grüne Farbe mit Pinsel - Produktkonzept Illustration
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18.09.2023 Fachinformation

Wie Zertifizierung durch unabhängige Dritte Greenwashing entgegenwirkt

Wir fühlen uns gut, wenn wir auf Produkten etwas von „nachhaltig“, “umweltfreundlich“ oder auch „gut für die Umwelt“ lesen. Und wir vertrauen gerne darauf. Aber wie sicher können wir sein, dass diese Angaben auch wirklich stimmen? Eigentlich gar nicht.

Die Konformitätsbewertungssysteme der IEC, wie die von IECQ angebotenen, liefern in dem Fall dringend benötigte Instrumente, um diese Umweltangaben von Unternehmen zu messen und zu verifizieren. Die Normung trägt so dazu bei, Greenwashing durch Unternehmen zu verringern.

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Von Claire Marchand

Trotz Inflation und Energiekrise, die einen Einfluss auf ihre Kaufkraft haben können, sagen viele Kunden, dass sie bereit sind, mehr für Produkte mit einer Nachhaltigkeitsbotschaft zu zahlen. Aber wie können sie mit Sicherheit wissen, dass das Produkt, welches sie kaufen, nachhaltig und umweltfreundlich ist?

Die kurze Antwort lautet: Können sie nicht. Kunden müssen sich auf die Aussagen von Unternehmen verlassen, dass ihre Produkte umweltfreundlich sind und in Betrieben hergestellt werden, die gute Arbeitsbedingungen bieten, in denen Gesundheits- und Sicherheitsstandards für die Mitarbeitenden eingehalten werden und in denen nachhaltige Produktionsmittel zum Einsatz kommen. Diese Aussagen werden gewöhnlich nicht von einem unabhängigen externen Gutachter überprüft.

Der Druck, umweltfreundlicher zu werden, und die Notwendigkeit, Kundenbedürfnisse abzudecken, haben in einigen Fällen dazu geführt, dass Unternehmen und Organisationen Aussagen treffen, die täuschend oder irreführend, wenn nicht sogar schlichtweg falsch sein können. Es ist verlockend, Begriffe wie z. B. „nachhaltig“, „grün“, „umweltfreundlich“, „gut für den Planeten“, „besser für die Umwelt“ in Werbekampagnen zu verwenden, ohne Beweise oder Fakten zu haben, die diese Behauptungen stützen. So treffen viele Organisationen und Lieferanten beispielsweise Aussagen zu ihrem CO2-Fußabdruck für die von ihnen angebotenen Dienstleistungen und Produkte auf der Grundlage ihrer Treibhausgasemissionen, die in keiner Weise bestätigt sind.

Greenwashing oder wie man Scheinbehauptungen aufstellt

Die Praxis, Verbraucher*innen über die Umweltfreundlichkeit eines Unternehmens hinters Licht zu führen, hat einen Namen: Greenwashing. Wikipedia zufolge wurde der Begriff von dem New Yorker Umweltschützer Jay Westerveld in einem Essay von 1986 über die Praxis im Hotelgewerbe, Hinweise in Hotelzimmern zu platzieren, die dafür werben, auf den täglichen Handtuchwechsel zu verzichten, um „die Umwelt zu schonen“, geprägt. Westerveld stellte fest, dass die Idee zwar Kosten bei der Wäsche sparte, aber wenig dazu beitrug, den Energieverbrauch zu senken. Der Begriff war über viele Jahre wenig bekannt, aber als die Auswirkungen des Klimawandels weltweit zum vorherrschenden Thema wurden, ist er wieder aufgetaucht und hat eine ganz neue Bedeutung erlangt.

Während einige umweltbewusste Unternehmen die erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um nachhaltig und umweltfreundlich zu werden, stellen andere Behauptungen auf, die nicht verifiziert und vielleicht irreführend sind. Greenwashing wird heutzutage von Unternehmen in allen Industriesektoren genutzt. Das wird sich möglicherweise sukzessive ändern, da das Bewusstsein für irreführende Praktiken wächst. Regierungen ergreifen Maßnahmen, Umweltorganisationen und Medien schlagen Alarm und berichten zunehmend über die Übeltäter. Mit der offensichtlichen Folge, dass das Vertrauen der Verbraucher*innen in Produkte und Unternehmen immer weiter schwindet.

Es gibt eine Branche, in der Greenwashing vielleicht relevanter ist als in anderen Branchen: Verbraucherelektronik. Die Herstellung elektronischer Produkte ist nicht die umweltfreundlichste und das Recycling ist alles andere als optimal.


Eine Mutter sitzt mit ihrem Baby vor der Waschmaschine im Waschraum
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Anti-circumvention: Warum die Industrie Regeln braucht, um Regeln einzuhalten

Spätestens seit dem Dieselgate und den dabei verschleierten Fahrzeugemissionen ist auch der breiten Masse klar: Die Industrie nutzt beim Testen Schlupflöcher, um Standards zu umgehen und das eigene Produkt besser darzustellen, als es ist. Diese Grauzone benötigt mehr Schwarz und Weiß – und damit weniger Interpretationsspielraum. Genau deshalb beschäftigt sich beispielsweise die DKE mit diesem Thema. Normativ werden klare Anforderungen erarbeitet, sodass Verbraucher*innen das bekommen, was sie von Herstellern erwarten.

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IECQ-Systeme als Retter in der Not

Die IEC kann mit ihren Konformitätsbewertungssystemen dazu beitragen, eine unabhängige Bewertung der Umweltaussagen von Unternehmen zu ermöglichen. Die Konformitätsbewertung durch Dritte bezieht sich auf eine Zertifizierung, die von einer Person oder Organisation durchgeführt wird, die vom Verkäufer oder Käufer unabhängig ist. Sie bietet den höchsten Grad an Sicherheit bzw. Gewissheit.

Mehrere IECQ-Systeme (IEC Quality Assessment System for Electronic System for Electronic Components) bieten genau diese Art unabhängiger Bestätigung durch Dritte mit Blick auf umweltrelevante Belange. Dazu gehören das „Hazardous Substance Process Management Scheme“ (HSPM-System) und das „Eco Design Approved Process Scheme".

Gefahrstoffe im Visier

IECQ begann vor vielen Jahren, sich gezielt mit Umweltproblemen auseinanderzusetzen, als es das IECQ Hazardous Substance Process Management Scheme (HSPM-System) einführte, die perfekte Lösung für Hersteller und Lieferanten, die schadstofffreie elektronische Komponenten herstellen bzw. vertreiben möchten.

IECQ HSPM ist ein technisch basierter Managementsystemansatz zur Implementierung und Aufrechterhaltung schadstofffreier Produkte und Herstellprozesse. IECQ HSPM wurde als Antwort auf den Bedarf der Komponentenhersteller entwickelt, den Lieferanten die Möglichkeit zu geben, durch eine Bewertung durch Dritte nachzuweisen, dass ihre elektrischen und elektronischen Komponenten und Baugruppen bestimmte lokale, nationale und internationale Anforderungen an die Gefahrstofffreiheit zu erfüllen.

Viele Unternehmen arbeiten heute daran, eine IECQ-HSPM-Zertifizierung nach IECQ QC 080000, IEC Quality Assessment System for Electronic Components (IECQ System) - Hazardous Substance Process Management (HSPM) System Requirements, zu erlangen. Die vierte Ausgabe, die im Mai 2017 veröffentlicht wurde, legt dar, wie Unternehmen IECQ QC 080000 dazu nutzen können, ihre gefährlichen Stoffe zu handhaben ohne eingeschränkte Stoffe völlig zu entfernen oder ihre Verwendung in Produkten zu vermeiden.


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... und Einbeziehung von Ökodesign

IECQ hat sich kürzlich mit dem Technischen Komitee IEC/TC 111 (DKE/K 191), das sich mit der umweltbezogenen Normung für elektrische und elektronische Produkte und Systeme auseinandersetzt, zusammengetan, um einen Ökodesign-Service als Teil seines sog. Approved Process (AP) Schemes anzubieten. Das Ziel von Ökodesign ist die Minimierung schädlicher Umweltauswirkungen und die Förderung von Nachhaltigkeit während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts – von der Rohstoffgewinnung bis zum Ende des Lebenszyklus. Dazu gehört die Berücksichtigung von Faktoren wie Energieeffizienz, Ressourcennutzung, Abfallvermeidung und Toxizität. In der Elektronikindustrie zielt Ökodesign darauf ab, Produkte herzustellen, die sowohl funktional als auch umweltverträglich sind.

Die Zusammenarbeit stützt sich auf die von IEC/TC 111 entwickelte internationale Norm IEC 62430, Umweltbewusstes Gestalten (en: Environmentally Conscious Design, ECD) – Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien, die sich an Organisationen richtet, die ihre Produkte bzw. Leistungen umweltverträglich gestalten möchten.

Sicher, zuverlässig, nachhaltig und kein Greenwashing

Mit der Prüfung und Zertifizierung von IECQ verfügen Hersteller und Lieferanten sämtlicher Arten von elektronischen Bauteilen weltweit über ein leistungsfähiges Instrument, mit dem ihre Produkte die höchsten Anforderungen erfüllen.

Als weltweit anerkanntes Zulassungs- und Zertifizierungssystem für elektronische Komponenten, Baugruppen und zugehörigen Materialien und Prozessen bietet IECQ durch seine anerkannten Zertifizierungsstellen das sog. IECQ Approved Process Scheme an – umweltrelevante Dienstleistungen zur Unterstützung der Kreislaufwirtschaft unter Verwendung von Qualitätsbewertungsspezifikationen nach internationalen ISO-/IEC-Standards.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl verwandter Materialien und Prozesse, die von den IECQ-Systemen abgedeckt werden, wobei zusätzliche Dienstleistungen zur weiteren Unterstützung der Kreislaufwirtschaft in Entwicklung sind.

IECQ-Zertifikate werden weltweit als Instrument zur Überwachung und Kontrolle der Fertigungslieferkette genutzt und tragen auf diese Weise dazu bei, Kosten und Markteinführungszeiten zu reduzieren, die Notwendigkeit mehrfacher Neubewertungen der Lieferanten zu beseitigen und den Versuch, Greenwashing zu betreiben, zu vermeiden.


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