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10.02.2025 Fachinformation

Nachhaltigkeitsziele der Vereinigten Arabischen Emirate und Inklusion durch Normung

Die Präsidentin des nationalen IEC-Komitees der Vereinigten Arabischen Emirate spricht über die Pläne des Komitees zur Verringerung von Umweltauswirkungen und die Wichtigkeit von Inklusion und Repräsentation in der Normung.

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Anuschka Wojciechowski
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Das erwartet Sie in diesem Artikel

  • Maßnahmen der VAE zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung
  • Zusammenarbeit mit der IEC zum Erreichen der VAE-Entwicklungsziele
  • Beitrag von Konformitätsbewertung für eine nachhaltige Entwicklung
  • Bedeutung junger Fachkräfte für die internationale Normung

Dr. Farah Al Zarooni ist Präsidentin des nationalen IEC-Komitees der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie ist Assistant Undersecretary für den Standards and Regulation Sector im Ministry of Industry and Advanced Technology der Vereinigten Arabischen Emirate und war Vorsitzende verschiedener regionaler und nationaler technischer Komitees auf GCC- und OIC-Ebene.

Mit IEC e-tech hat Dr. Farah Al Zarooni, die sich seit mehr als 25 Jahren für eine leistungsstarke Infrastruktur und industrielle Entwicklung einsetzt, über die Initiativen der VAE zur Verringerung von Umweltauswirkungen und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung sowie die Wichtigkeit von Inklusion und Repräsentation in der Normung gesprochen.

Interview mit Dr. Farah Al Zarooni

e-Tech: Was unternehmen die Vereinigten Arabischen Emirate zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung?

Al Zarooni: Die VAE verfolgen verschiedene Maßnahmen und Programme, sowohl auf Ebene der Emirate als auch auf nationaler Ebene, die darauf abzielen, die Auswirkungen der Industrialisierung auf die Umwelt zu verringern und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die auf nationaler Ebene ins Leben gerufene Green Agenda 2030 zielt beispielsweise darauf ab, die Emissionen der VAE auf weniger als 100 Kilowattstunden pro Person bis 2030 zu senken und die Wirtschaft damit umweltfreundlicher zu machen.

Auf Ebene der Emirate (die Vereinigten Arabischen Emirate bestehen aus sieben Emiraten bzw. Staaten) setzen Abu Dhabi, Dubai und Ras Al Khaimah Programme zum „Demand Side Management (DSM)“ um, die sich mit verschiedenen Aspekten auseinandersetzen, die zu einem wirksamen Management des Strom- und Wasserbedarfs beitragen. Dazu gehören Gebäude & Infrastruktur; Ausstattung, Geräte & Verfahren; sowie Fahrzeuge.

e-Tech: Welchen Beitrag leisten Normen hierbei?

Al Zarooni: Normen helfen uns, die angestrebten Ziele schneller zu erreichen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die DSM-Strategie in Dubai, die 2016 entwickelt wurde und vom Dubai Supreme Council of Energy (DSCE) geleitet wird. Sie gibt das Ziel vor, den Energie- und Wasserverbrauch bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Die Strategie umfasst elf Programme, darunter Normen & Kennzeichnungen, das durch das Ministry of Industry and Advanced Technology (MoIAT) geleitet wird und einen wesentlichen Beitrag leistet.

Dem Jahresbericht 2022 zur DSM-Strategie des DSCE zufolge leistet das Programm Normen & Kennzeichnungen des MoIAT mit einem Anteil von 31 Prozent an den Gesamt-DSM-Senkungen bei Strom und 39 Prozent bei Wasser den größten Beitrag zu den DSM-Senkungen. Das sind 2.499 GWh an Einsparungen beim Stromverbrauch bzw. 6.249 MIG beim Wasserverbrauch.

Seit 2011 führt das MoIAT zudem das Programm Standardization and Comparative Labelling (EESL) durch, das sich mit Haushaltsgeräten befasst, die viel Strom bzw. Wasser verbrauchen. Dazu gehören Klimaanlagen, Kühlschränke, Waschmaschinen und Trockner, Warmwasserbereiter und Armaturen zur Wasserregelung. Die Verfügbarkeit von Normen hat es uns ermöglicht, die Entwicklung und Umsetzung des EESL-Programms zu beschleunigen.

Das Vorhandensein von international und branchenweit anerkannten Normen ermöglicht die Weiterentwicklung unserer Initiativen. Ganz zu schweigen von der Zeit- und Arbeitsersparnis im Hinblick auf Rücksprache mit der Industrie, Forschung und Entwicklung etc.


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e-Tech: In welchen Bereichen bräuchte es noch mehr Normung? Sind noch weitere Maßnahmen bzw. Initiativen für die Zukunft geplant?

Al Zarooni: Dank Normung haben wir eindrucksvolle Ergebnisse erzielt, vor allem im Bereich der Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik. In anderen Bereichen gibt es aber durchaus noch Potential für Verbesserungen. Wir wollen unsere Bemühungen im gewerblichen und industriellen Bereich und im Hinblick auf Geräte, die im Bereich erneuerbare Energien wie Solar-, Wind- und Meeresenergie zum Einsatz kommen, fortsetzen. Zu diesem Zweck suchen wir ständig nach neuen Möglichkeiten, um die Beteiligung am Konformitätsbewertungssystem von IECRE zu erhöhen und unterstützen die Anstrengungen der anderen Mitglieder.

e-Tech: Sie bemühen sich darum, mehr Expert*innen aus der Industrie in die Normungsarbeit zu involvieren, um industrielle Prozesse nachhaltiger zu gestalten. Können Sie uns mehr dazu sagen?

Al Zarooni: Wir haben in den letzten Jahren eine große Umstrukturierung erlebt. Einer der Bereiche, der verbessert wurde, war das nationale IEC-Komitee der VAE, das vom MoIAT geleitet wird. Einer unserer ersten Schritte war die Einrichtung einer Beratungsgruppe, die sich aus bekannten Branchenexpert*innen des Landes zusammensetzt, darunter Mitarbeitende von Zertifizierungsstellen, Laboren, Personen aus dem akademischen Bereich und junge Fachkräfte.

Regelmäßiger Austausch mit den verschiedenen Interessengruppen und Förderung ihrer Beteiligung am Normungsprozess, an Konformitätsbewertungen und der Entwicklung von Vorschriften im Land stellen gemeinsames Wachstum sicher. Außerdem bestärken wir Unternehmen darin, Fachkräfte dabei zu unterstützen, Teil der Beratungsgruppe zu werden, indem die Vorteile hervorgehoben werden, die sie durch die Beteiligung an der landesweiten Anstrengung erhalten können.

Die Vereinigten Arabischen Emirate sind sich bewusst, wie wertvoll Expert*innen aus der Industrie sind und fördern sie deshalb intern bzw. rekrutieren sie aus dem Ausland. Sie sind extrem wichtig für die Industrialisierung und das nachhaltige Wachstum der VAE. Das ist deutlich erkennbar an verschiedenen Programmen innerhalb des Landes, wie das Anwerben neuer Talente durch das Anbieten entsprechender Anreize und Unterstützung.

e-Tech: Inwiefern hat die Zusammenarbeit mit der IEC zum Erreichen der Entwicklungsziele in den VAE beigetragen?

Al Zarooni: Unsere Beteiligung an der IEC hat uns Zugang zu einer Vielzahl von Ressourcen ermöglicht, die wir voll ausschöpfen wollen. Da die IEC internationale Maßstäbe setzt, sind wir sehr gerne ein Teil davon, tauschen uns aus und arbeiten mit den anderen IEC-Mitgliedern zusammen.

Neben Normen und Konformitätsbewertungssystemen besteht eine unverzichtbare Ressource der IEC aus den Expert*innen, Komitees und Mitgliedsländern, von denen wir Best Practices und Weiterbildung erhalten und mit denen wir Informationen und Ideen austauschen können. 


Kleinkind spielt mit einem KI-Roboter zu Hause
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Ein neuer Standard muss her! Rollenspiel fördert das Verständnis von Normung und Konformität

Vom 18. bis 19. Januar 2024 fand das erste Conformity Assessment Bootcamp statt. Organisiert von der Next Generation DKE in Kooperation mit der International Product Safety GmbH in Bonn schlüpften die zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils in unterschiedliche Rollen.

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e-Tech: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Konformitätsbewertung bei all dem und wie kann sie zu den Anstrengungen hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Al Zarooni: Die Konformitätsbewertung vervollständigt das Bild. Sie ermöglicht Ländern und Regulierungsbehörden, die Wirkung von Normen zu maximieren. Die Verfügbarkeit von international anerkannten Konformitätsbewertungssystemen beschleunigt und erleichtert den Genehmigungsprozess in Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Das MoIAT betreibt eine nationale Zertifizierungsstelle (en: national certification body, NCB) mit unserem CB-Testlabor (CBTL) Dubai Central Laboratory, das entsprechende Tests im Hinblick auf die IECEE-Kategorie Elektrische Energieeffizienz (E3) durchführt. Mit Hilfe des E3-Programms will IECEE die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen im Bereich Energieeffizienz von elektrischen und elektronischen Geräten über Landesgrenzen hinweg erleichtern. Außerdem arbeiten wir daran, eine Zertifizierungsstelle im IECRE-Konformitätsbewertungssystem zu werden.

Aus Sicht der Regulierungsbehörde sind die Konformitätsbewertungssysteme der IEC unsere Anlaufstelle für elektrotechnische Geräte. Es macht einfach Sinn. Es macht alles einfacher.

e-Tech: Die VAE haben das IEC-Programm Young Professionals (YP) erfolgreich umgesetzt und jeweils 2015, 2021, 2022 und 2023 wurden Kandidat*innen ausgewählt. Was motiviert die VAE dazu, sich so aktiv an dem Programm zu beteiligen?

Al Zarooni: Wir sind froh und dankbar, dass die IEC diese Möglichkeit bietet. Wir sind überzeugt, dass die jungen Leute viel zu bieten haben und fördern ihre Einbindung auf verschiedensten Ebenen. Die VAE verfügen über eine Behörde auf nationaler Ebene, die für Jugendförderung zuständig ist und mehrere Jugendverbände unter sich hat. Das ermöglicht uns, die jungen Menschen einfach zu erreichen.

Außerdem glauben wir, dass die jungen Menschen aus den VAE über großes Potential im Hinblick auf technisches Fachwissen verfügen und die nächsten Generationen der IEC prägen werden. Wir sind dankbar, dass wir der IEC diese jungen Fachkräfte aus den VAE zur Verfügung stellen können.

Und schließlich betonen wir gegenüber unseren Delegierten stets, dass die IEC eine herausragende fachliche Organisation ist und sie die Erfahrung genießen und ihr Netzwerk erweitern sollten.

e-Tech: Warum glauben Sie, dass junge Fachkräfte wichtig für die internationale Normung sind?

Al Zarooni: Junge Fachkräfte sind die Zukunft der IEC und es ist unsere Aufgabe, sie mit all dem Wissen und den Ressourcen auszustatten, die wir aktuell haben. Junge Fachkräfte bieten zudem eine andere, unkonventionelle Sichtweise. Unserer Erfahrung nach liefern sie eine Vielzahl kreativer Ideen und sie fühlen sich nicht an traditionelle Denkweisen gebunden. Ihrer Generation fällt die Anpassung an die sich verändernde technologische Landschaft viel leichter und wir können alle von ihrer Sichtweise und ihren Erkenntnissen profitieren.


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Was bedeutet eigentlich Diversität? Warum kann geschlechtergerechte Normung Leben retten kann? Und wie kann Sprache Bewusstsein erzeugen? Im Vorfeld zum DKE Innovation Campus 2024 haben wir Antonia Borsutzky und Batuhan Ayaz diese und weitere Fragen gestellt. Im Interview geben sie uns einen Einblick in ihren Berufsalltag, der davon geprägt ist, andere Menschen zu begeistern und mitzunehmen, aber auch, eigene Ängste und Sorgen zu überwinden.

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e-Tech: Im März wird in vielen Ländern der Women’s History Month gefeiert. Warum ist die Repräsentation und Einbeziehung von Frauen in die Normung und Konformitätsbewertung Ihrer Meinung nach wichtig?

Al Zarooni: Die Beteiligung von mehr Frauen ist eine wesentliche Voraussetzung, um eine inklusivere und gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen. Sicherzustellen, dass Frauen eine aktive Rolle bei der Normung und Konformitätsbewertung haben, sorgt dafür, dass Frauen in diesen Bereichen nicht länger unterrepräsentiert sind, wie es jahrelang der Fall war. Außerdem spielt es eine wichtige Rolle bei der Adressierung und Beseitigung von Vorurteilen und Ungleichheiten in verschiedenen Branchen und Sektoren.

Normung und Konformitätsbewertung haben einen wichtigen Einfluss auf unser Leben. Ganz zu schweigen von Verbraucherschutz, ökologischer Nachhaltigkeit, Handelserleichterungen und technologischen Fortschritten. Es ist deshalb überaus wichtig, verschiedene Perspektiven zu haben. Ein wesentlicher Teil der Verbraucher, Arbeiter und Geschäftsinhaber weltweit sind Frauen. Ihre Perspektive und ihre Anforderungen sind relevant für die Entwicklung angemessener und inklusiver Normen und Konformitätsbewertungsprozesse. So wird sichergestellt, dass verschiedene Interessengruppen berücksichtigt werden.

Studien haben gezeigt, dass diverse Teams die Zahl neuer Ideen deutlich erhöhen, die Lösung von Problemen verbessern und innovative Lösungen hervorbringen. Die Einbeziehung von Frauen in die Entwicklung von Normen und Konformitätsbewertungsprozesse ermöglicht es, effektive, zukunftsfähige und praktische Lösungen zu liefern, die zu wirtschaftlichem Wachstum und Innovationen beitragen. Plus, weibliche Führungskräfte und Fachleute zu sehen, ermutigt junge Frauen, eine Karriere und aktive Rolle in diesen Bereichen zu verfolgen, was die Entwicklung in diesen Bereichen weiter beschleunigt.



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