- Was ist das "Recht auf Reparatur" und welche unterschiedlichen Konzepte beeinflussen dieses?
- Was bedeutet das neue Recht für Hersteller von Elektrogeräten und Verbraucher?
- Wo ist die Normung aktiv und was müssen Gremien berücksichtigen?
Recht auf Reparatur: Meilenstein für Verbraucher, Hersteller und Umwelt
Das Recht auf Reparatur baut eine Brücke zwischen Verbrauchern, Herstellern und Reparaturdienstleistern. Es fördert eine nachhaltigere Konsum- und Produktionsweise. Dies steht im Einklang mit den Zielen des europäischen Grünen Deals und der Agenda für eine kreislauforientierte Wirtschaft, welche die Reduzierung von Abfall und die Förderung von Recycling und Wiederverwendung von Produkten generell und von Elektrogeräten im Speziellen vorantreiben.
Elektroschrott minimieren durch längere Nutzungszeiten von Elektrogeräten
Denn die Europäische Union steht vor einer wachsenden Herausforderung: dem stetig zunehmenden Elektroschrott; wobei ein großer Teil dieser Elektrogeräte noch reparierbar wäre. Im Jahr 2021 betrug das global erfasste Elektroschrott-Volumen etwa 54,4 Millionen Tonnen. In der Europäischen Union wurden im Jahr 2021 durchschnittlich etwa elf Kilogramm Elektroschrott pro Einwohner gesammelt. Eine besondere Herausforderung bei der Behandlung von Elektroschrott sind die darin enthaltenen toxischen Substanzen wie Blei und Quecksilber, die bei unsachgemäßer Entsorgung erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken darstellen können. China, die USA und Indien gehören zu den größten Produzenten von Elektroschrott. Europa ist bei den Recyclingraten führend vor Asien und Amerika. Gleichwohl ist die Verschwendung von Ressourcen und die Belastung für die Umwelt volkswirtschaftlich nicht mehr zu vertreten. Die Einführung des Rechts auf Reparatur zielt darauf ab, diesem Trend entgegenzuwirken.
Neue EU-Ökodesign-Richtlinie zur Reparierbarkeit
Bereits 2021 hatte die Europäische Union neue Ökodesign-Regeln eingeführt, die Hersteller dazu verpflichten, Produkte langlebiger zu gestalten und die Reparierbarkeit zu verbessern. Diese Regelungen betreffen zehn Produktgruppen, darunter Kühl- und Gefriergeräte, Geschirrspüler, Waschmaschinen, Haushaltsbeleuchtung, Fernseher und Displays. Hersteller müssen nun sicherstellen, dass Ersatzteile für eine festgelegte Dauer nach dem Kauf verfügbar sind – sieben Jahre für Kühlgeräte und zehn Jahre für Waschmaschinen. Zudem müssen Ersatzteile innerhalb von 15 Tagen lieferbar und mit allgemein verfügbaren Werkzeugen austauschbar sein, ohne das Gerät dauerhaft zu beschädigen. Verbraucher haben das Recht, nicht-sicherheitsrelevante Ersatzteile selbst zu erwerben, während qualifizierte Reparaturdienste auch Zugang zu sicherheitsrelevanten Teilen erhalten sollen. Hersteller sind außerdem verpflichtet, eine Liste verfügbarer Ersatzteile online bereitzustellen und Reparaturanleitungen sowohl Verbrauchern als auch professionellen Reparaturdiensten zugänglich zu machen.
Das Bundesumweltministerium plant zudem, die Richtlinie um eine Herstellergarantieaussagepflicht zu erweitern. Das würde Unternehmen dazu verpflichten, Angaben zur Lebensdauer ihrer Produkte zu machen und im Falle eines Defekts innerhalb dieses Zeitraums Reparaturen zu ermöglichen. Neben der Reparierbarkeit verfolgen die EU und Deutschland zudem das Ziel, eine Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) für die Wiederverwertung von Rohstoffen zu etablieren.
Circular Economy und ihre Abgrenzung zur Linearwirtschaft
Die Kreislaufwirtschaft verfolgt das Ziel, Ressourcen effizient und nachhaltig zu nutzen, indem der Lebenszyklus von Produkten und Materialien maximiert wird. Im Gegensatz zur traditionellen Linearwirtschaft, die auf dem Prinzip „Produzieren, Nutzen, Entsorgen“ basiert, fördert die Circular Economy die Wiederverwendung, Reparatur sowie das Recycling von Produkten und ihre Materialien. Ziel ist es, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu minimieren, Abfall zu reduzieren und die Umweltauswirkungen zu verringern. Dieses Modell unterstützt die Schaffung geschlossener Kreisläufe, die den Ressourcenverbrauch und Abfallproduktion minimieren, um die Regeneration natürlicher Systeme zu fördern. Für die Umsetzung dieser Ziele haben DIN, DKE und VDI bereits im Januar 2023 die Normungsroadmap Circular Economy vorgelegt.
Normungsroadmap Circular Economy
Das Produkt von heute ist der Rohstoff von morgen. Damit neue Geschäftsmodelle in der Circular Economy Anwendung finden, benötigen sie Normen und Standards als Grundlagen, denn diese geben Industrien eine gemeinsame Sprache und stellen damit eine klare Kommunikation und einen geeigneten Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Marktakteuren im Kreislauf sicher. Die Roadmap benennt die Normungsbedarfe für sieben entscheidende Sektoren der deutschen Wirtschaft.
Normen und Standards ermöglichen Transparenz, Qualität und Zuverlässigkeit
Die Normungsroadmap Circular Economy ist ein strategisches Dokument, das darauf abzielt, die Transformation Deutschlands zu einer kreislauforientierten Wirtschaft zu unterstützen. Sie beinhaltet eine detaillierte Analyse der bestehenden Normen und Standards, die für die Circular Economy relevant sind. Die Roadmap identifiziert spezifische Normungsbedarfe und schlägt Maßnahmen vor, um diese zu adressieren. Sie deckt verschiedene Sektoren ab, darunter Elektrotechnik, Batterien, Verpackungen, Kunststoffe, Textilien und Bauwesen. Das Dokument dient als Leitfaden für Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, um gemeinsam die Spielregeln der Kreislaufwirtschaft zu gestalten und die deutsche Wirtschaft in die Lage zu versetzen, eine führende Rolle in der globalen Kreislaufwirtschaft einzunehmen. Es unterstreicht die Bedeutung von Normen und Standards, die Transparenz, Qualität und Zuverlässigkeit gewährleisten und somit das Vertrauen in kreislaufwirtschaftliche Lösungen stärken. Die Normungsroadmap schuf damit eine Grundlage für die nun angelaufenen Normungsprozesse und die praktische Umsetzung des Rechts auf Reparatur.
Normung bahnt dem Recht auf Reparatur den Weg
Für die Anwendung in der Praxis beauftragte die EU-Kommission bereits die europäischen Normungsorganisationen CEN (Europäisches Komitee für Normung), CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) und ETSI (Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen). Die Aufgabe dieser europäischen Institutionen und der nationalen Normungsgremien von VDE und DKE umfasst die Weiterentwicklung von bestehenden und Erarbeitung neuer technischer Standards. Als Fortsetzung der 2019 überarbeiteten Ökodesign ErP-Richtlinie werden sich die Gremien auf das Design, die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und die Sicherheit von Elektrogeräten konzentrieren. Die zentrale Aufgabe besteht darin, diese Normen so zu gestalten, dass sie für Hersteller von Elektrogeräten und Verbraucher realistisch, umsetzbar und effektiv anwendbar sind. Für ihre jetzt anstehenden Aufgaben können die Normungsgremien sich auf das 9R Framework der Vereinten Nationen stützen.
Ökodesign-Richtlinie: mehr Ressourceneffizienz und ein Recht auf Reparatur
Das bunte Label mit den Energieeffizienzklassen für Elektrogeräte wird von Verbraucher*innen leicht verstanden. Seit 2005 sorgt eine EU-Rahmenrichtlinie, die vielen als Ökodesign-Richtlinie geläufig ist, systematisch für die Erhöhung von Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit. Sie legt die Grundlage für zahlreiche Durchführungsverordnungen.
9R-Framework leitet die Normungsarbeit
Die R-Strategien systematisieren verschiedene Verwertungsstrategien in einer Hierarchie und umfassen unter anderem Refuse (Verzicht), Rethink (Überdenken), Reduce (Reduzieren), Reuse (Wiederverwenden), Repair (Reparieren), Refurbish (Aufarbeiten), Remanufacture (Wiederherstellen), Repurpose (Umnutzen) und Recycle (Recyceln). Diese Strategien ergänzen einander und koexistieren. Sie zielen darauf ab, Produkte und Dienstleistungen von Grund auf kreislauffähiger zu gestalten. Normen und Standards können dabei helfen, bestehende technische Hürden abzubauen und tragen dazu bei, ein einheitliches Verständnis der Circular Economy zu schaffen, indem sie übergeordnete Konzepte, Indikatorensysteme, Definitionen, Taxonomien, Frameworks, Bewertungs- und Berechnungsverfahren festlegen. Darüber hinaus ergeben sich für die Überarbeitung von bestehenden und die Entwicklung neuer Normen und Standards folgende Themenkomplexe:
Implikationen für Hersteller von Elektrogeräten
Die Richtlinie und die nun zu erarbeitenden Normen bringen für Hersteller von Elektrogeräten eine Reihe von Aufgaben mit sich, die aber auch Chancen bieten:
Diese Anforderungen können neben einem hohen Anpassungsdruck auch Innovationen vorantreiben, die die Kundenbindung stärken und Hersteller als Vorreiter in einer sich wandelnden Industrie profilieren.
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Fallstricke für Verbraucher bei der Reparatur von Elektrogeräten
In einer umfassenden Umfrage von Stiftung Warentest von 2020 wurden die Erfahrungen von 10.000 Teilnehmern über Haltbarkeit und Reparierbarkeit ihrer Haushalts- und Multimediageräte ausgewertet. Die Ergebnisse offenbarten, dass zwei Drittel der festgestellten Defekte nicht behoben wurden, entweder weil die Geräte nicht reparierbar waren oder weil die Nutzer keine Reparaturversuche unternahmen. Insbesondere Trockner zeigten sich als reparaturfreundlich, während Smartphones, Notebooks und Drucker selten erfolgreich instandgesetzt werden konnten. Die Umfrage ergab zudem, dass Mobiltelefone am ehesten bereits im ersten Nutzungsjahr Defekte aufwiesen, während große Haushaltsgeräte wie Geschirrspüler, Kühlschränke und Wäschetrockner als robusteste Produkte hervorgingen, mit ersten Defekten meist erst im fünften Jahr oder später. Ein zentrales Problem stellte der defekte Akku dar, besonders bei Handys, Notebooks und Tablets, was durch die zunehmende Praxis der Hersteller, Akkus fest zu verbauen, die Reparatur erschwert.
Damit müssen Verbraucher bei Reparaturversuchen rechnen
Dieser Befund von Stiftung Warentest zeigt den weiten Weg bis zur Umsetzung des Rechts auf Reparatur, das zudem auch künftig verschiedene Tücken sowohl für Verbraucher als auch für professionelle Reparaturdienste beinhalten wird. Diese können signifikante Auswirkungen haben, speziell wenn Reparaturen unsachgemäß durchgeführt werden. Die Gründe sind:
Normen für das Recht auf Reparatur
Für die Umsetzung der EU-Regeln sind zahlreiche Normen zu überarbeiten. Die wichtigsten Normen und Gremien sind:
Label für Reparierbarkeit von Smartphones und Tablets ab 2025
Da in den meisten zuständigen DKE- und IEC-Normungsgremien die technischen Beratungen rund um die Umsetzung der neuen EU-Richtlinie erst begonnen haben, kann zurzeit noch nicht über konkrete Ergebnisse und Festlegungen für die einzelnen Produktgruppen berichtet werden. Für den Normungsauftrag zu Audio, Video- und Multimediageräten und -systeme lassen sich mögliche Folgen aber bereits abschätzen. Im Nachgang des Normungsauftrages der EU-Kommission an die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC wurde im Dezember 2023 eine neue europäische Arbeitsgruppe „SHRAG Eco phones“ gegründet, die inzwischen ihre Arbeit aufgenommen hat und von dem zuständigen DKE-Normungsgremium aktiv verfolgt und begleitet wird. Erste Normungsergebnisse werden im Laufe des Jahres 2024 erwartet.
Ebenfalls für die Produktgruppe Smartphones und Tablets hat die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten bereits die Einführung eines EU-Energielabels beschlossen. Erstmals wird auf dem Label auch ein Reparierbarkeits-Index dargestellt. Hersteller von Smartphones und Tablets müssen auf einer Skala von A-E angeben, wie gut ihre Geräte reparierbar sind. Das neue Energielabel soll EU-weit ab 2025 auf den Geräten zu finden sein. Auch dieser Aspekt ist bei den laufenden Normungsarbeiten entsprechend zu berücksichtigen.
Übergreifende Anforderungen an die Normung für alle Gerätearten
Für eine erfolgreiche Umsetzung der EU-Richtlinie lassen übergreifend über alle Geräteklassen einige wesentliche Anforderungen an die Normung feststellen:
Darüber hinaus werden sich die Normungsgremien mit Produkteigenschaften und Parameter beschäftigen müssen wie:
- Demontagetiefe
- Befestigungselemente
- Werkzeuge
- Arbeitsumgebung
- Diagnostischer Support und Schnittstellen
- Verfügbarkeit von Ersatzteilen
- Arten und Verfügbarkeit von Informationen
- Transfer und Löschung von Daten.
Da die Nationalstaaten für die Umsetzung der EU-Regelung in nationales Recht zwei Jahre Zeit haben, bleibt allen Betroffenen – also auch alle an der Normung beteiligten Stakeholder – in jedem Fall noch eine gewisse Frist, sich auf die Umsetzung des Rechts auf Reparatur einzustellen.
Fazit: Normungsgremien gehen motiviert und überzeugt an die Arbeit
Auf die Normungsorganisationen warten also viele Herausforderungen, ihre Normenreihen auf die neuen EU-Regeln auszurichten. Für eine erfolgreiche Umsetzung des Reparaturrechts muss in den zuständigen Normungsgremien auch ein gewisses Umdenken erfolgen vor allem vor dem Hintergrund, dass Technische Normen und Standards in der Vergangenheit in der Regel nicht darauf ausgelegt waren, Aspekte wie Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz ausreichend zu berücksichtigen. Weiterhin wurden Reparaturen bisher vor allem aus Sicherheitsgründen teilweise bewusst ausgeschlossen. Damit sollte verhindert werden, dass vermeintlich modellgleiche Bauteile für die Reparatur verwendet werden, die zu einem Funktions- oder gar Sicherheitsverlust führen könnten.
Um dieser Herausforderung zu begegnen, fördert die DKE schon seit einigen Jahren eine ressourcenschonende und nachhaltige Nutzung von Rohstoffen. Und die deutschen Gremien werben schon länger auf internationaler Ebene dafür, das Recycling von Produkten und deren Wiederaufbereitung für ein Second Life bereits im Design zu berücksichtigen. Und mit der Normungsroadmap Circular Economy trägt die DKE damit dazu bei, die Menge an Elektroschrott zu reduzieren. Alle diese Aspekte werden die Normungsarbeit in den nächsten Jahren begleiten. Trotz des bisher nur grob einschätzbaren Arbeitsumfangs gehen die nationalen und internationalen Normungsgremien – nach allem, was die DKE-Gremienleitungen berichten – aber motiviert und überzeugt an die Arbeit.
Redaktioneller Hinweis:
Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.
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