Solarkraftwerk
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15.07.2024 Fachinformation

Wie Brennstoffe mittels Sonnenenergie erzeugt werden

Eine neue Technologie der Wasserspaltung, der sog. solare thermochemische Wasserstoff (STCH), verspricht eine energieeffizientere und kohlendioxidfreie Methode zur Herstellung von Wasserstoff als umweltfreundlicher Brennstoff.

Ein Artikel von Adrian Pennington für IEC e-Tech.

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Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Wasserstoff als saubere Quelle zur Bekämpfung des Klimawandels
  • Verfahren zur Erzeugung von solarem thermochemischem Wasserstoff
  • Weitere Ansätze zur Verbesserung der thermochemischen Technologie

Wasserstoff gilt als eine der vielversprechendsten Quellen sauberer Energie zur Bekämpfung des Klimawandels. Allerdings ist es äußerst schwierig, Wasserstoff kostengünstig und kohlendioxidfrei herzustellen. Ahmed Ghoniem, Professor für Mechanical Engineering am MIT, sagt: „Wir halten Wasserstoff für den Brennstoff der Zukunft, deshalb ist es wichtig, dass er kostengünstig und in großem Maßstab hergestellt werden kann.“

Der Energieträger Wasserstoff wird als Teil einer Mischwirtschaft aus grünen Energieoptionen von Regierungen gefördert. 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa mit dem Ziel, die Nutzung von H2 auszuweiten und CO2-Neutralität in der Europäischen Union zu erreichen.

In seinem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) fordert die deutsche Regierung, dass neue Gaskraftwerke wasserstofffähig (H2-ready) sein sollten. Australische Bundesstaaten investieren in Wasserstofftankstellen entlang des am stärksten von Güterverkehr befahrenen Highways zwischen Sydney und Melbourne, um die Schwerlasterindustrie dazu zu bringen, mehr emissionsfreie Technologien zu nutzen. In den USA hat die vom Energieministerium ins Leben gerufene Initiative Hydrogen Energy Earthshot das Ziel ausgegeben, innerhalb der nächsten zehn Jahre die Kosten von sauberem Wasserstoff um 80 Prozent auf 1 USD/kg (und auf 2 USD/kg bis 2025 als Zwischenschritt) zu senken.

Nach aktuellem Stand werden allerdings mehr als 90 Prozent des weltweiten Wasserstoffs aus fossilen Brennstoffen durch Verfahren wie Dampfreformierung mittels Methan, partielle Oxidation von Methan und Kohlevergasung hergestellt. Allein dadurch werden jedes Jahr Emissionen von rund 830 Millionen Tonnen CO2 erzeugt, das sind mehr als 2 Prozent der weltweiten jährlichen CO2-Emissionen.

Das ist keine nachhaltige Lösung für die Zukunft. Eine Alternative wäre, Methan und Kohle durch eine kohlendioxidfreie Ressource wie Wasser (H2O) zu ersetzen. Bei der Elektrolyse wird Strom genutzt, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten, wobei theoretisch H2 ohne Treibhausgasemissionen erzeugt wird. Der Haken ist, dass das davon abhängt, ob die Stromquelle ebenfalls kohlendioxidfrei ist, und in vielen Regionen auf der Welt ist die Infrastruktur schlicht noch nicht für diese Möglichkeit ausgelegt bzw. sie wäre nicht rentabel umsetzbar. Außerdem nutzen verschiedene Arten von Elektrolyseuren, die für die Umwandlung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff notwendig sind, Metalle wie Nickel und Platingruppenmetalle (PGM), die mit hohen Kosten, Umweltauswirkungen und Bedenken hinsichtlich der Lieferkette verbunden sind.


Fahrzeug transportiert Wasserstoff im Stahlbehaelter
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Wasserstoff: Chemischer Winzling mit riesiger Bedeutung für eine erfolgreiche Energiewende

Gerade einmal 0,000000031 mm klein und dennoch mit riesigem Potential – das ist Wasserstoff. Grüner Wasserstoff wird als Energieträger der Zukunft gehandelt, allen voran im Mobilitätssektor. Allerdings ist der Umgang mit Wasserstoff auch nicht ungefährlich. Fachleute engagieren sich daher in der Normung, um die Nutzung von Wasserstoff für unterschiedliche Anwendungsbereiche sicher zu gestalten.

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Solarer thermochemischer Wasserstoff

Die Aufmerksamkeit richtet sich nun auf eine neue Technologie, die eine komplett emissionsfreie Lösung bietet: solarer thermochemischer Wasserstoff (STCH). Hierbei wird Wärme, die aus erneuerbarer Sonnenenergie gewonnen wird, zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt.

Bei diesem Verfahren stammt die Energie, um Wasserstoff durch thermochemische Wasserspaltung herzustellen, aus Solarwärmekraftwerken (oder CSP-Anlagen, von „concentrated solar power“). Dabei handelt es sich gewöhnlich um eine Anordnung hunderter Spiegel, die das Sonnenlicht sammeln und auf einen zentralen Empfangspunkt reflektieren. Ein STCH-System nimmt dann die Wärme des Empfängers auf und leitet sie zur Spaltung von Wasser und zur Erzeugung von Wasserstoff weiter. Temperaturen von mehr als 1.400 °C können dazu genutzt werden, Wasser zur Dampferzeugung zu erhitzen, um eine Turbine anzutreiben, die wiederum Strom erzeugen kann.

Aber es gibt noch einen Haken. Bisher sind STCH-Systeme nur begrenzt effizient. Nur etwa 7 Prozent der Sonneneinstrahlung werden zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt, wodurch das System eine niedrige Rendite bei hohen Kosten bringt.

Im Oktober verkündete ein Team vom MIT, einen Durchbruch erzielt zu haben. Ihr Konzept für ein Reaktorsystem kann angeblich bis zu 40 Prozent der Sonnenwärme nutzen. Den MIT-Wissenschaftlern zufolge könnte diese Effizienzsteigerung die Gesamtkosten des Systems deutlich senken, wodurch STCH eine potentiell skalierbare und erschwingliche Option wäre, die dazu beitragen kann, Branchen wie den Verkehr zu dekarbonisieren.

Ghoniem sagt: „Wir müssen an jedes bisschen Energie im System denken und daran, wie wir es nutzen können, um die Kosten zu minimieren. Und bei dieser Ausgestaltung haben wir festgestellt, dass alles mit der Wärme, die uns die Sonne liefert, betrieben werden kann. Das System ist in der Lage, 40 Prozent der Sonnenwärme zur Erzeugung von Wasserstoff zu nutzen.“

Christopher Muhich, Assistant Professor für Chemical Engineering an der Arizona State University fügt hinzu: „Es könnte unsere Energiezukunft radikal verändern, indem es eine Wasserstoffproduktion rund um die Uhr ermöglicht. Die Fähigkeit, Wasserstoff zu erzeugen, ist der Dreh- und Angelpunkt für die Herstellung flüssiger Brennstoffe aus Sonnenlicht.“ Der nächste Schritt besteht darin, einen Prototypen zu bauen, der in Solarwärmekraftwerken getestet wird.

Mehrere technische Komitees der IEC entwickeln Normen zu Solarsystemen und -anlagen, inklusive Solarwärmekraftwerke. IEC/TC 117 (DKE/K 374) arbeitet an internationalen Normen für Systeme von solarthermischen Anlagen zur Stromerzeugung, die die Solarenergie in elektrische Energie umwandeln. Eine ihrer Normen, die 2022 veröffentlicht wurde, IEC 62862-3-1, legt Anforderungen an die Gestaltung von Parabolrinnen-Solarwärmekraftwerken fest. Zukünftige Normen werden sich auch mit Themen wie Konnektivität und Interoperabilität mit dem Stromnetz im Zusammenhang mit Anbindung, bi-direktionaler Kommunikation und zentraler Steuerung (Smart Grid) sowie Umweltaspekten auseinandersetzen.


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Parallele Entwicklung weiterer Ansätze

Ein weiterer Ansatz zur Verbesserung der thermochemischen Technologie stammt von einem Team von Ingenieur*innen der ETH Zürich, finanziell unterstützt vom Schweizer Bundesamt für Energie. Sie arbeiteten daran, die Übertragung der Wärme aus einem Solarwärmekraftwerk in das Innere des Reaktors zu maximieren.

Im Zentrum des Herstellungsprozesses steht ein Solarreaktor, der konzentrierter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, die durch eine CSP-Anordnung bereitgestellt wird und Temperaturen bis zu 1.500 °C erreicht. Im Inneren des Reaktors findet ein thermochemischer Kreislauf zur Spaltung von Wasser und CO2, das zuvor aus der Luft gewonnen wurde, statt. Das Ergebnis ist Synthesegas bzw. Syngas, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, die in flüssige Kohlenwasserstoff-Brennstoffe, wie Kerosin (Düsentreibstoff) für den Antrieb von Flugzeugen, weiterverarbeitet werden können.

Zwei Spin-off-Unternehmen der ETH (Climeworks und Synhelion) entwickeln die Technologien weiter und kommerzialisieren sie. Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger an der ETH sagt: „Diese Technologie hat das Potential, die Energieeffizienz des Solarreaktors erheblich zu steigern und so die Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Flugzeugtreibstoffe deutlich zu verbessern.“

Solarpanels, die Wasserstoff erzeugen

Wissenschaftler der KU Leuven in Belgien haben Dachpanels entwickelt, die sowohl Sonnenenergie als auch Wasser aus der Luft sammeln. Wasserstoffpanels sind wie herkömmliche PV-Panels, doch anstatt mit einem elektrischen Kabel sind sie über Gasrohre verbunden. Die Wissenschaftler behaupten, dass ein Panel 250 Liter Wasserstoff pro Tag erzeugt, mit einer Effizienz von 15 Prozent, und sie arbeiten daran, die Technologie über ein Spin-off-Unternehmen auf den Markt zu bringen.

Projektwissenschaftler Jan Rongé erklärt: „Die Wasserstoffpanels selbst speichern keinen Wasserstoff und arbeiten mit sehr niedrigem Druck. Das hat verschiedene Vorteile hinsichtlich Sicherheit und Kosten. Der Wasserstoff wird zentral von der Wasserstoffpanelanlage gesammelt und dann bei Bedarf komprimiert.“ Das Produkt wird voraussichtlich 2026 kommerziell verfügbar sein und es wird erwartet, dass die Preise analog den Preisen der heutigen PV-Module fallen werden.

IEC/TC 82 erarbeitet Normen für solare PV-Energiesysteme und IEC/TC 105 für Brennstoffzellentechnologien.

Teil eines größeren Puzzles

Auch wenn Wasserstoff, der mittels Sonnenenergie hergestellt wird, sehr vielversprechend aussieht, ist die Entwicklung immer noch ganz am Anfang und er sollte nicht als Patentlösung für umweltfreundliche Energie betrachtet werden. Dr. Kim Beasy vom Swinburne University Hydrogen Hub in Australien erklärt: „Wir verstehen allmählich, dass Wasserstoff ein Teil des Puzzles sein wird. Was wir wirklich brauchen, ist mehr Unterstützung von der Regierung und Fördermittel, um die Kosten für die Realisierung dieser Technologie zu senken.“

Diese Ansicht wird von der Internationalen Energieagentur geteilt. In ihrem Bericht Global Hydrogen Review 2023 kommt sie zu dem Schluss, dass die Herstellung von emissionsarmem Wasserstoff bis 2030 deutlich zunehmen könne, aber die hohen Kosten die Entwicklung bremsen. Sie betont ferner: „Regierungen müssen diese Programme dringend umsetzen und Gelder zur Verfügung stellen, um Wasserstoff in großem Maßstab, im Einklang mit ihren Dekarbonisierungszielen, herstellen zu können.“


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