Familie sieht sich ein Fußballspiel auf der Couch im Fernsehen an und feiert ein Tor
haizon / stock.adobe.com
24.05.2023 Fachinformation

Neue Energieeffizienz-Höchstwerte gefährden technische Innovationen bei elektronischen Displays

Zum 1. März 2023 ist die zweite Stufe der EU-Ökodesign-Verordnung in Kraft getreten. Mit dieser Änderung kommt es de facto zu einem Verkaufsverbot für elektronische Displays mit einer 8K-Auflösung bzw. Micro-LEDs. Hintergrund: Laut Gesetzgeber ist der Energieverbrauch dieser Geräte zu hoch.

Hersteller haben jedoch eine Lösung gefunden, wie sie betroffene Geräte in den Handel bringen können – und bewegen sich damit in einer Grauzone.

Kontakt
Gerhard Henninger
Zuständiges Gremium
Verwandte VDE Themen

Alle Geräte, die mit einem elektronischen Display in den Handel kommen, unterliegen seit dem 1. März 2023 strengeren EU-Regeln zur Energieeffizienz. Hierzu gehören unter anderem Fernsehgeräte, Monitore, Smartphones und Tablets. Die Konsequenz: Betroffene Modelle dürfen seit diesem Stichtag nicht mehr in der EU vertrieben werden.

Diese neuen Festlegungen sind Teil der Europäischen Ökodesign-Verordnung, mit der die EU mehr Nachhaltigkeit und weitere Anreize für die Entwicklung energiesparender Technik fördern möchte. Die Intention der EU ist positiv zu bewerten; Hersteller und Verbände üben jedoch Kritik, da die Energieeffizienz-Höchstwerte mit hochauflösenden Displays nicht einzuhalten seien. Es stellt sich bei näherer Betrachtung jedoch die Frage, ob diese Ziele mit den richtigen Mitteln erreicht werden.

Neues Energielabel für bessere Vergleichbarkeit des Energieverbrauchs

Energieeffizienz-Skala

Energieeffizienz-Skala

| DKE

Neue Elektrogeräte werden mit dem Energieeffizienz-Label versehen. Es soll aufzeigen, wie viel Energie das jeweilige Gerät verbraucht bzw. wie energieeffizient es im Vergleich zu anderen Geräten seiner Klasse ist. Die Einstufung erfolgt über eine Energieeffizienz-Skala und farbliche Unterscheidungen:

  • Grün: geringer Energieverbrauch
  • Gelb/Orange: mittlerer Energieverbrauch
  • Rot: hoher Energieverbrauch

Die ursprüngliche Energieeffizienz-Skala aus dem Jahr 1995 wurde im Laufe der Zeit immer weiter angepasst, nachdem zunehmend mehr Elektrogeräte in die Kategorie A eingestuft wurden. Um neue Anreize für technologischen Fortschritt und mehr Energieeffizienz zu schaffen, wurde die Kategorie A um Plus-Zeichen ergänzt. Die überarbeitete Energieeffizienz-Skala erfüllte über viele Jahre ihren Zweck, stieß aber im Laufe der Zeit erneut an ihre Grenzen.

Die bereits 2021 beschlossene zweite Stufe der Änderungen für das Energieeffizienz-Label war erforderlich, damit Verbraucherinnen und Verbraucher neue Elektrogeräte hinsichtlich ihrer Energieeffizienz bzw. ihres Energieverbrauchs zukünftig wieder besser und einfacher voneinander unterscheiden und miteinander vergleichen zu können. Gleichzeitig wurden die Anforderungen so definiert, dass die Kategorien A und B zunächst frei sind und eine Einstufung von Elektrogeräten in diese Kategorien erst möglich ist, wenn technische Weiterentwicklungen stattfinden.

Ein Problem bei dieser Vorgehensweise: Der Großteil moderner Fernsehgeräte fällt in die Kategorie G – und somit in die schlechteste Kategorie der Energieeffizienz-Skala. Ein direkter Vergleich zwischen einzelnen Modellen ist über die Kategorien somit nicht möglich. Anhaltspunkte für Kaufentscheidungen bietet lediglich die die Angabe des Energieverbrauchs (in Kilowattstunden) bei 1.000 Betriebsstunden und der Angabe für den Energieverbrauch im kontrastreicheren HDR-Betrieb.


DKE Newsletter-Seitenbild
sdx15 / stock.adobe.com

Mit unserem DKE Newsletter sind Sie immer top informiert! Monatlich ...

  • fassen wir die wichtigsten Entwicklungen in der Normung kurz zusammen
  • berichten wir über aktuelle Arbeitsergebnisse, Publikationen und Entwürfe
  • informieren wir Sie bereits frühzeitig über zukünftige Veranstaltungen
Ich möchte den DKE Newsletter erhalten!

Höhere Bildqualität führt zu steigendem Energieverbrauch

Seit vielen Jahren setzen sich neue und komplexere Techniken für eine höhere Bildqualität am Markt durch. Alle Fernsehgeräte in wohnzimmertauglichen Display-Größen (bis zu 65 Zoll Bildschirmdiagonale) zeigen die Bilder und Inhalte im 4K-Format, was der vierfachen Anzahl an Pixeln (Auflösung) im Vergleich zur Full-HD-Auflösung entspricht.

Die Nutzung von HDR (High Dynamic Range; erweiterter Kontrastumfang) erfordert darüber hinaus höhere Spitzenhelligkeiten. Größere Displays und kontrastreichere Darstellungen führen folglich zu einem höheren Energieverbrauch, was durch Steigerungen der Energieeffizienz bei Displays und der Steuerelektronik allerdings nur teilweise kompensiert werden kann.

Ein geringerer Energieverbrauch bei gleichzeitig technologischer Weiterentwicklung von elektronischen Displays ist vorerst somit nicht zu erwarten – und damit auch nicht die Einstufung in eine höhere Kategorie auf der Energieeffizienz-Skala.

Höhere Anforderungen an die Energieeffizienz elektronischer Displays

Mit der zweiten Stufe der Ökodesign-Verordnung vom 1. März 2023 wurden neue Energieeffizienz-Höchstwerte für den Ein-Zustand elektronischer Displays bei Geräten mit einer 8K-Auflösung und für Micro-LED-Geräte festgelegt.

Bisher galt für elektronische Displays ein maximaler Energieeffizienz-Indexwert (EEI) für die Leistungsaufnahme im Ein-Zustand der Geräte von 1,1, um die Geräte in der EU in den Verkehr zu bringen. Die neuen Anforderungen verschärfen diesen Wert auf 0,9 und legen fest, dass dieser auch für Geräte mit Auflösungen über 4K gilt – und damit auch für bereits im Markt erhältliche 8K-Fernsehgeräte und Micro-LED-Geräte.

Der Energieeffizienz-Index berücksichtigt die Display-Größe und die Leuchtdichte (Helligkeit des Bildschirms) mittels einer speziellen Formel. Diese EEI-Formel basiert jedoch auf eingeschränkten Daten aus den Jahren 2012 und 2017. Das ist insofern problematisch, weil sich die 4K-Technologie erst später entwickelt und durchgesetzt hat. Bei der 8K-Technologie bzw. bei Micro-LED-Geräten kamen die ersten Geräte sogar erst 2018 bzw. 2022 auf den Markt.

Die europäische Produktdatenbank European Product Registry for Energy Labelling (EPREL) führt alle energieverbrauchsrelevanten Produkte auf, die ein Energieeffizienz-Label tragen. Hersteller müssen ihre Produkte, bevor sie in Europa in Verkehr gebracht werden, in diese Datenbank eintragen. Die in der EPREL-Datenbank aufgeführten Geräte mit 8K-Auflösung bzw. Micro-LEDs werden die neuen Anforderungen der Ökodesign-Richtline für elektronische Displays nicht erfüllen.

Eine Differenzierung der Höchstwerte für die unterschiedlichen Auflösungen elektronischer Displays erscheint deshalb zielführender. In der Ökodesign-Verordnung wird diese Vorgehensweise jedoch nicht berücksichtigt – sowohl Hersteller als auch Verbände haben bereits Kritik geäußert.

Nach aktuellem Stand erfüllen etwa 70 Prozent der Geräte mit einer Auflösung von 4K oder höher nicht die neuen Anforderungen der Ökodesign-Verordnung. Nur wenige der in der EPREL-Datenbank aufgeführten Modelle entsprechen den Vorgaben, werden aber dennoch überwiegend in die Energieeffizienz-Klasse G eingestuft. Um die neuen Anforderungen an die Energieeffizienz-Höchstwerte zu erfüllen, wäre eine Reduzierung des Energieverbrauchs um etwa 40-50 Prozent erforderlich. Faktisch kämen die neuen zulässigen Höchstwerte für 8K-Geräte und Micro-LED-Geräte damit einem vollständigen Verkaufsverbot gleich, womit außerdem eine Blockierung bei Display-Innovationen und ihrer Nutzung in Europa einhergehen würde.

Im Vergleich zu Ländern außerhalb der EU besteht daher die Gefahr, den technologischen Anschluss zu verpassen. Eine weitere (und damit im Zusammenhang stehende) Folge wäre möglicherweise die Beeinträchtigung europäischer Arbeitsplätze bei Herstellern, Zulieferern, Händlern etc.

Hersteller bzw. Herstellerverbände empfehlen deshalb, die neuen geforderten Höchstwerte für Geräte mit 8K-Auflösung und Micro-LEDs so lange auszusetzen, bis eine rechtlich vorgesehene Überprüfung nach Artikel 8 der EU-Verordnung 2019/2021 erfolgt und abgeschlossen ist. Im Artikel 8 ist festgeschrieben, dass die EU-Kommission die Ökodesign-Verordnung vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts überprüft.

Keine Sonderrechte mehr für die Bewertung der Energieeffizienz von OLED-Displays

OLED-Displays waren bisher privilegiert: Ihre Energieeffizienz wurde mit einem Korrekturfaktor berechnet. Mehr Helligkeit und kontrastreichere Bilder führen zu höheren Verbrauchswerten, die entsprechend berücksichtigt wurden. Diese Möglichkeit entfällt seit dem 1. März 2023 – für OLED-Displays und LCD-Displays gelten fortan gleiche Bedingungen, ebenso für Fernseher mit einer Auflösung von 8K und für solche mit Micro-LEDs.

Kritiker der 8K-Technologie verweisen darauf, dass es bisher noch gar keine adäquaten Inhalte für diese ultrafeine Darstellungstechnik gibt – abgesehen von Videos und Inhalten von professionellen Foto- und Videokameras. Anders ausgedrückt: TV-Sendestationen übertragen 921.600 Bildpunkte je Einzelbild. Fernsehgeräte mit einer 8K-Auflösung können allerdings mehr als 33 Millionen Bildpunkte je Einzelbild darstellen. Eine 8K-Auflösung entspricht heute noch der Luxusklasse mit bisher nur sehr geringen Verkaufszahlen.


Gruene Technologie Design
willyam / stock.adobe.com

Ökodesign-Richtlinie: mehr Ressourceneffizienz und ein Recht auf Reparatur

Das bunte Label mit den Energieeffizienzklassen für Elektrogeräte wird von Verbraucher*innen leicht verstanden. Seit 2005 sorgt eine EU-Rahmenrichtlinie, die vielen als Ökodesign-Richtlinie geläufig ist, systematisch für die Erhöhung von Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit. Sie legt die Grundlage für zahlreiche Durchführungsverordnungen.

Zur Fachinformation

Hersteller mit Balanceakt an den Grenzen des Zulässigen

Die Verfahren zur Index-Ermittlung schreiben vor, dass die Bildschirme bei der Verbrauchsmessung mit 65 Prozent ihrer maximalen Helligkeit betrieben werden, mindestens aber mit 220 Nits – einem Wert, der für die Leuchtdichte steht, und der für Fernsehen bei Tageslicht viel zu dunkel ist. Hersteller haben aber bereits einen Weg gefunden, um die Energievorgaben der EU für entsprechende Geräte zu erfüllen.

Die vermeintliche Lösung sieht aktuell so aus, dass betroffene Geräte mit energiesparenden Economy-Voreinstellungen ausgeliefert werden. Kund*innen können den energiesparenden Modus zu Hause allerdings überschreiben und Einstellungen wählen, die eine hellere Bildfläche erzeugen – was wiederum den Energieverbrach erhöht und somit dem Vorhaben der EU entgegensteht.

Dieser Umstand zeigt das zwischen EU-Regulierung und technischer Innovation vorhandene Spannungsfeld mit der generellen Herausforderung, einen möglichst guten Kompromiss zu finden zwischen regulatorischen Anforderungen und technischer Machbarkeit – mit der Maßgabe, die Entwicklungen zukunftsweisender Technik nicht zu beeinträchtigen oder gar zu verhindern.

EU-Kommission beauftragt CENELEC mit zwölf harmonisierten Standards

In Bezug auf die neuen Ökodesign-Anforderungen für elektronische Displays zur Erfüllung der Ökodesign-Verordnung 2019/2021 hat die EU-Kommission im Dezember 2022 bei der europäischen Normungsorganisation CENELEC einen Antrag gestellt, zwölf harmonisierte Standards (Europäische Normen) innerhalb von 27 Monaten neu zu erstellen bzw. bereits existierende Standards zu überarbeiten. Die Frist von 27 Monaten beginnt, nachdem der entsprechende Normungsantrag von den europäischen Normungsorganisationen angenommen wurde.

Zuständig für die Umsetzung sind die Technischen Komittees CLC/TC100X „Audio, video and multimedia systems and equipment and related sub-systems“ und CLC/TC59X „Performance of household and similar electrical appliances”. Weiterhin wird diesbezüglich eine Konsultierung der Expertise des Gemeinschaftskomittees CEN-CLC/JTC10 „Material efficiency aspects for products in scope of Ecodesign legislation” in Erwägung gezogen.

Überarbeitet und ergänzt werden müssen in erster Linie die existierenden Standards EN IEC 62087:2022 „Audio-, Video- und verwandte Geräte – Messverfahren für die Leistungsaufnahme (Teile 1, 2, 3, 7)“ und EN 50643:2018 „Elektrische und elektronische Haushalts- und Bürogeräte – Messung der Leistungsaufnahme im vernetzten Bereitschaftsbetrieb von Geräten am Netzwerkrand“.

Die genannten Normen legen insbesondere Anforderungen fest für die Bestimmung der jeweiligen Leistungsaufnahme in den verschiedenen Betriebsarten (wie z. B. „Ein“ (betriebsbereit), „Aus“ (nicht betriebsbereit) und „Stand-by“ (Bereitschaftsmodus)). Die Anforderungen an den „Ein-Zustand“ ändern sich mit den neuen Festlegungen vom 1. März 2023 und müssen entsprechend überarbeitet werden.

Weiterhin werden Messverfahren für die Bestimmung der Leistungsaufnahme in der Betriebsart „Ein“ bei der Anzeige von repräsentativem HDR-Videoinhalt mit statischen Metadaten definiert, die überprüft und ggf. auch angepasst werden müssen.

Es wird erwartet, dass die Normungsarbeiten im 3. Quartal 2023 beginnen und erste Ergebnisse Ende 2023 bis Anfang 2024 vorliegen werden. Es zeigt sich aber schon heute: Auf die Expertinnen und Experten in der Normung wartet viel Arbeit, vor allem im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen regulatorischen Anforderungen, technischen Innovationen und dem aktuellen Stand der Technik.


Interessiert an weiteren Inhalten zu Home & Building?

Fokusbild Home & Building

Bei Home & Building geht es um die Integration und Nutzung von Informations- und Telekommunikationstechnologien in der heimischen Umgebung, die eine neue Erfahrungswelt ermöglichen und bekannte Aktivitäten bei Unterhaltung, Komfort, Energiemanagement, Sicherheit und Gesundheit kosteneffizienter oder bequemer machen. Weitere Inhalte zu diesem Fachgebiet finden Sie im

DKE Arbeitsfeld Home & Building

Relevante News und Hinweise zu Normen