Das war die elektrotechnische Normung 2024

Die reine Messwerterfassung über einen eichrechtskonformen Zähler ist bei der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, im Gegensatz zur Zapfsäule für Benzin oder Diesel, nicht ausreichend. Hier werden weitere Einrichtungen zur Übermittlung und Speicherung der Daten, z. B. die geladene Energiemenge, benötigt. Das Eichrecht, Standardisierung und Normung schaffen die Grundlage dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Geschäftspartner Vertrauen in die Messergebnisse haben können. Dieses Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der E-Mobilität.

Ein komplexes Thema, über das wir mit Checrallah Kachouh sprachen. Er ist ehemaliger CTO von Compleo und Mitentwickler der VDE Anwendungsregel für konduktive Ladeeinrichtungen, die klare Vorgaben für mess- und eichrechtskonforme Gleich- und Wechselstromladeeinrichtungen liefert und Grundlage ist für die Ausarbeitung einer gemeinsamen Norm in Europa.

Gleichstrom ist auf dem Vormarsch. Photovoltaik, E-Autos und ihre Speicher werden eine wichtige Rolle in der All Electric Society spielen. Für die lokale Netzstabilität könnte bidirektionales Laden ein „Gamechanger“ sein.

Bernd Zeilmann, Obermeister der Innung für Elektro- und Informationstechnik Bayreuth, skizzierte im Interview mit uns, wie Elektrohandwerk und Normung voneinander profitieren. Und er beschreibt, welchen Regelungsbedarf das Handwerk für Gleichstromanwendungen und Sektorenkopplung sieht. Es benötigt die Kommunikationsstandards z. B. für den Informationsaustausch zwischen den Geräten und Sektoren. Gleichzeitig profitiert die Normung, indem das Handwerk notwendige Praxiserfahrungen bei Normungsfragen liefert. Zeilmann warnt: „Wenn wir als Handwerk keine gemeinsamen Standards für die Installation, die Inbetriebnahme sowie die Dokumentation unserer Lösungen haben, können wir für die technische Sicherheit nicht garantieren.“

Nachhaltigkeit ist sowohl im Bereich Wasserstofftechnologien als auch im Bereich Circular Economy entscheidend. Die Circular Economy beschreibt die nachhaltige Nutzung von Rohstoffen über alle Lebensphasen eines Produkts hinweg. Auch bei der Nutzung von Wasserstofftechnologien für eine klimaneutrale und resiliente Energieerzeugung muss das der Fall sein. Vor diesem Hintergrund entstand das Impulspapier „Wie kann eine Circular Economy den Einsatz von Wasserstofftechnologien material- und ressourceneffizienter gestalten?“ von DKE, DIN und VDI.

Die beiden Autoren Dr. Tim Brückmann (DKE) und Dr. Florian Lessing (VDE) sprachen darüber, dass sich durch kluges Recycling der verfügbare Bestand an Rohmaterialien vergrößert und eine höhere Versorgungsstabilität einstellt. Circular Economy kann zukünftig das neue Unterscheidungsmerkmal sein, sodass neben dem Made in Germany auch ein Made with Germany existiert.

Der Einsatz von SMART Standards besitzt das Potential, den Umsatz eines Unternehmens um bis 60 Prozent zu steigern. Das haben DIN und DKE im Rahmen der Initiative Digitale Standards (IDiS) ermittelt.

Untersucht wurde, wie sich der Einsatz von SMART Standards jeweils auf die Prozessqualität, die Produktqualität und das Umsatzpotenzial von Unternehmen auswirkt und welchen Einfluss sie auf die Beschäftigten oder die Organisation haben. Demnach reduziert sich der zeitliche Aufwand deutlich, die Sachkosten halbieren sich, während sich die Zahl der abgewickelten Aufträge verdoppeln kann. DKE Geschäftsführer Michael Teigeler meint: "Mit dem jetzt vorgelegten Whitepaper zeigen wir, dass sich SMART Standards letztlich auch betriebswirtschaftlich für ein Unternehmen auszahlen. Damit werden Normen vom Management nicht mehr nur als Kostenfaktor wahrgenommen. Sie sind ein entscheidender Wettbewerbsvorteil und Innovationstreiber.“

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat zur Hannover Messe 2024 seinen Leitfaden „Notstromversorgung in Unternehmen und Behörden“ aktualisiert. 

Wir konnten Christine Eismann, im BBK zuständig für den Schutz kritischer Infrastrukturen, für ein Interview gewinnen. Darin erläuterte sie, warum die Energiewende die Notstromversorgung voranbringen kann, wie wichtig interdisziplinäre Zusammenarbeit ist und wie Eigenverantwortung unsere Gesellschaft resilienter macht.

Aus Sicht von Eismann schafft erst Normung die Möglichkeit, das Zusammenspiel innovativer Ideen erfolgreich zu realisieren. So könnten Inselnetze im öffentlichen Verteilnetz z. B. die Resilienz der Gesellschaft bei großflächigen, langandauernden Stromausfällen ganz klar erhöhen.

Fast ein halbe Million Güterwagen rollen auf Europas Schienen. Sie werden noch von Hand gekuppelt und können weder Strom- noch durchgehende Datenleitungen herstellen. Das soll sich ändern: Die Digitale Automatische Kupplung (DAK) wird als neuer EU-weiter Systemstandard den klimafreundlichen Schienengüterverkehr deutlich leistungsfähiger und effizienter machen.

Mit der DAK und durchgehenden Strom- und Datenleitungen sind höhere Geschwindigkeiten möglich, weil die Bremsen – wie bei Personenzügen längst üblich – elektronisch angesteuert werden können. Damit passen sie sich deutlich besser an Takt und Tempo des Personenverkehrs an, was zu mehr Kapazität im Netz führt. Zudem kann durch Einsatz der DAK die Bremsprobe automatisch erfolgen, was nicht nur das Personal entlastet, sondern auch Zeit einspart und damit ebenfalls zu mehr Effizienz im Schienengüterverkehr führt. 

Ein wichtiger Termin für Normungsexpert*innen ist in jedem Jahr der DKE Innovation Campus, an dem insgesamt ca. 500 Interessierte vor Ort in Hanau und via Livestream teilnahmen.

Im Zentrum von Diskussionsrunden, Workshops und Vorträgen stand die Vision der All Electric Society (AES). Zu deren Schwerpunktthemen Gleichstrom-Anwendungen, SMART Standards und Diversität in der Normung referierten hochkarätige Expertinnen und Experten und die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, ihre Expertise einzubringen.

Insgesamt gelang dem Innovation Campus 2024 auch in diesem Jahr wieder der Spagat zwischen Information, Inspiration und dem fachlichen sowie persönlichen Austausch untereinander. 

Mit dem Ziel, die Produkt-Lebensdauer zu steigern und Elektroschrott zu reduzieren, beauftragte die EU-Kommission die europäischen Normungsorganisationen Normen zu erarbeiten und weiterzuentwickeln, die Hersteller und Verbraucher bei der Umsetzung des Rechts auf Reparatur unterstützen.

Dafür muss in den zuständigen Normungsgremien ein gewisses Umdenken erfolgen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Technische Normen und Standards in der Vergangenheit selten darauf ausgelegt waren, Aspekte wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu berücksichtigen und Reparaturen aus Sicherheitsgründen teilweise bewusst ausgeschlossen wurden.

Nationale Komitees werben auf internationaler Ebene bereits seit Jahren dafür, das Recycling von Produkten und deren Wiederaufbereitung für ein Second Life bereits im Design zu berücksichtigen. 

Konformitätsbewertung sichert als ein zentraler Prozess, dass Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen den festgelegten gesetzlichen und normativen Anforderungen entsprechen.

Konformitätsbewertungsverfahren gewährleisten die Sicherheit und Zuverlässigkeit elektrischer Geräte, elektrotechnischer Komponenten, Systeme und Produkte. Sie umfassen eine Vielzahl von entwicklungsbegleitenden Aktivitäten, parallel zu Prüf- und Dokumentationsprozessen und berücksichtigen neben gesetzlichen Vorgaben auch unsere elektrotechnischen Normen.

Die Konformitätserklärung als Ergebnis der Konformitätsbewertung, bestätigt die Erfüllung von Anforderungen und ermöglicht damit die Marktzulassung, insbesondere innerhalb der EU durch die CE-Kennzeichnung.

Europa hat im Sommer 2024 gewählt. Damit neue Europaabgeordnete und Institutionen den Wert und die Möglichkeiten des Europäischen Normungssystem kennenlernen, rufen CEN und CENELEC gemeinsam mit ihren Mitgliedern dazu auf, sich stark zu machen und den Binnenmarkt umzugestalten und zu kräftigen. Damit verfolgen wir drei gemeinsame Ziele mit der Politik in Europa:

1. Das Bekenntnis zu einem robusten und wettbewerbsfähigen Binnenmarkt erneuern.
2. Europa durch Normung so umgestalten, dass es seine Ambitionen der CO2-Neutralität und einer digitalen Zukunft erfüllt.
3. Die Stärkung der europäischen Führungsrolle in der Welt durch Normung.

Radon ist ein radioaktives Edelgas. Es kommt im Erdreich vor und hat einen natürlichen Ursprung. Hohe Konzentrationen in Wohnräumen stellen eine unterschätzte Gefahr dar. Als eine der wichtigsten Ursachen für Lungenkrebs nach dem Rauchen verdient es daher eine besondere Aufmerksamkeit. Das gesundheitliche Risiko lässt sich mit Wissen, regelmäßigen Messungen und gezielten Schutzmaßnahmen jedoch deutlich reduzieren.

Hier bieten Gesetzgebung, Normen und Standards im Bereich von Radon eine wichtige Orientierung und bilden eine solide Grundlage für die Entwicklung und Anwendung von Radonmessgeräten, Schutzmaßnahmen und Sanierungskonzepten. Sie ermöglichen es Fachleuten, Behörden und Hauseigentümern, die Radonbelastung zuverlässig zu bewerten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Die Welt verändert sich und wir uns mit ihr. Neben den politischen Veränderungen spielen für uns insbesondere die technologischen Veränderungen eine große Rolle. Sie liefern uns neue Arbeitsinhalte und Themen aber auch neue Arbeitsweisen und Tools. Zudem steht ein Generationenwechsel an und es wird Zeit, den Staffelstab von den Baby-Boomern weiterzureichen.

In einer Welt voller Innovationen und Herausforderungen wird mit Ihrer Hilfe unsere Zukunft sicherer. DANKE für Ihren Einsatz und Ihr Engagement in der nationalen und internationalen Normung. DANKE für das Miteinander und die Diskussionen bis zur Konsenzfindung. DANKE für Ihre Zeit und Ihre Teilnahme auch in schwierigen Zeiten. DANKE für Ihr Interesse und Ihre Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die uns verbindet und antreibt.