Elektrizitätswirtschaft mit Elektroingenieur, der virtuelle Bedienfeldpressen zu „Smart Grid“ verwendet
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27.11.2023 Fachinformation

Smart Grid: Intelligentes Stromnetz für die Energiewende

Smart Grids sind intelligente Stromnetze, die regelbasiert und automatisch für die Netzstabilität sorgen. Für das Gelingen der Energiewende sind sie deshalb unverzichtbar. Entsprechend hoch ist auch ihre Bedeutung in der Normung. Um die künftige Energieversorgung zu gewährleisten, arbeiten Expertinnen und Experten auf nationaler und internationaler Ebene eng zusammen.

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Sebastian Kosslers
Zuständiges Gremium

Ein Smart Grid, auch „intelligentes Stromnetz“ genannt, ist ein modernes und hoch entwickeltes Stromversorgungssystem. Es integriert fortschrittliche Technologien, Kommunikationsnetze und Steuerungsstrategien, um die Effizienz, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Stromnetzes zu verbessern. 

Das Ziel eines Smart Grids ist die Transformation der herkömmlichen Stromversorgung in ein modernes, flexibles und adaptives Netzwerk, das den aktuellen und zukünftigen Anforderungen an eine nachhaltige und effiziente Energieversorgung aus erneuerbaren Energien gerecht wird. Dies kann sowohl den Verbraucher*innen, der Umwelt als auch den Energieversorgern erhebliche Vorteile bringen. Die Integration von verschiedenen Technologien und Systemen in Smart Grids erfordert standardisierte Protokolle und Schnittstellen, um reibungslos zu funktionieren. Normen und Standards für eben diese Schnittstellen zu entwickeln, ist die Aufgabe der Expertinnen und Experten bei der DKE.

Was ist ein Smart Grid?

Intelligente Stromnetze setzen digitale Technologien ein, um automatisch Stromspitzen abzufedern, Überkapazitäten zu speichern und diese bei Bedarf wieder abzurufen. Ein Smart Grid ist also ein klügeres und effizienter arbeitendes Stromnetz, das Informationen über den Stromfluss in Echtzeit sammelt und verwendet. Diese Informationen helfen dabei, den Stromverbrauch besser zu steuern, Engpässe zu vermeiden, erneuerbare Energiequellen, wie Solar- und Windkraft, effizienter zu integrieren und letztendlich die Kosten für Stromkunden zu senken. Es ist damit im Wesentlichen eine modernere und technologisch fortschrittlichere Version des traditionellen Stromnetzes.

Was unterscheidet Smart Grid & traditionelles Stromnetz?

Das klassische Stromversorgungsmodell gleicht einer Einbahnstraße: Kraftwerke erzeugen Energie für eine bestimmte Region, die Netze übertragen diese Energie zu den Verbrauchenden. Das alte Modell funktionierte gut für Energiequellen, wie Atomkraft und fossile Energie, also Kohle, Erdgas und Öl, da es ausschließlich für den Energietransport zuständig war.

Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 1998 und seine Erweiterungen mussten die Versorger Ökostrom von Wind-, Solar- und Biogasanlagen mit Priorität in diese Netze einspeisen. Statt wenigen großen Energieerzeugern waren plötzlich viele kleine Kraftwerke mit schwankenden Energiemengen zu berücksichtigen. Heutzutage sollen zudem weitere Sektoren wie Gebäude-Heizung und Verkehr von Gas, Öl und Benzin auf Strom umgestellt werden, was die bisherigen Stromnetze teilweise an ihre Grenzen bringt.

Smart Grids gehen diese Herausforderung an: Um die Energieversorgung zu gewährleisten, muss dazu an jeder Erzeugungs- und Verbrauchsstelle exakt gemessen werden, wer wann wie viel verbraucht oder erzeugt. Mit diesen Daten soll ein intelligentes Netz in der Lage sein, selbständig den Stromfluss so zu regeln, dass weder Engpässe noch Überkapazitäten entstehen. Verschiedene neue Bausteine, wie die Möglichkeit des bidirektionalen Ladens, befinden sich aktuell in der Entwicklung, um das Stromnetz völlig neu aufzustellen.

Technische Voraussetzung für Smart Grid: Smart Meter & Stromspeicher

Am wichtigsten für die Funktion sind die sogenannten Smart Meter, intelligente Stromzähler, die laut gesetzlichen Vorgaben bis 2032 unsere bisherigen Stromzähler ersetzen sollen. Ihre Fähigkeiten gehen über die bloße Erfassung des Stromverbrauchs und der eingespeisten Strommenge weit hinaus. Sie erfassen auch Spannungsausfälle, Verbrauchsdaten und weitere wichtige Informationen. Dies ermöglicht es den Netzbetreibern, die Erzeugung, die Netzbelastung und den Verbrauch zeitnah und weitgehend automatisiert aufeinander abzustimmen.

Eine weitere Voraussetzung intelligenter Stromnetze ist die Verfügbarkeit von Speicherkapazität: Stromspeicher müssen bei einem Energieüberschuss Strom aufnehmen und bei Bedarf schnell wieder abgeben. In einigen Smart-Grid-Pilotprojekten in Deutschland wurden dazu Hausbatterien verwendet. Auch E-Autos können in Zukunft als schnelle Zwischenspeicher genutzt werden, wenn sie für das bidirektionale Laden geeignet sind.

Diese Vorteile bieten Smart Grids

Die Anstrengung, das Stromnetz komplett umzubauen und zum Smart Grid zu erweitern, hat viele Vorteile und soll langfristig für preiswerteren Strom sorgen: 

  1. Energieeffizienz durch Optimierung der Energieverteilung
  2. Integration erneuerbarer Energien: nahtlose Integration von erneuerbaren Energiequellen wie Sonnen- und Windenergie.
  3. Bessere Versorgungssicherheit: schnellere Reaktion auf Störungen & Verkürzung der Wiederherstellungszeit nach Ausfällen.
  4. Optimiertes Lastmanagement verhindert Überlastungen und hält die Netzstabilität aufrecht.
  5. Verbraucher-Empowerment: Echtzeitinformationen können das Energiesparverhalten anregen.

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Smart Grid Architecture Model (SGAM): Smart Grid Use Cases modellieren

Das Smart Grid Architecture Model ist ein Rahmenwerk, das speziell für die Planung, Entwicklung und Analyse von Smart Grids entwickelt wurde. Es bietet eine strukturierte Methode zur Beschreibung, Entwicklung und Bewertung der Architektur intelligenter Stromnetze (Smart Grids). Das SGAM wird häufig verwendet, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Komponenten und Systeme innerhalb eines Smart Grids nahtlos zusammenarbeiten und interoperabel sind.

Das SGAM teilt das Smart Grid fünf Ebenen sowie in verschiedene Domänen (Erzeugung, Übertragung, Verteilung, Speicherung und Nutzung) und Zonen (Prozess, Feld, Station, Betriebssteuerung, Unternehmenssteuerung, Markt) ein. Diese Struktur hilft bei der detaillierten Analyse und Planung der Interaktionen und Schnittstellen innerhalb des Netzes. Es unterstützt damit die Modellierung und Analyse spezifischer Anwendungsfälle (Use Cases) innerhalb des Smart Grids. Dies erleichtert das Verständnis der Anforderungen und ermöglicht die gezielte Entwicklung und Implementierung von Lösungen. Das SGAM fördert außerdem die Einhaltung internationaler Standards und Normen, was die Kompatibilität und Integration verschiedener Technologien und Systeme erleichtert.

Fünf Ebenen des SGAM

Das SGAM umfasst fünf Ebenen, die zusammen eine umfassende und strukturierte Darstellung der Architektur eines Smart Grids bilden. Jede Ebene fokussiert sich auf unterschiedliche Aspekte und trägt dazu bei, dass das Gesamtsystem effizient, interoperabel und sicher funktioniert.

  1. Business Layer: Beschreibt Geschäftsprozesse, Dienstleistungen und regulatorische Rahmenbedingungen.
  2. Function Layer: Stellt die funktionalen Anforderungen und Use Cases dar.
  3. Information Layer: Beinhaltet Datenmodelle und Informationsflüsse.
  4. Communication Layer: Definiert Kommunikationsprotokolle und Netzwerke.
  5. Component Layer: Umfasst physische Geräte und Systeme, wie Sensoren, Aktoren, Steuerungssysteme und IT-Infrastruktur.

Das nachfolgende Praxisbeispiel verdeutlicht die Funktion und Bedeutung der einzelnen Ebenen. Als Use Case dient die Integration einer Smart-Grid-fähigen Wallbox im Privathaushalt. Der Use Case wird aus Sicht des Wallbox-Herstellers betrachtet. Es wird ersichtlich, welche Fragen sich ein Wallbox-Hersteller stellen und welche Aspekte er im jeweiligen Kontext beachten sollte. 

Die fünf Schichten im SGAM

Die fünf Schichten im SGAM

| DKE

Herausforderungen bei der Umstellung auf Smart Grids

Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zum Smart Grid ist die Tatsache, dass ein intelligentes Stromnetz nicht einfach neben dem vorhandenen Stromnetz neu aufgebaut werden kann. Das bestehende Netz muss während des Betriebes umgebaut werden – ein ähnlich heikles Unterfangen wie eine OP am offenen Herz. Diese Aspekte bergen Risiken, die bei dem Umbau zum „intelligenten Stromnetz“ berücksichtigt werden müssen.

Sicherheit und Zuverlässigkeit stehen hier an erster Stelle: Die Vernetzung und Automatisierung von Smart Grids erhöht durch die neue Flexibilität die Resilienz gegenüber Cyberangriffen. Die Sicherheit der Infrastruktur ist dabei ein andauernder Prozess und muss daher ständig verbessert werden.

Der Umbau zum Smart Grid kommt auch nicht umsonst. Die Implementierung von Smart Grids erfordert erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und Technologie. Dies kann für Energieversorger und Verbraucher*innen kostenintensiv sein.

Fragen des Datenschutzes stellen einen weiteren Baustein dar: Die Erfassung und Übertragung von Verbrauchsdaten durch Smart Meter muss Datenschutzfragen berücksichtigen, die sorgfältig behandelt werden müssen, um die Privatsphäre der Verbraucher*innen zu schützen und die Akzeptanz zu erhöhen.

Die Einführung von Smart Grids erfordert die Zusammenarbeit aller Beteiligten, einschließlich der Energieversorger, Regulierungsbehörden, Datenschutzbeauftragten, der Industrie, der Forschung und Privathaushalte. Diese Akzeptanz und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit trifft man in den Expertengruppen der Normung an.

Smarter Grid mit künstlicher Intelligenz?

Die Smart-Grid-Systeme verwenden tatsächlich fortschrittliche Algorithmen und Datenanalysen, um Engpässe vorherzusagen, bevor sie auftreten. Auf Grundlage dieser Vorhersagen kann das System automatisch Maßnahmen ergreifen, um die Engpässe zu verhindern oder zu reduzieren. Während des Smart-Grid-Betriebs sollen auch speziell trainierte KIs eingesetzt werden, etwa für Stromproduktions-Prognosen auf Basis der Wetterdaten und Verbrauchsdaten, die für die Stromproduktion immer wichtiger werden.

Ein weiteres Feld, wo Künstliche Intelligenz in der Energietechnik zum Einsatz kommen soll, heißt Predictive Maintanance: Anhand von Datenmodellen verschiedener Hardware-Komponenten im Netz können speziell trainierte KIs errechnen, wann ein Teil ausgetauscht werden sollte, noch bevor es ausfällt. KI kann in automatisierten Systemen eingesetzt werden, um den Stromfluss und die Netzstabilität zu optimieren. Sie kann Entscheidungen zur Redispatch von Energieerzeugern, Schaltvorgänge und anderen Aktionen in Echtzeit treffen, um Engpässe zu beheben. Der Knackpunkt ist hier aber, dass diese KIs erst für diese Aufgaben trainiert werden müssen, um Fehleinschätzungen zu vermeiden. Aufgrund der wenigen Erfahrungswerte dauert das Training der KIs somit noch eine Weile.


Mit positiver Energie vernetzen wir Menschen und Technologien.

Die All Electric Society steht am Horizont aller Überlegungen einer erfolgreichen Energiewende und beschreibt die Vision einer CO2-neutralen und nachhaltigen Welt. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse decken den Energiebedarf; auf fossilen Energieträgern basierende Technologien werden elektrifiziert. Die DKE hat sich dem Zukunftsbild einer All Electric Society verschrieben. Unsere Normungsgremien leisten hierbei eine wesentliche Grundlage für sichere, interoperable und vernetzte Technologien.

Mehr zur All Electric Society

Normungsaktivitäten: neue Normen für intelligente Netze

Bereits seit mehr als zehn Jahren sind in mehreren Smart-Grid-Pilotprojekten in Deutschland Erfahrungen gesammelt worden, wie sich ein Smart Grid am besten errichten und betreiben lässt. Diese Erfahrungswerte fließen in die Arbeit der Normungsgremien ein: Aus realen Use Cases entstehen Anforderungen an Normen. Sie werden mit bereits bestehendem Material abgeglichen, um Normungslücken zu identifizieren. Die Vorarbeit ermöglicht es Expert*innen, in strukturierten Projekten Standards in einem bestimmten Bereich zu entwickeln, zu überarbeiten oder zu aktualisieren.

Um den Anforderungen und Herausforderungen gerecht zu werden, müssen alle Akteure im Smart Grid auf der Grundlage derselben Schnittstellen und Protokolle arbeiten. Dafür gibt es bei der DKE mehrere Gremien, die sich um die Ausarbeitung dieser Normen kümmern.

Normungsgremium DKE/K 901: Das Gremium DKE/K 901 „Smart Energy“ Systemkomitee fungiert als nationales Gremium, das die Arbeit des internationalen IEC/System Committee „Smart Energy“ spiegelt. Im Auftrag des Technischen Beirats Internationale und National Koordinierung (TBINK) koordiniert das Systemkomitee die nationale Normungsarbeit im Bereich „Smart Energy“. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit anderen relevanten Normungsgremien und Organisationen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Das Ziel besteht darin, das Thema „Smart Energy“ strategisch, konzeptionell und organisatorisch voranzutreiben.

Normungsgremium DKE/K 952: Das Gremium DKE/K 952 „Netzleittechnik“ ist zuständig für die Erarbeitung von Normen für Einrichtungen und Systeme der Netzleittechnik, wie EMS und SCADA, zur Planung, Betriebsführung und Instandhaltung von Elektrizitätsversorgungssystemen. Dies umfasst die Steuerung und Überwachung in Netzleitstellen und Energienetz-Stationen sowie Schnittstellen zu externen Einrichtungen und Datenbanken. Das Normungsgremium DKE/K 952 veröffentlicht die Normen IEC 61850, IEC 62351 und IEC 61970:

  • Normenreihe IEC 61850 als zentrale Norm für das Smart Grid
  • Normenreihe IEC 62351 als Norm für die Cybersecurity in der Energieversorgung
  • Normenreihe IEC 61970 als Norm der Programmierschnittstelle für Energiemanagementsysteme sowie zur Überleitung zum CIM

Ein Ausblick zu Smart Grids und zukünftige Normung

Energieverfügbarkeit ist ein globales Thema, das weit in die Zukunft reicht. Der Betrieb von Smart Grids, ihr Aufbau und auch die Normung, die damit einhergeht, hängen eng mit anderen Entwicklungen zusammen, zum Beispiel mit der wachsenden Zahl von PV-Anlagen, mit Fragen zur Integration von Energiespeichersystemen oder mit dem erhöhten Energiebedarf durch wachsende Elektromobilität.

In dem Zuge beschreiben Smart-Grid-Normen dringend notwendige Anforderungen an Schnittstellen und Protokolle, die zukünftige Produkte und Services ermöglichen sollen. Deshalb engagieren sich heute Vertreter*innen der Energieversorger, Regulierungsbehörden, Datenschutzbeauftragten, der Industrie, der Forschung und der Verbraucher in der Normung, um für zukünftige Produkte und Services die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und Investitionen von morgen schon heute zu sichern.

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

Zum VDE VERLAG

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