Forscher im Labor, der über die digitalen Tablettendaten des chemischen Elements Brom Br berät
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25.09.2023 Fachinformation

Halogene: Herausfordernde Leistungsträger

Halogenverbindungen spielen eine wichtige Rolle in der Elektroindustrie. Ihre vielfältige Einsatzfähigkeit verleiht ihnen sowohl nützliche als auch potenziell gefährliche Eigenschaften.

Normen tragen dazu bei, die Vorteile von Halogenen auch in Zukunft nutzen zu können und gleichzeitig Gefahren und potenziellen Schaden für Mensch und Umwelt gering zu halten.

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Dr. Tim Brückmann
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Was sind Halogene? Grundwissen Chemie: Periodensystem, Eigenschaften und Vorkommen

Halogene sind eine Gruppe chemischer Elemente im Periodensystem. Im Allgemeinen versteht man unter Halogenen die vier Elemente Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br) und Jod (I). Das Element Astat (At) spielt nur eine untergeordnete Rolle, da es das seltenste natürlich vorkommende Element auf der Erde ist.

Halogene gehören zur siebten Hauptgruppe des Periodensystems, die traditionell als Gruppe VIIA bekannt war, heute jedoch als Gruppe 17 bezeichnet wird. Charakteristisch für sie sind ihre ähnlichen chemischen Eigenschaften, insbesondere ihre Tendenz zur Bildung von Salzen und ihre teils starke Reaktionsfähigkeit mit anderen Elementen.

Halogene sind nichtmetallisch, haben niedrige Schmelz- und Siedepunkte. Ihr Aggregatzustand umspannt bei Raumtemperatur alle Zustandsformen: gasförmig (Fluor und Chlor), flüssig (Brom) oder fest (Jod). Sie sind in der Natur ausschließlich als Bestandteil von Salzen oder in organischen Verbindungen zu finden.

Halogene im Alltag und in der Elektrotechnik: Verwendung von Chlor, Brom, Jod und Fluor

Halogene finden vielfältig Anwendung in der Industrie, Medizin und Forschung und sind Bestandteil unseres Alltags: Chlor im Schwimmbad, Fluorid in der Zahnpasta oder Natriumchlorid als Kochsalz. Halogene sind auch im menschlichen Körper zu finden, so ist beispielsweise Jod als Bestandteil des Schilddrüsenhormons Thyroxin essenziell für eine gesunde Körperfunktion. 

Brom wird unter anderen in Flammschutzmitteln, in fotografischem Material und in der Pharmazie verwendet. Die umstrittenen per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) verleihen unter anderem der Regenkleidung ihre wasserabweisenden Eigenschaften oder werden in Löschschäumen eingesetzt. Sie sind darüber hinaus in vielen Bereichen der Medizin unerlässlich, so verleihen sie Arzneimitteln notwendige Eigenschaften wie eine höhere Löslichkeit. Auch innerhalb von elektrischen und elektronischen Produkten spielen halogenierte Materialien eine wichtige Rolle.

Hierbei sind vor allem drei Eigenschaften von herausragender Bedeutung:

  • Niedrige Kosten
  • Leistungseigenschaften
  • Reichhaltigkeit des Rohstoffes

Halogenverbindungen befinden sich unter anderem in Leiterplatten, Steckverbindern, elektrischen Kabeln, Lithium-Ionen-Akkus, Kunststoffgehäusen von Fernsehern und Mobiltelefonen. Einige Halogenverbindungen weisen eine extrem hohe Hitzebeständigkeit auf. Polyvinylchlorid (PVC) beispielweise ist eine flamm-, feuchtigkeits- und abriebbeständige Halogenverbindung und einer der am häufigsten verwendeten Kunststoffe in der Elektronikindustrie.

Andere Verbindungen mit Halogenanteilen wurden wegen ihrer Fähigkeit entwickelt, bestimmten Chemikalien und Lösungsmitteln zu widerstehen. Dies gilt unter anderem für fluoriertes Ethylenpropylen (FEP), eine halogenierte Alkylverbindung, die aufgrund hoher Temperaturresistenz häufig für die Isolierung von Kabeln verwendet wird.

In vielen Fällen ermöglichen halogenierte Werkstoffe im Vergleich zu alternativen Lösungen eine wesentlich höhere Produktleistung zu geringeren Kosten.


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Risiken und Gefahren durch Halogene und Halogenverbindungen

Obwohl Halogene viele Vorteile bieten, bergen sie auch Risiken: 

1. Freisetzung giftiger Gase

Halogenverbindungen setzen korrosive und giftige Gase frei, wenn sie von Feuer entzündet werden. Das erhöht die Gefahren bei einem Unfall für Menschen und Geräte und erschwert außerdem die Entsorgung. 

Die Emission korrosiver Gase durch Halogene führte zum Beispiel im Mai 1988 zu den verheerenden Schäden bei der größten Katastrophe der Telekommunikationsgeschichte im Hinsdale Central Office in den USA. Bei einem Brand schädigte der Rauch durch Säurekorrosion auch Teile der Telefonzentrale, die vom Feuer eigentlich verschont wurden. Die brennende Elektronik emittierte zudem giftige Dämpfe, die von den Feuerwehrleuten eingeatmet wurden. 

Toxische Dämpfe, die aufgrund brennender Halogenverbindungen freigesetzt werden, spielten auch eine folgenschwere Rolle beim Brand in einer U-Bahn-Station im südkoreanischen Daegu im Jahr 2003. Wegen des giftigen, schwarzen Rauchs konnten die Feuerwehrleute über mehrere Stunden nicht in den U-Bahn-Schacht steigen, während dort noch Opfer auf Rettung warteten. 

2. Vermutlich krebserregend und hormonaktiv

Die Aufnahme von Halogenverbindungen kann sich negativ auf die Gesundheit von Organismen auswirken. Einige halogenierte Stoffe sind so problematisch, dass sie in der EU verboten oder reglementiert sind. Polychlorierte Biphenyle (PCB) wurden bereits 1986 durch die Stockholmer Konvention verboten, da sie die Eigenschaft haben, sich in der Umwelt und im Fettgewebe des menschlichen Körpers anzureichern (Bioakkumulation) und im Verdacht stehen, hormonelle Auswirkungen zu haben sowie krebserregend zu sein.

3. In der Natur schwer abbaubar

Verschiedene Halogene und deren Verbindungen belasten die Umwelt langfristig durch ihre hohe biologische Beständigkeit.

Da PCB in der Vergangenheit in großen Mengen produziert wurden und schwer abbaubar sind, können sie noch immer überall in der Umwelt nachgewiesen werden. Forschende haben selbst bei Tiefseekrebsen im Mariannengraben PCB und PBDE (Polybromierter Diphenylether) nachweisen können.

Per- und polychlorierte Alkylverbindungen (PFAS) gelten bei ähnlicher Problematik sogar als noch persistenter als PCB. Ein aktuelles REACH-Beschränkungsverfahren zielt darauf ab, diese Stoffgruppen überall, wo es möglich ist, zu ersetzen, zum Beispiel in Imprägnier- und Waschmitteln.

PFAS wie PCB in allen Bereichen zu verbieten ist jedoch nicht realistisch. So können beispielweise bei medizinischen Geräten PFAS-haltige Bauteile nur schwierig ersetzt werden; ein Ersatz ihrer einzigartigen Beständigkeit, Biokompatibilität sowie thermischer, elektrischer und chemischer Stabilität ist nur schwierig bis unmöglich zu finden.


Grüne Glaskugel mit grünen Blättern und Morgensonne
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Unterstützung von Normenerstellern bei der Behandlung von Umweltfragen

Normen leisten bereits einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Fest steht aber auch, dass hier weiteres Potenzial für die Zukunft besteht. Aus diesem Grund wurde eine Beratergruppe gegründet, ACEA, die Technische Komitees bei Umweltfragen unterstützen soll.

Im Interview mit IEC e-Tech spricht Solange Blaszkowski als ACEA-Vorsitzende über die Arbeit der Beratergruppe, neue Leitfäden, Glaubwürdigkeit und die Zusammenarbeit mit IEC-Komitees.

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Einsatz und Deklaration von Halogenen: IEC-Normen und Leitfäden

Aufgrund der Risiken und der fortschreitenden Reglementierung von Halogenen rücken weitere bestimmte halogenierter Stoffe in den Fokus. Hersteller entwickeln bereits Produkte mit begrenztem Halogengehalt. Auf dem Weg zu einer sicheren Verwendung unterstützen diese drei Bestrebungen die Erarbeitung von Normen und Standards sowie Vorschriften für Halogene:

1. Kennzeichnung des Halogengehalts

Die IEC erarbeitet zusammen mit anderen Organisationen und Umweltprogrammen Normen, um den Halogengehalt in Produkten zu quantifizieren. Es bestehen allerdings noch Inkonsistenzen bei den verschiedenen Gremien und Akteuren in der verwendeten Terminologie sowie in den Prüfmethoden und Anforderungen.

Das Beratende Komitee für Umweltfragen der IEC (ACEA) erarbeitet mit dem „Leitfaden zur Definition der Terminologie für den Halogengehalt in IEC-Veröffentlichungen“ erste Anhaltspunkte für eine gemeinsame Terminologie: Damit sollen Vorschläge zur Verwendung verschiedener Bezeichnungen wie „halogenfrei“, „halogenarm“, „zero halogen“ unterbreitet werden.

Da Halogene ein branchenübergreifendes, interdisziplinäres Thema sind, ist die Vereinheitlichung der Terminologie von der Kooperation verschiedener Gremien und Branchen abhängig. Der IEC Guide 122 befindet sich aktuell noch im Bearbeitungsprozess. 

Der Leitfaden soll auch als Aufruf dienen, mit potenziell betroffenen Geschäfts- oder Netzwerkpartnern ins Gespräch zu kommen und auf die Problematik der uneinheitlichen Terminologie hinzuweisen. Ziel soll sein, gemeinsame Begrifflichkeiten zu entwickeln und zu etablieren.

2. Branchenübergreifende Datenbank

Im Jahr 2018 hat die IEC eine neue Ausgabe der Norm IEC 62474 zur Berichterstattung über deklarationspflichtige Stoffe herausgegeben, die bei IEC/TC 111 (DKE/K 191) erarbeitet wird. Im Rahmen der Norm pflegt die IEC eine Datenbank der relevanten Vorschriften in Bezug auf Halogensubstanzen in elektrischen und elektronischen Produkten. Mit dem gemeinschaftlichen Projekt ISO/IEC 82434-1 „Materialdeklaration“ soll der Anwendungsbereich damit über den der Elektrotechnik herausgehoben werden.

3. Nachweis und Grenzwerte für Halogene

Eine zweite Normenreihe betrifft den Nachweis zu Substanzen in der Elektrotechnik: IEC 62321 wird bei IEC/TC 111/WG 19 (DKE/K 135) erarbeitet. Die Norm besteht aus mehreren Teilen, die unter anderem Verfahren für den Nachweis von PBB, PBDE, Gesamtchrom, Gesamtbrom und das Screening von weiteren Halogenen bereitstellen. Darüber hinaus haben eine Reihe von Technischen Komitees der IEC Normen erarbeitet, die Kriterien zur Begrenzung der Menge an Halogenen in Anwendungen enthalten, bei denen die Sicherheit im Brandfall gewährleistet sein muss, wie beispielsweise bei elektrischen Kabeln.


Baum wächst auf Computerplatine
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Normungsgremium DKE/K 191 Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei Produkten in der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik

Im Normungsgremium werden Querschnittsnormen und Leitfäden zur umweltgerechten Gestaltung von Produkten der Elektrotechnik und Elektronik erarbeitet. Einen Schwerpunkt bilden hierbei Normen und Standards zur Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Auch das Thema „Re-use“, also die Behandlung von Elektronik-Altgeräten, welche für eine weitere Verwendung vorgesehen sind, wird von den Experten des Gremiums diskutiert.

Zum Normunsgremium DKE/K 191

Halogene in der Kreislaufwirtschaft: Entsorgung und Recycling

Die Entsorgung von halogenierten Stoffen erfordert eine sorgfältige Planung und strenge Überwachung, um Umwelt- und Gesundheitsrisiken zu minimieren. Bedenken gelten vor allem für Länder, in denen die Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten nicht ausreichend geregelt ist. Bei der Entsorgung sind unter anderem folgende Punkte zu beachten:

  • Getrennte Sammlung: Elektro- und Elektronikschrott sollte getrennt gesammelt werden, um sicherzustellen, dass halogenierte Stoffe adäquat behandelt werden. Hierbei ist auch darauf zu achten, dass kontaminierte Materialien nicht wieder in den Stoffkreislauf gelangen.
  • Thermische Behandlung: Viele halogenierte Stoffe werden durch hohe Temperaturen zerstört. Da bei der Verbrennung wiederum toxische Halogenverbindungen entstehen können, ist es wichtig, dass solche Prozesse mit geeigneten Abgasreinigungssystemen durchgeführt werden.
  • Sichere Lagerung: Bis zur endgültigen Entsorgung sollten halogenierte Stoffe sicher gelagert werden, um Leckagen und Emissionen zu verhindern. In jüngster Vergangenheit sind Halogene angesichts der sich abzeichnenden Ressourcenknappheit und der zunehmenden Aufmerksamkeit, die dem Recycling, besonders dem von Kunststoffen, geschenkt wird, auf den Prüfstand gekommen. In Europa wurden Gesetze erlassen, die die Verwendung halogenierter Flammschutzmitteln in bestimmten Kunststoffen, wie etwa in den Gehäusen von elektronischen Displays, einschränken.

Halogene in Stoffkreisläufen und kontaminierte Materialien

Halogenierte Materialien müssen auch im Hinblick auf die Rückgewinnung von Rohstoffen besonders behandelt werden. Im Sinne der Circular Economy ist eine einheitliche und korrekte Deklaration des Halogengehalts in Werkstoffen besonders wichtig, um halogenhaltige und halogenfreie Abfälle zu trennen. Nur so kann eine Rückführung von Materialien in den Stoffkreislauf als möglichst hochwertige Sekundärrohstoffe gelingen, welche die gesetzlichen Grenzwerte einhalten.

Wie geschlossene Stoffkreisläufe gelingen können, wird innerhalb der Normungsroadmap Circular Economy, die gemeinsam mit ExpertInnen und Experten von DIN, DKE und VDI erarbeitet wurde, für verschiedene Sektoren beschrieben.

Digitaler Produktpass erleichtert Informationsaustausch

Ein standardisierter Digitaler Produktpass ist bei diesem Vorhaben eine effiziente Hilfestellung. Damit können Hersteller, Anwender und Entsorger im Produktkreislauf unkompliziert und schnell einsehen, ob deklarationspflichtige Stoffe in einem Produkt enthalten sind und entsprechend recyclebare und nicht-recyclebare Materialien voneinander trennen.

Der Digitale Produktpass ersetzt bestehende Insellösungen zum Informationsaustausch über enthaltene Materialien und unterstützt auf diese Weise langfristig die industrielle Kreislaufwirtschaft. Auch hier arbeiten DKE und DIN eng miteinander zusammen, um mittels Normen und Standards die weitere Entwicklung voranzutreiben.


Digitaler Produktpass

Digitaler Produktpass

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Digitaler Produktpass: Digitalisierung und Circular Economy durch standardisierte Daten

Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben. In der Welt der industriellen Produktion wurde dies bereits frühzeitig erkannt, sodass zahlreiche Entwicklungen vorangetrieben wurden, auch auf normativer Ebene. Eine Ausprägung ist der Digitale Produktpass, mit dem über digitale und standardisierte Informationen der nächste Schritt gemacht wird und der langfristig die industrielle Circular Economy unterstützt.

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Normungsarbeit ermöglicht zukunftsfähigen Umgang mit Halogenen

Halogene als Ganzes können nicht als ausschließlich besorgniserregend eingestuft werden Vielmehr bedarf es einer differenzierten Betrachtung von halogenierten Materialien auf Grundlage eines wissenschaftlich fundierten Ansatzes. Basierend hierauf können diese dann in spezifische Risikogruppen unterteilt werden

Das Gremium DKE/K 135 „Erfassung von Stoffen in Produkten der Elektrotechnik“ als ein nationales Spiegelgremium von IEC/TC 111 beteiligt sich federführend an diesem Prozess. Die Erarbeitung gemeinsamer Normen und Standards für Halogene funktioniert aber nur in Zusammenarbeit mit anderen Gremien und Expert*innen verschiedener Branchen.

Das Bewusstsein für die Schwierigkeiten im Umgang mit Halogenen muss in allen betroffenen Industrien geschärft werden, damit die wichtigen Akteure weltweit in entsprechende Maßnahmen mit einbezogen werden.

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

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