Verfahren in Europa und gewährleisten, dass bewährte Verfahren über die Breite aller Technologien hinweg angewendet werden können. Durch das technische Fachwissen ihrer Expertinnen und Experten sorgt die Europäische Normung für Sicherheit im digitalen Bereich.

In einer Zeit, in der Europa bei der Regulierung neu entstehender Technologien (z. B. künstliche Intelligenz, Quantencomputer und im Bereich der Cyber-Resilienz) mit gutem Beispiel vorangeht, müssen die europäischen Institutionen das europäische Normungssystem voll ausschöpfen. Die europäischen politischen Entscheidungsträger sollten sich rechtzeitig mit den europäischen Normungsexpertinnen und -experten über Fragen im Zusammenhang mit neuen Technologien austauschen und von ihrem technischen Fachwissen und ihrer Marktkenntnis profitieren. Es muss unbedingt vermieden werden, dass Entscheidungen getroffen werden, die die technische Realität nicht widerspiegeln und die Übernahme durch die Industrie sowohl in Europa als auch weltweit behindern könnten.

Die DKE engagiert sich gemeinsam mit CEN, CENELEC und ihren Mitgliedern, die Normung umzugestalten, um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen, z. B. durch Projekte zur Umsetzung der Umstellung auf SMART Standards, d.h. maschinenlesbare Normen, die es dem Normenanwender ermöglichen, sie direkt in technische Systeme zu importieren.

Durch die Zusammenarbeit mit ISO und IEC helfen die nationalen Mitglieder von CEN und CENELEC sicherzustellen, dass europäisches Fachwissen die internationale Innovation fördert. Durch die Normungsarbeit ist Europa auf internationaler Ebene führend bei strategischen Themen wie Brennstoffzellentechnologie, Kreislaufwirtschaft, Cybersicherheit, Quantentechnologien, Spezialmetallen und Mineralien (z. B. kritische Rohstoffe). Europäische Normen sind von entscheidender Bedeutung, um die Handelsgespräche mit anderen Regionen der Welt voranzubringen, und sollten in europäischen Handelsinitiativen wie Freihandelsabkommen und digitalen Partnerschaftsabkommen voll zum Tragen kommen.

Normen dienen als Katalysator für Innovationen und helfen Forschern, ihre innovativen Ideen und wissenschaftlichen Ergebnisse auf den Markt zu bringen. Aus diesem Grund sind CEN, CENELEC und ihre Mitglieder bestrebt, mit Forschern und Akademikern zusammenzuarbeiten, um ihre Forschungsergebnisse in Normen umzusetzen und die nächste Generation von Normensetzern vorzubereiten.

Um die Forschungsergebnisse durch Normung bestmöglich zu verwerten, fordern wir die europäischen Institutionen auf, die Akzeptanz der Normung im zukünftigen Forschungsrahmenprogramm (FP10) und im Europäischen Forschungsraum zu verankern. CEN, CENELEC und ihre Mitglieder befürworten auch die systematische Integration der Normung in alle künftigen Forschungsrahmenprogramme und die Verbindung von Wissenschaft und Normung, was zur Stärkung der Fähigkeit Europas beitragen wird, die Prioritäten in Forschung und Innovation zu erreichen.

Das Europäische Normungssystem stützt sich auf das Wissen und die engagierte Arbeit einer Vielzahl von Expertinnen und Experten aus Industrie, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und anderen Bereichen. Für den langfristigen Erfolg der Europäischen Normung müssen wir den Pool künftiger Talente erweitern, um ihre derzeitige einflussreiche Position zu erhalten. Um dies zu erreichen, wird die Ausbildung im Bereich der Normung zunehmend an Bedeutung gewinnen: Im High-Level Forum on European Standardisation – organisiert innerhalb der Generaldirektion DG GROW der Europäischen Kommission – setzen sich die Normungsorganisationen auch dafür ein, Studierende und Ausbildende die Informationen zur Verfügung zu stellen , die erforderlich sind, um in den nächsten Jahrzehnten Tausende neuer Normungsexpertinnen und Experten in die europäische Wirtschaft einzuführen. Dies schließt die Ausbildung an Universitäten, Berufsbildungseinrichtungen und Programme für lebenslanges Lernen ein. Die europäischen Institutionen sowie CEN und CENELEC müssen diese Dynamik beibehalten und gleichzeitig überlegen, wie sie in Zukunft noch mehr Normungsinteressierte erreichen können.