Mann misst Puls und Bluthochdruck mit einem Smartphone
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19.08.2024 Fachinformation

Ein Diagnosezentrum am Handgelenk

Intelligente tragbare Geräte sind eine schnell wachsende Branche. Doch welche Herausforderungen gibt es für den zunehmenden Einsatz von tragbaren Geräten, sogenannten Wearables, im Gesundheitssektor? Und wie trägt die IEC dazu bei, Hürden zu überwinden und das Potential auszuschöpfen?

Ein Beitrag von Priyanka Dasgupta für IEC e-Tech.

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Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Genauigkeit und ethische Überlegungen
  • Künstliche Intelligenz öffnet neue Türen
  • IEC-Normen beugen Risiken vor

2023 entwickelte das Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen tragbaren Ultraschallscanner zur Erkennung von Brustkrebs im Anfangsstadium. Die Nutzung von Wearables ermöglicht häufigere Überprüfungen und das Erkennen neuer Tumore in der Zeit zwischen den regelmäßig vorgesehenen Terminen zur Mammographie. Diese innovative Nutzung smarter, intelligenter Sensoren ermöglicht die Diagnose von Krankheiten bzw. gesundheitlichen Problemen in einem frühen Stadium, wodurch die Chancen einer erfolgreichen Behandlung deutlich steigen. Dies ist nur eines der zahlreichen Anwendungsgebiete für Wearables, von denen viele mit dem Gesundheitswesen zu tun haben.

Wearables verändern das Gesundheitswesen, da sie einfach anzuwenden sind und uns ermöglichen, unsere Gesundheit auch unterwegs zu überwachen. Es hat sich viel verändert seit den sperrigen Überwachungsgeräten, die in der Vergangenheit zum Einsatz kamen. Die ausgetüftelten, manchmal nur knopfgroßen Geräte haben den Weg geebnet für ein ortsungebundenes System, wodurch Krankenhäuser entlastet werden und bestimmte Aspekte der Gesundheitsfürsorge leichter zugänglich sind. Gesundheitsüberwachung kann Teil unserer täglichen Routine werden, anstatt wie bisher auf den einen Termin beim Arzt oder im Krankenhaus zu warten. Des Weiteren können die Daten aus der Gesundheitsüberwachung Ärzt*innen helfen, eine fundierte Diagnose zu stellen.

Da die Integration von intelligenten tragbaren Geräten im Gesundheitswesen stetig zunimmt, ist es wichtig, einen kritischen Blick auf die noch bestehenden Hürden und mögliche neue Entwicklungen, die Wearables für die Gesundheitsversorgung auf die nächste Ebene bringen, zu werfen.


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Genauigkeit und ethische Überlegungen

Die Wearables von heute verfügen über Sensoren, die praktisch alles messen können, angefangen bei der Herzfrequenz, dem Sauerstoffgehalt im Blut, der körperlichen Bewegung, dem Schlaf, dem Blutzuckerspiegel, der Körpertemperatur und vieles mehr. Die Genauigkeit und Leistungsmerkmale der jeweiligen Produkte sind jedoch unterschiedlich komplex. Das zuvor erwähnte tragbare Gerät zur Erkennung von Zysten, die symptomatisch für Brustkrebs sind, mag sicherlich sehr genau sein und eine gute Bildgebungsqualität liefern. Dasselbe gilt jedoch nicht zwangsläufig für ein anderes Gerät, das misst, wie viel wir uns an einem Tag bewegen. Viele von uns haben die Erfahrung gemacht, wie ungenau Schrittzähler sein können, oft werden Schritte nicht gezählt oder fälschlicherweise andere Bewegungen als Schritte gezählt.

Diese Probleme können aufgrund von Unterschieden bei der Sensorplatzierung oder Sensorkalibrierung auftreten. Wenn wir eine Zukunft anstreben, in der Wearables einen Teil der Arbeit von Krankenhäusern übernehmen, müssen die Berichte, die auf entsprechenden durch Sensoren gelieferten Daten beruhen, sehr genau sein, um falsche Diagnosen zu vermeiden.

Hier kommen internationale Normen ins Spiel. Sie tragen dazu bei, Sicherheits- und Leistungsmaßstäbe für die Geräte festzulegen. Das technische Komitee IEC/TC 124 erstellt Normen für tragbare elektronische Geräte und Technologien. Normen, an denen aktuell gearbeitet wird, konzentrieren sich konkret auf die Messung der Herzfrequenz durch tragbare Geräte und die Schrittzählung.

Daneben können Ärzt*innen Wearables in der biomedizinischen Forschung und für die klinische Versorgung nutzen. Die von diesen tragbaren Geräten gesammelten Daten werden digital gespeichert, was zu Bedenken hinsichtlich Datenschutz und dem ethisch vertretbaren Teilen vertraulicher Informationen von Patient*innen führt.


Mann mit Smartwatch Augmented Reality
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Medizinische Wearables werden langfristig die Gesundheit von Patienten verbessern

Wearables sind nicht gleich Wearables. Auf dem Markt erhältlich sind derzeit nur Produkte für Freizeit, Fitness und Wellness. Wearables für den medizinischen Bereich werden zwar bereits getestet, befinden sich aber noch in der Entwicklung und unterliegen hohen, regulatorischen Anforderungen. Die Normung beschäftigt sich schon jetzt mit den Sicherheitsanforderungen medizinischer Wearables.

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KI öffnet neue Türen

In vielen Bereichen wird das Potential künstlicher Intelligenz (KI) genutzt, um die Produktivität zu verbessern, so im Gesundheitswesen. Wearables können mit KI kombiniert werden, um die Analysemöglichkeiten zu verbessern und kleinste Muster zu erkennen, die auf chronische Krankheiten hindeuten oder dazu beitragen, schweren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder sogar Krebs vorzubeugen. Die empirischen Daten, die von intelligenten tragbaren Geräten gesammelt werden, können Menschen, die anderenfalls eventuell erste Symptome ignorieren, dazu bringen, sich behandeln zu lassen.

Fortschritte in diesem Bereich sind nicht nur auf KI zurückzuführen. Zukünftige Innovationen hängen auch von der Integration von Geräten mit verschiedenen neuen Technologien, wie flexible Elektronik, Big Data und Cloud Computing, ab.

Professorin Sofia Scataglini, Biomedical Engineer und anerkannte Expertin für digitale Modellierung und Simulation von Menschen, die Mitglied von IEC/TC 124 ist, erklärt das Potential von Wearables zur Unterstützung der Telerehabilitation und der Fernüberwachung von Patient-Gruppen von Zuhause. Sie weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: „Bei der Entwicklung von tragbaren Technologien ist es auch wichtig, dass sich das Design am Menschen orientiert, damit die Einsatzmöglichkeiten und die Vorteile für die Nutzenden erhöht werden.“

Am Beispiel von intelligenter Kleidung erläutert Scataglini die Bedeutung geschlechtsspezifischer Normen. Sie weist darauf hin, wie manchmal bei der Gestaltung von etwas so einfachem wie intelligenter Kleidung eine Tendenz besteht, den unterschiedlichen Anforderungen des männlichen und weiblichen Körperbaus nicht hinreichend Rechnung zu tragen. Normen können hier eine entscheidende Rolle dabei spielen, Best Practices aufzuzeigen und geschlechtsspezifische Aspekte beim Design zu berücksichtigen.


Mensch virtuell am Stuhl
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Weg frei für geschlechtergerechte Normen

Welche Auswirkungen kann inklusives Design auf das reale Leben haben. Sofia Scataglini ist Expertin für digitale Modellierung und Simulation von Menschen und erläutert im Interview anhand von Beispielen, wie Crashtest-Dummys und Wearables, die Bedeutung inklusiver und geschlechtergerechter Normung.

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IEC-Normen beugen Risiken vor

Kommen wir wieder zum Datenschutz und der Gefahr von Hacking zurück. IEC-Normen können die Sicherheit erhöhen, indem sie sicherstellen, dass Medizinprodukte die Industrienormen hinsichtlich Cybersecurity erfüllen. IEC TR 60601-4-5:2021 liefert einen detaillierten Leitfaden zur Anpassung von IEC 62443, einer Norm, die sich in erster Linie auf industrielle Kommunikationsnetze konzentriert, damit sie den spezifischen Bedürfnissen des Gesundheitssektors gerecht wird. ISO/IEC SC 38, das gemeinsame Subkomitee von IEC und ISO, kümmert sich um die Normung von Cloud Computing, während IEC/TC 47 Normen für Sensoren erarbeitet.

Eine weitere wichtige Normenreihe ist IEC 80001, die dazu beiträgt, potentielle Risiken im Zusammenhang mit Medizinprodukten in einer vernetzten Umgebung zu erkennen und zu mindern. Sie umfasst Cyberbedrohungen und Fehler bei der Kommunikation zwischen Geräten. Medizinische Normen müssen generell die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden in den verschiedenen Regionen der Welt berücksichtigen, wie beispielsweise von der FDA in den USA. Das für medizinische Normen zuständige IEC-Komitee, das die Normenreihe IEC 80001 veröffentlicht, ist sich bewusst, wie wichtig die Anforderungen an die Sicherstellung der Patientensicherheit sind.

Regina Geierhofer, Secretary des Komitees, unterstreicht diesen Aspekt: „Ein sehr wichtiger grundlegender Gedanke bei der Entwicklung einer Norm für ein Gerät oder ein System ist für die Expert*innen von IEC/TC 62, dass die Vorteile für die Patient*innen größer sein müssen als die Risiken. Was immer die Technologie macht, sie sollte mehr nutzen als schaden. Die Nutzen-Risiko-Analyse ist für alle regulierten Produkte sehr wichtig, aber im medizinischen Bereich steht sie für uns bei der Entwicklung von Normen an absolut erster Stelle.“

Auf Seite der Konformitätsbewertung bietet IECEE die Prüfung und Zertifizierung der Sicherheit, Zuverlässigkeit, Effizienz und generellen Leistung elektrischer Geräte für den medizinischen Gebrauch nach internationalen IEC-Normen. Darüber hinaus ermöglicht IECQ im Rahmen des weiten Spektrums an Elektronikprodukten, die es abdeckt, die Bewertung von Sensorherstellern und entsprechender Dienstleistungsanbieter, um festzustellen, ob diese die vereinbarten internationalen Normen erfüllen.

Die Entwicklung von Wearables in dem Gefüge vernetzter Technologien bietet zahlreiche Möglichkeiten für Fortschritte im Gesundheitswesen. Auf dieser Reise sorgen parallel dazu entwickelte Normen für einen sicheren und zuverlässigen Rahmen, in dem der Sektor der tragbaren medizinischen Geräte agieren und weiterentwickeln kann.


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