Kleinkind spielt mit einem KI-Roboter zu Hause
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26.01.2024 Veranstaltungsrückblick

Ein neuer Standard muss her! Rollenspiel fördert das Verständnis von Normung und Konformität

Vom 18. bis 19. Januar 2024 fand das erste Conformity Assessment Bootcamp statt. Organisiert von der Next Generation DKE in Kooperation mit der International Product Safety GmbH in Bonn schlüpften die zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils in unterschiedliche Rollen. Ziel war es, die individuellen Sichtweisen darzulegen und die eigenen Argumente zur Erarbeitung eines neuen Standards einzubringen. Das Produkt in diesem Fall? Ein Baby-Roboter.

Ein Rückblick auf zwei informative und diskussionsreiche Veranstaltungstage.

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Alena Widder
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Wenn ein Workshop morgens um 9:00 Uhr beginnt, ist die Anreise am Vortag meistens sinnvoll – vor allem bei den Witterungsverhältnissen, wie wir sie Mitte Januar hatten. Und wenn alle Teilnehmenden einen Tag früher anreisen, dann bietet sich auch ein entspanntes Kennenlernen in gemütlicher Atmosphäre an.

Bei Pizza, Pasta und Salat saßen die zwölf Teilnehmenden vom ersten Conformity Assessment Bootcamp abends im verschneiten Bonn zusammen, haben sich über Berufliches ausgetauscht, über gemeinsame Erinnerungen an vergangene Treffen der Next Generation DKE und natürlich auch über Privates (hoch im Kurs stand dabei die Frage: Bei wem hat es eigentlich am meisten geschneit? Die Frage klärte dann auch, wer von wo angereist ist.).

Organisiert wurde das erste Conformity Assessment Bootcamp von der Next Generation DKE in Kooperation mit der International Product Safety GmbH.

Viele Arbeitsbereiche, ein gemeinsamer Nenner.

Den nächsten Tag eröffnete Heribert Schorn, Geschäftsführer und Technischer Leiter der International Product Safety GmbH (I2PS) in Bonn. Schorn ist darüber hinaus Vorsitzender des internationalen Gremiums IEC/TC 42 sowie Mitglied im IEC Conformity Assessment Board (IEC CAB). Die Vorstellungsrunde zeigte gleich: Konformitätsbewertung geht praktisch alle Unternehmen etwas an. Bahnsektor, Batterien, Klimatechnik – die Arbeitsbereiche und Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren bunt gemischt, sodass alle ihre eigenen Sichtweisen in die Gespräche und Breakout Sessions einbringen konnten.

Dr. Annette Frederiksen, ehrenamtliche Leiterin der Next Generation DKE, stellte anschließend das Programm der Next Generation DKE vor. Frederiksen zeigte auf, dass für jeden, der in der Normung bzw. bei den Young Professionals aktiv werden möchte, etwas dabei ist. Die Angebote reichen von kurzen Sessions wie dem regelmäßigen Normungsstammtisch bis zum lebenslangen Lernen und Begleiten wie beim Mentoring-Programm. Und sie bieten zudem eine großartige Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen und das eigene Netzwerk weiter aufzubauen.


Das Netzwerk junger Menschen in der DKE

Die Next Generation DKE ist das Netzwerk der nächsten Generation zu allen Themen rund um die Zukunft der Normung und Standardisierung bei der DKE. Unser Ziel ist es, Studenten und Young Professionals zukünftig im Normungs- und Standardisierungsprozess der DKE sowie den jeweils dazugehörigen Gremien gezielt und stärker einzubinden.

Zum Next Generation DKE Programm

Konformitätsbewertung machen wir alle. Jeden Tag.

Aber was ist eigentlich „Konformitätsbewertung“? Mit dieser Frage stieg Heribert Schorn in den fachlichen Teil des Workshops ein. Um vom Abstrakten ins Einfache zu kommen, fragte Schorn in die Runde: „Wie treffen Sie denn selbst Ihre Kaufentscheidungen?“ Der Groschen war gefallen. Markenbekanntheit, gute Erfahrungen oder auch Empfehlungen durch Freunde, Bekannte oder Testberichte – im Kern geht es dabei immer um Vertrauen. „Vertrauen“ war an diesem Tag der Begriff, der noch häufiger fallen sollte, denn Konformitätsbewertung schafft Vertrauen bei den beteiligten Akteuren.

Schorn verdeutlichte das Zusammenspiel zwischen Normen und Konformitätsbewertung: Expert*innen sorgen für Qualität, indem sie auf Konsensbasis einen internationalen Standard veröffentlichen, der das Ziel verfolgt, die Sicherheit zu gewährleisten. Konformität bewertet das Risiko – es wird geprüft, ob bspw. ein Produkt (oder ein Service) die Anforderungen der zu berücksichtigen Standards erfüllt. Wenn dem so ist, wird das Risiko für dieses Produkt (oder den Service) minimiert – und das schafft wiederum Vertrauen.

Schorn zog sein erstes Fazit: „Wir alle führen jeden Tag mehrfach Konformitätsbewertungen durch.“ Stille. „Glauben Sie mir nicht? Na, dann gehen Sie doch morgen einmal in den Supermarkt und stellen Sie sich an die Obsttheke. Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Äpfel aus? Nach den eigenen Anforderungen. Wenn ein Apfel unsere Kriterien erfüllt – groß, rot und saftig beispielsweise, dann kaufen wir ihn. Und wenn nicht? Dann lassen wir ihn liegen.“ Schorn versteht es, Dinge einfach zu erklären. Das fällt an dem Tag immer wieder auf.


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Rollenspiele offenbaren versteckte Schauspieltalente.

Nachdem alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen ersten Einblick in die Welt der Konformitätsbewertung bekommen hatten, folgte die erste Breakout Session. In einem fiktiven Szenario kommt ein „Baby-Roboter“ auf den Markt. Aufgabe war es, darüber zu diskutieren, wer hierfür einen Standard benötigt, warum überhaupt und welche Spannungen zwischen den beteiligten Marktakteuren durch ihre unterschiedlichen Interessen entstehen können. Ein Committee Draft for Voting (CDV) lag bereits vor und stellt im Normungsprozess die letzte Phase dar, in der Kommentare zu einem IEC Standard berücksichtigt werden können. Die Teilnehmenden bekamen jeweils eine Rolle zugewiesen, aus der heraus sie ihre eigenen Argumente platzieren sollten – Hersteller, Prüflabore, Konsumenten und einige weitere waren im Rollenspiel vertreten

Konsumenten wollen nur sichere Produkte. Der Hersteller will einen lokalen Standard, weil einfacher, schneller und günstiger. Einige Länder möchten das Produkt importieren, haben aber teilweise keine Ressourcen, um selbst einen Standard zu erarbeiten, und setzen sich deshalb für einen internationalen IEC Standard ein. Prüfeinrichtungen pochen aufgrund ihrer Unabhängigkeit auf ein Third-Party-Audit, weil sie auf diese Weise ihr Geld verdienen. Die Welt ist halt komplex. Und kompliziert. 45 Minuten – es waren wilde Diskussionen. Heribert Schorn lacht und kommentiert: „Für das Rollenspiel gibt es ein Cheat Sheet, falls die Diskussion nicht in Gang kommt. Das kann ich bei Ihnen zerreißen.“


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Ob Computermaus oder Öl-Raffinerie: Alles birgt ein Risiko.

Benjamin Johann gehört zum Team von Heribert Schorn im I2PS und bringt mit seinem Vortrag etwas Ruhe in die Runde – am Nachmittag darf schließlich weiterdiskutiert werden. Johann erklärte der Gruppe, was das Risikolevel im Kontext der Konformitätsbewertung bedeutet. Vereinfacht gesagt: Von einer Computermaus geht ein verhältnismäßig geringes Risiko aus. In diesem Fall reicht eine Herstellererklärung aus. Bei einer Öl-Raffinerie hingegen besteht ein verhältnismäßig hohes Risiko. In diesem Fall wird geprüft und zertifiziert. Und das nicht nur im Hinblick auf die Produkte, sondern auf praktisch alles, was geprüft und zertifiziert werden kann – auch Mitarbeitende, Equipment und Prozesse. Nicht nur die eigenen, sondern auch die von externen Dienstleistern.

Nach dem Mittagessen bekam die Gruppe zunächst noch eine Führung durch das I2PS-Prüflabor, bevor es mit der zweiten Breakout Session weiterging. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Fragen, für welche Einsatzzwecke der „Baby-Roboter“ gedacht ist, welches Risikolevel angemessen sein könnte und welche(s) IEC Konformitätsbewertungssystem(e) entsprechend berücksichtigt werden sollte(n). Es kamen Vergleiche zu Filmen wie M3GAN und I, Robot auf. Auch wurde darüber diskutiert, ob sich Elon Musk mit seinem humanoiden Roboter Optimus nicht ähnliche Fragen stellen müsse. Antwort: Ja, muss er.

Raymond Puppan, DKE Senior Principal Expert für Konformitätsbewertung, griff die angeregte Unterhaltung auf und stellte einige provokative Fragen im Hinblick auf juristische Aspekte: „Wenn ich mich als Unternehmer in einem Schadensfall darauf berufe, mich an gültige Standards gehalten zu haben – bin ich dann überhaupt haftbar? Und was bedeutet eigentlich „rechtssicher“ in diesem Zusammenhang?“ Die Gruppe hatte sichtlich Spaß an seinen Fragen und dem Herleiten der Antworten.


Impressionen vom Conformity Assessment Bootcamp


Conformity Assessment Bootcamp: ein voller Erfolg!

Die Ergebnisse der Breakout Session am Nachmittag wurden vorgestellt, bevor anschließend die Abschlussrunde eingeläutet wurde. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilten ihr persönliches Feedback zum Conformity Assessment Bootcamp in der Gruppe. Positiv hervorgehoben wurden insbesondere die offenen Diskussionen, die Breakout Sessions, der Rundgang durch das Prüflabor sowie das Format als solches. Alle waren sich am Ende einig, dass „Konformität“ – als eher schwierig zugängliches Thema – spielerisch einfach und verständlich vermittelt wurde.

Es war ein Tag, gespickt mit anwendungsrelevanten Informationen, spannenden Diskussionen und einer guten Prise Humor. Für die noch offenen Fragen bot Raymond Puppan mit den DKE Schulungen für Expertinnen und Experten direkt weitere Anknüpfungspunkte an, um bei Interesse weiter in das Thema der Konformitätsbewertung einzutauchen. Heribert Schorn gab den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Ende noch ein paar Worte mit, bevor sich alle auf den Heimweg machten: „Standards und Konformität sind wie zwei Seiten einer Medaille – die eine kann nicht ohne die andere und liefert für sich keinen Wert. Nehmen Sie das bitte mit und kommen Sie gut nach Hause.“

Und, wie hat euch das Conformity Assessment Bootcamp gefallen?

„Das Rollenspiel war eine starke, praktische Übung, die im Kern an echte Sitzungen erinnert.“ (Benjamin Johann)

„Mir hat das Rollenspiel am meisten gebracht, weil so viele unterschiedliche Sichtweisen eingebracht wurden.“ (Michael Fiege)

„Mir hat es heute sehr gut gefallen. Ich werde das Bootcamp meinen Kolleginnen und Kollegen empfehlen.“ (Mohammad Maleki)

„Bei mir hat dieser Tag viel Interesse geweckt, sodass ich mich noch weiter mit Konformitätsbewertung beschäftigen und mich tiefer in das Thema einarbeiten möchte.“ (Michael Dopichaj)


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