selbstbewusste Frauengruppe, stolz und lächeln, sechs Fraunen in einem Startup-Unternehmen für kreatives Marketing
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16.03.2023 Fachinformation

Weichenstellung für die Transformation zu einer All Electric Society

Anna Tanskanen ist eine der noch wenigen Frauen, die an der Spitze einer Normungsorganisation stehen. Sie setzt sich dafür ein, ein zunehmend ausgeglicheneres Verhältnis zwischen dem Anteil von Frauen und Männer in den finnischen Gremien zu fördern – und blickt positiv in die Zukunft.

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Ein Artikel von Catherine Bischofberger

Anna Tanskanen ist nicht nur Managing Director und Committee Secretary von SESKO, der finnischen Normungsorganisation für Elektrotechnik, die Finnland als nationales Komitee bei der IEC repräsentiert, sondern auch eine der wenigen Frauen, die an der Spitze einer Normungsorganisation stehen.

Tanskanen spricht im Interview mit e-tech über die ehrgeizigen Ziele Finnlands im Hinblick auf CO2-Neutralität und Inklusion sowie ihre Leidenschaft für Smart Grids.

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Interview mit Anna Tanskanen

e-Tech: Können Sie uns ein wenig darüber erzählen, was Sie vor Ihrem jetzigen Job gemacht haben?

Tanskanen: Ich komme aus dem Bereich Elektrotechnik. Ich habe den Großteil meines früheren Berufslebens in verschiedene Positionen bei Stromversorgungs- und Stromdienstleistungsunternehmen und an der Universität gearbeitet, wo ich über Strommärkte promoviert habe. Ich habe eine Dissertation über die Analyse von Geschäftsmodellen zum Betrieb von Stromverteilnetzen und die Kapitalisierung von Funktionen der Leitzentrale mit DMS (Distribution Management System) verfasst.

Mein persönliches technisches Interesse gilt Aspekten der elektrischen Netzleit- und Betriebsfunktionen, sogenannter SCADA (Supervisory Control and Data Acquisition) und DMS-Netzleitsystemen, die von Netzbetreibern verwendet werden, sowie der Sicherstellung der Wartung von Smart Grids. Ich habe mich mit den praktischen Aspekten der IEC 61850-Normen für das Smart Grid beschäftigt, das eine wichtige Rolle beim Aufbau von Netzautomatisierung spielt. Darüber hinaus bin ich Mitglied der IEC Board Task Force on SMART Standardization and Conformity Assessment.

Die Sicherung des Stromnetzes, dieses kritischen Guts für die Gesellschaft, ist von größter Wichtigkeit, besonders heute, in der turbulenten Marktsituation, mit der wir aktuell in Europa konfrontiert sind. Ein zuverlässiges und robustes Netz, sowohl unter normalen als auch außergewöhnlichen Umständen, wird zu einer wichtigen Voraussetzung, um sicherzustellen, dass unsere Gesellschaften weiter normal funktionieren. Ein solches Netz ist auch unabdingbar, um die Weichen für die Transformation zu einer All Electric Society zu stellen.


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e-Tech: Was sind Ihre Aufgaben als Secretary von SESKO?

Tanskanen: Mein Job ist es, die Planung und Umsetzung der vom SESKO-Vorstand getroffenen Entscheidungen im Interesse der finnischen Fachleute und Entwickler elektrotechnischer Normen an der internationalen Normung auszurichten. Es ist großartig, sich mit Fachleuten der globalen Normungsgemeinschaft zu vernetzen, und obwohl das Reisen während der COVID-Pandemie eingeschränkt war, haben digitale Konferenzen und Meetings die Möglichkeit geboten, sich unkompliziert auszutauschen.

Eine unserer Hauptaufgaben besteht darin, der finnischen Gesellschaft bestmöglich im Hinblick auf die elektrotechnische Normung zu dienen. Zusammen mit unseren Fachleuten schaffen wir nachhaltige, der Gesellschaft zugutekommende Normen, um die Sicherheit, Systemkompatibilität und den globalen Handel mit Produkten sicherzustellen.

e-Tech: Was können Sie uns zur Geschichte von SESKO erzählen?

Tanskanen: SESKO wurde 1965 gegründet, wir blicken also schon auf den 60. Geburtstag der Organisation. Die Anfänge der elektrotechnischen Normung in Finnland lassen sich bis in das frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen. 1901 wurde das erste nationale Elektrizitätsgesetz verabschiedet. Es legte die Sicherheitsanforderungen an elektrotechnische Geräte in Kraftwerken fest.

Später, im Jahr 1908, entschied der finnische Verband für Elektrotechnik, die vom deutschen VDE erstellten elektrischen Sicherheitsregeln, die Normen, Leitsätze und Vorschriften des Verbandes Deutscher Elektrotechniker, aus dem Deutschen ins Finnische und Schwedische zu übersetzen. Von da an haben sich verschiedene Organisationen mit der elektrotechnischen Normung auseinandergesetzt.

SESKO ist stolz auf ihre Geschichte und wir haben zwei Jubiläumsfestschriften veröffentlicht, SESKO 25 Jahre und SESKO 50 Jahre, die beide in finnischer Sprache erhältlich sind.


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e-Tech: Warum haben Sie an der Videokampagne #WomenatIEC teilgenommen?

Tanskanen: Für mich war das eine konkrete Möglichkeit, zu der strategischen Bedeutung der gleichberechtigten Einbeziehung und Zusammenarbeit von Fachleuten beizutragen und diese zu stärken. Obwohl in Finnland der Frauenanteil in technischen Komitees insgesamt immer noch deutlich geringer ist als der männlicher Experten, gibt es eine deutliche Veränderung und einen durch den Generationenwechsel bedingten Wandel in der Einstellung innerhalb der Fachwelt. SESKO hat von Anfang an am IEC Young Professionals-Programm teilgenommen und wir beginnen in Finnland ein zunehmend ausgeglicheneres Verhältnis zwischen dem Anteil Frauen und Männer zu sehen, was natürlich ermutigend ist.

e-Tech: Wie geht SESKO mit Themen wie Inklusion und Diversität um?

Tanskanen: Meiner Meinung nach sollten Inklusion und Diversität als Grundwerte jeder Organisation betrachtet werden, da sie unabdingbar für den Erfolg sind. Bei SESKO stellen sie Grundpfeiler unserer Strategie dar, und sie wurden an unseren Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet. Unser großes Netzwerk an Fachleuten, die sehr divers sind, ist die Stärke der gesamten Organisation. Wir müssen die ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) erfüllen und dabei auch gesellschaftliche Kriterien berücksichtigen. Am Ende kommt es darauf an, wie wir unsere wichtigsten Interessengruppen unterstützen und ihnen helfen.


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e-Tech: Was sind die größten Herausforderungen für SESKO heute und in der Zukunft?

Tanskanen: Wir haben unsere Strategie mit Blick auf 2030 aktualisiert, ähnlich wie die IEC. Unsere Vision ist, dass SESKO der kompetenteste Partner für elektrotechnische Normung auf lokaler Ebene wird. Zudem hat sich Finnland das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2035 CO2-neutral zu werden, was Auswirkungen auf die Anforderungen an die Industrie sowie auf Aspekte der technischen Entwicklung hat.

Kürzlich hat das finnische Handelsministerium eine Erklärung zur nationalen Energie- und Klimastrategie veröffentlicht, in der es die Rolle internationaler und europäischer Normen als Mittel zur Erhöhung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit anerkennt. Ich glaube, dass die Einführung neuer Instrumente wie die kommentierten Fassungen der IEC-Normen, zusammen mit der Nutzung der neuen Online-Normungsplattform, den Normungsfachleuten und den Nutzern von Normen wichtige neue Möglichkeiten eröffnen werden. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass diese Schlüsselanwendungen sorgfältig entwickelt werden, damit sie die Arbeit der Fachleute wirklich unterstützen. SESKO muss die Entwicklung dieser und anderer IKT-Instrumente proaktiv während der Pilotphasen verfolgen und unterstützen, um lokale Kompatibilität sicherzustellen.

e-Tech: In welcher Beziehung steht die Arbeit von SESKO zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung?

Tanskanen: Wir haben Anfang des Jahres das Clean Energy Programme (2022-2023) ins Leben gerufen, das einen direkten Bezug zu SDG 7, dem Ziel der Versorgung aller mit sauberer und bezahlbarer Energie bis 2050, hat. Im Rahmen des Programms ist es unser Ziel, die Normungsaktivitäten in unseren Spiegelausschüssen, IEC/TC 82, IEC/TC 88, IEC/TC 105 und IEC/TC 114, die Normen für verschiedene erneuerbare Energieanlagen erstellen, zu erhöhen.

Ich freue mich, berichten zu können, dass wir viele Webinare mit hochrangigen Rednern und Aktivitäten in diesen spezifischen Bereichen organisiert haben. Wir haben uns dazu entschieden, allen Fachleuten die Teilnahme an diesen Webinaren während der Dauer des Programms kostenlos zu ermöglichen. Das hat zu positiven Ergebnissen geführt und die Anzahl an teilnehmenden Fachleuten ist in allen technischen Bereichen, auf die wir uns fokussieren wollten, gestiegen.


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