Die DKE kann auch im Jahr 2018 auf einen erfolgreichen DKE Innovation Campus zurückschauen. Aus den Blickwinkeln Normen – Machen – Zukunft wurde das diesjährige Themengebiet „Autonome Systeme“ betrachtet und diskutiert. Eine wesentliche Erkenntnis der Veranstaltung: Für eine sichere digitale Zukunft sind nicht mehr nur technische Normen von entscheidender Bedeutung – auch juristische und ethische Normen werden in diesem Zusammenhang eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Der DKE Innovation Campus 2018 ist die ideale Plattform für den notwendigen und interdisziplinären Austausch, um anstehende Entwicklungen in der Elektrotechnik frühzeitig und nachhaltig in die elektrotechnische Normung zu überführen.
„Je größer das Entscheidungsspektrum, desto komplexer das System aus Regeln und Bedingungen. Vor allem dann, wenn Maschine und Mensch aufeinandertreffen. Uns Menschen hilft bei solchen Entscheidungen die Ethik. Und wenn wir wollen, dass autonome Systeme im richtigen Augenblick wertebasierte Entscheidungen treffen, so müssen diese vom Menschen vorgedacht werden. Ethik in der Technik ist ein Thema, das für die Normung eine völlig neue Dimension gewinnt.“ Michael Teigeler, DKE-Geschäftsführer
Die Digitalisierung steht erst ganz am Anfang
Eingeleitet wurde der fachliche Teil des Tages durch die Keynote von Prof. Henning, P3 Osto – RWTH Aachen. Prof. Henning konnte eindrucksvoll aufzeigen, dass unser Alltag von einer kaum vorstellbaren Datenmenge geprägt ist. Künstliche Intelligenz kann jedoch gezielt eingesetzt werden, um die Daten sinnvoll zu nutzen. „Deep Learning“ und „Big Data“ sind in diesem Zusammenhang häufig verwendete Begriffe und gelten als Treiber im Rahmen der Entwicklung autonomer Systeme. Laut Prof. Henning stehen wir mit der Digitalisierung allerdings noch ganz am Anfang.
„Wir stehen heute an einem Scheideweg, den ich mit dem Phänomen AlphaGo erklären möchte. Wir sind in der Lage, einen Automaten zu bauen, der eine intelligente Wahrnehmung seines eigenen Zustandes hat und sich selbstständig für eigene Ziele entscheiden kann. Somit können wir heute Systeme mit eigener Intelligenz in die Praxis einführen.“ Prof. Henning, P3 Osto – RWTH Aachen
Markus Reigl von der Siemens AG thematisierte in der zweiten Keynote des Tages die Koexistenz zwischen Mensch und Maschine. Der Kommunikation zwischen allen Dingen kommt eine tragende Bedeutung zu. Reigl zieht am Ende seines Vortrags das Fazit, dass die digitale Infrastruktur eine „Mega Baustelle“ für den Standort Deutschland ist, um ein solches Vorhaben zu realisieren.
Autonome Systeme auf der Straße, in der Luft und im Energienetz
Normen – Machen – Zukunft. Aus diesen verschiedenen Perspektiven wurden Anwendungsfelder aus dem Bereich autonomer Systeme vorgestellt. Gereon Hinz, Fortiss, stellte im ersten Impulsvortrag des Tages den Einsatz autonomer Systeme im Straßenverkehr von morgen vor. Mit dem Projekt „Providentia“ soll das Stauaufkommen im Straßenverkehr durch die Verwendung eines autonomen, intelligenten Systems verringert werden. Möglich macht das die Akkumulation großer Datenmengen auf Grundlage zahlreicher Sensoren rund um die Fahrbahnstrecke.
In Europa soll es bis zum Jahr 2025 mehr als 400.000 voll automatisierte Drohnen im kommerziellen Flugeinsatz geben – so Albert Lief, Airbus AG, im zweiten Impulsvortrag über „Die Bedeutung von Cyber Security für fliegende autonome Systeme". Bewahrheitet sich diese Annahme, wäre die hohe Anzahl an Drohnen und die damit verbundenen Flugbewegen sowie die Auslastung der Flugraumüberwachung durch den Menschen kaum noch steuerbar – er würde in einem solchen Szenario zum Beobachten werden und die Koordination der Fluggenehmigungen intelligenten Computersystemen überlassen.
Die Blockchain-Technologie ist seit einiger Zeit nicht nur des Bitcoins wegen immer wieder im Gespräch. Jan Christoph Ebersbach von der Chainstep GmbH griff das Thema „Microgrid-Blockchain" im letzten Impulsvortrag des Tages auf: Dezentrale Netze sollen bei der Energiewende zukünftig die Energie verteilen – autonom und dorthin, wo sie benötigt wird.
Normen – Machen – Zukunft: Wie lassen sich autonome Systeme integrieren?
Am Nachmittag waren die Teilnehmer selbst zum Mitmachen aufgefordert: Aus den drei parallel stattfindenden Sessions Normen, Machen und Zukunft konnten sich die Teilnehmer zwei Sessions aussuchen, in denen die Referenten mögliche Anwendungsfälle autonomer Systeme im praktischen Umfeld vorstellten:
- Session Normen: Automatisierte Normerstellung
- Session Machen: Building Information Model
- Session Zukunft: Microgrid Blockchains – die Zukunft vernetzt
Kernfrage und Ziel aller drei Sessions: Wie kann Normung verbessert werden? Alle Bereiche befinden sich bereits in einem digitalen Transformationsprozess. Engagierte Referenten und mit Herzblut diskutierende Teilnehmer – so der Eindruck aus allen Sessions.
Verleihung der DKE Nadel und Ehrung der studentischen Preisträgerinnen
Im Anschluss an die Sessions folgte im großen Saal des Congress Parks Hanau der organisatorische Teil des Nachmittags: Die DKE verlieh ihren beiden Mitgliedern Mike Wöbbeking, DNV GL, und Joachim Ring, Siemens AG, als Anerkennung für ihre langjährige und ehrenamtliche Tätigkeit in der Normung die DKE Nadel 2018.
Darüber hinaus wurden Ricarda Rimatzki und Elisabeth Ibenthal im Rahmen des Science-to-Standards-Programms (STS-Programm) geehrt. Die beiden jungen Studentinnen konnten die Jury mit ihren Abschlussarbeiten im Bereich der Normung überzeugen – und erstmals erhielten daher sogar gleich zwei Preisträgerinnen diese ehrenvolle Auszeichnung. Die Abschlussarbeit von Frau Rimatzki beschäftigte sich mit dem Gefährdungspotentials von in Gebäuden angeschlossenen elektrischen Betriebsmitteln, hinsichtlich des Einsatzes von Hochspannungs-Prüfimpulsen im Niederspannungsnetz. Frau Ibenthal setzte sich mit ihrer Masterarbeit das Ziel, exemplarisch ein kontextsensitives Assistenzsystem für Demenzkranke zu entwickeln und den klinischen Nutzen zu evaluieren. Darüber hinaus sollte eine Übertragbarkeit der eingesetzten Methoden und Erkenntnisse für Gebrauchstauglichkeitstests und klinische Prüfungen möglich sein.
Wie tickt das Silicon Valley und welche Rolle könnte Normung spielen?
Ein besonderes Highlight wartete am späten Nachmittag noch auf die Teilnehmer des DKE Innovation Campus 2018: Thomas Schulz, Korrespondent vom Nachrichtenmagazin Der SPIEGEL, reflektierte in seinem Impulsvortrag darüber, „Was Google wirklich will“. Schulz sollte es wissen, denn für ihn ist das Silicon Valley (mittlerweile) sein zweites Zuhause.
Aber wie tickt eigentlich das Silicon Valley und wie beeinflusst es unsere Welt? Fragen, die auf den ersten Blick ganz einfach erscheinen, aber gar nicht so einfach zu beantworten sind. Thomas Schulz brachte aber einige interessante Antworten mit – und machte auch gleich deutlich, wo die Unterschiede zur deutschen Mentalität, Denkweise und Kultur liegen. Eine wesentliche Erkenntnis: Im Silicon Valley wird nicht gewartet, denn wer wartet, der verliert. Es wird sehr viel Geld in Innovationen investiert, für die zuvor keine Standards festgelegt wurden und die trotzdem so schnell wie möglich auf den Markt gebracht werden. Trial & Error; angepasst werden kann auch später noch. Zwischenfälle in jüngster Vergangenheit, z. B. mit autonomen Fahrzeugen, zeigen aber auch, dass die hohe Geschwindigkeit bei der technologischen Entwicklung zu mehr Komplexität, und damit auch zu größeren Problemen, führen kann. Entwickler stellen sich daher seit einiger Zeit die Frage, wie schnell Innovationen auf den Markt gebracht werden können bzw. dürfen, wenn noch keine Normen und Standards existieren und auch, welche Regeln es geben muss, um dieses rasante Tempo bei der technologischen Entwicklung halten zu können.
Schulz lieferte einen überaus spannenden Vortrag und blieb für die anschließende Panel-Diskussion über „Autonome Systeme im gesellschaftlichen Zusammenhang" direkt auf der Bühne. Lebhaft, angeregt und kritisch gingen die Panel-Teilnehmer, darunter auch Roland Bent, Vorsitzender vom DKE-Lenkungsausschuss und Ansgar Hinz, VDE-Vorstandsvorsitzender, der Frage nach, welche Funktion die Normung im heutigen (und zukünftigen) Stand der Technik einnehmen kann. Die DKE hat die Zeichen der Zeit bereits erkannt und stellt sich auf die Veränderungen ein. Schnell, flexibel und agil – so möchte man dem Aufruf nachkommen. Das Statement hierfür steht schon fest: „Veränderung ist die neue Kontinuität“.
„Wir brauchen gewisse Regeln, damit die Entwicklung im Bereich der autonomen Systeme nicht aus dem Ruder läuft; wir müssen es gemeinsam beherrschbar machen. Zusätzlichen müssen wir dem Thema in der Öffentlichkeit eine andere Bedeutung geben. Wichtig ist dabei die Aufklärung über diese Technologien, die unseren Alltag in der Zukunft erleichtern kann.“ Alexander Nollau, DKE Innovation Campus Projektleiter
Fazit zum DKE Innovation Campus 2018
Normung wird dringend gebraucht! Das stand schon vor der Veranstaltung fest und überrascht daher wenig. Fakt ist aber auch, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der grundlegende gesellschaftliche und technologische Veränderungen stattfinden – und bei diesen Veränderungen stehen wir erst ganz am Anfang. Umso wichtiger ist es, Normung gleich zu Beginn maßgeblich an den weiteren Entwicklungen zu beteiligen ist. Die Reaktionen der Teilnehmer beim DKE Innovation Campus 2018 sprechen eine klare Sprache: Zustimmung auf der ganzen Linie. Es ist allerdings auch ein schmaler Grat zwischen der Förderung und Hemmung von Innovation. Dieser Herausforderung muss sich die Normung stellen, um neue Türen zu öffnen und sicheren Anwendungen eine Plattform zu bieten. Am wichtigsten ist es aber, und das darf nie vergessen werden, den Mensch an höchster Stelle zu setzen.