Neuer intelligenter digitaler Stromzähler. Nahaufnahme.Stromzähler für zu Hause.
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05.08.2024 Fachinformation

In einer modernen Welt ist die Elektrizität genauso wichtig wie Wasser

Peter Jensen ist Vorsitzender des Technischen Komitees IEC/TC 13, das Normen im Bereich der Messung und Steuerung von elektrischer Energie für intelligente Messgeräte und -systeme, die Bestandteil intelligenter Netze (Smart Grids) sind, erarbeitet.

Mit IEC e-tech sprach er über die Herausforderungen für das Stromnetz im Zuge der Entwicklung zu einer All Electric Society und darüber, wie IEC/TC 13 Normen erarbeitet, die dazu beitragen, diese Herausforderungen zu meistern.

Ein Beitrag von Catherine Bischofberger für IEC e-Tech.

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Bernd Stäblein
Zuständiges Gremium

Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Modernisierung der Netzinfrastruktur und Ausbau in Schwellenländern
  • Herausforderungen durch eine All Electric und Connected Society
  • Relevante Normen und Standards für Smart Meter
  • Wesentliche Herausforderungen für IEC/TC 13

Interview mit Peter Jansen

e-Tech: Teilen Sie die Meinung des Weltwirtschaftsforums und der Internationalen Energieagentur (IEA), die die Alarmglocken geläutet haben und Ländern dringend raten, ihre Netze zu modernisieren?

Jansen: Sowohl auf politischer Ebene als auch unter Energiefachleuten werden die Ansichten des Weltwirtschaftsforums und der IEA geteilt. Die Beschleunigung der Elektrifizierung ist eine absolute Notwendigkeit, um den Energiesektor zu dekarbonisieren. Elektrifizierung ist entscheidend, um das Ziel der Emissionsfreiheit zu erreichen und so unsere schädlichen Auswirkungen auf das Klima und damit auf die Zukunft unserer Kinder zu reduzieren. Wir können dieses Ziel erreichen, aber dafür braucht es mutige Entscheidungen des Energiesektors.

Es müssen neue Quellen der Stromerzeugung aufgebaut werden, darunter die Erzeugung aus erneuerbaren Energien und Wasserkraft wo immer möglich, und Kernkraft in Ländern, die diese nutzen. Außerdem müssen die Übertragungs- und Verteilnetze entsprechend angepasst werden, damit sie sowohl dem neuen Energiemix, bestehend aus einem großen Anteil intermittierender Stromerzeugung aus Sonnen- und Windenergie, als auch den unterschiedlichen Verwendungszwecken (wie Wärmepumpen und Laden von Elektrofahrzeugen) gerecht werden können. Des Weiteren muss der Energieverlust reduziert und die Energie besser genutzt werden, d. h. die Energieeffizienz muss verbessert werden. Welche Maßnahmen dazu eingesetzt werden, hängt von dem jeweiligen Energiesystem in den verschiedenen Regionen der Welt ab.

In Schwellenländern besteht das Problem darin, Elektrizität in entlegene und ländliche Gebiete zu bringen, in denen bisher kein Zugang zu Elektrizität existierte. Das ist ein komplett anderes Problem als in besser entwickelten Ländern, aber es ist genauso wichtig.

Die IEC liefert viele der Normen, die den Zugang zu Elektrizität ermöglichen. Im IEC/TC 13 sind viele Fachleute aus Afrika engagiert und einige davon haben einen maßgeblichen Anteil an den Normen zu Smart Meter, insbesondere zu Vorkasse-Zählern.


Mit positiver Energie vernetzen wir Menschen und Technologien.

Die All Electric Society steht am Horizont aller Überlegungen einer erfolgreichen Energiewende und beschreibt die Vision einer CO2-neutralen und nachhaltigen Welt. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse decken den Energiebedarf; auf fossilen Energieträgern basierende Technologien werden elektrifiziert. Die DKE hat sich dem Zukunftsbild einer All Electric Society verschrieben. Unsere Normungsgremien leisten hierbei eine wesentliche Grundlage für sichere, interoperable und vernetzte Technologien.

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e-Tech: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für das Netz im Zuge der Entwicklung zu einer All Electric und Connected Society?

Jansen: In einer modernen Welt kommt der Stellenwert von Elektrizität dem von Wasser gleich. Das bedeutet, dass die Sicherheit und Qualität der Stromversorgung nicht gefährdet werden dürfen. Aus diesem Grund stehen wir vor einer doppelten Herausforderung, denn wir müssen zum einen den Energiemix so anpassen, dass ein Großteil davon aus intermittierenden erneuerbaren Energien besteht, und zum anderen müssen wir die zuverlässige Verfügbarkeit von Elektrizität für sämtliche Verwendungszwecke sicherstellen.

Um eine Balance zwischen variabler Erzeugung und Verbrauch zu finden und aktuelle Fortschritte in der Energiespeichertechnologie zu berücksichtigen, müssen sowohl die Übertragungs- als auch die Verteilnetze angepasst werden. Die Energiespeicherung, die wesentlich für die Deckung des hohen Energiebedarfs ist, kann über stationäre Batterien, aber auch über Elektrofahrzeuge mit der Fähigkeit, Energie an das Netz zu liefern, gehandhabt werden. Die Idee ist, dass Elektrofahrzeuge geladen werden, wenn der Energiebedarf gering ist, zum Beispiel nachts. Wenn der Bedarf wieder hoch ist, sind sie dann in der Lage, die zusätzlich gespeicherte Energie in das Stromnetz einzuspeisen.

Zur Vermeidung einer umfassenden und teuren Netzverstärkung ist es vor allem wichtig, neue digitale Technologien, die einen dynamischen Netzbetrieb ermöglichen, zu entwickeln und einzusetzen. Ein Problem, mit dem wir konfrontiert sind, ist, dass jedes Netz anders ist. Das Netz in den USA arbeitet vorwiegend mit kleinen Transformatoren, während diese in Europa viel größer sind. Das ist nur ein Beispiel von vielen.

e-Tech: Welche Rolle spielen Smart Meter beim Roll-out des Smart Grid?

Jansen: Smart Meter dienen der Abrechnung von Energiedienstleistungen und der Lastkontrolle (aka Flexibilität bzw. Lastregelung) über lokale, beinahe echtzeitfähiger Schnittstellen. Genaueres dazu ist in der Norm IEC 62056‑7‑5 festgelegt. Die von den Messgeräten erfassten Daten werden zudem zu Analysezwecken genutzt und haben dadurch direkte Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen, Planungen und Abläufe. Die Informationen sind sehr wertvoll für Energieversorgungsunternehmen, da sie nicht überall gleichzeitig investieren können.

Smart Meter helfen ihnen, Prioritäten zu setzen, und tragen dadurch dazu bei, das Smart Grid zu verwirklichen. So kann beispielsweise die digitale Steuerung von Ladegeräten von Elektrofahrzeugen sicherstellen, dass Elektrofahrzeuge nachts und zu Zeiten geringen Strombedarfs geladen werden.

e-Tech: Welche wichtigen neuen Normen gibt es für Smart Meter?

Jansen: Wichtige Normen für Smart Meter betreffen die Messung zu Verrechnungszwecken und wir aktualisieren und erweitern diese Normen stetig. IEC/TC 13 hat beispielsweise die Norm IEC 62053‑41 für die Messung von Gleichstrom (DC) erarbeitet, eine wichtige Norm für die Hersteller von Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge und die entsprechenden Marktakteure. Schnelles Laden ist auf die Verfügbarkeit von Gleichstrom angewiesen und die Infrastruktur für schnelles Laden wächst schnell. Wir müssen die Norm voraussichtlich aktualisieren, wenn IEC/TC 8 eine Norm für Gleichstromnetze, auf die der Markt bereits wartet, veröffentlicht. Das Technische Komitee hat einen technischen Bericht zu dem Thema veröffentlicht, aber es bedarf einer internationalen Norm und die Fachleute arbeiten daran.

Weitere Normen befassen sich mit den Anforderungen an die Ausgestaltung und Prüfung von Smart Metern sowie den Anforderungen an Vorkasse-Zähler. Dann gibt es da noch die Normenreihe IEC 62056, die das Protokoll und Datenmodell für die Datenkommunikation auf Anwendungsebene beschreibt, auch bekannt als DLMS/COSEM-Normenreihe. Die Normen sind wichtig, um die Interoperabilität kommerzieller Produkte sicherzustellen. Die meisten Smart Meter, die weltweit eingesetzt werden, entsprechen diesen Normen. Die USA stellen hier eine Ausnahme dar, da sie weiterhin hauptsächlich ihre eigenen Normen nutzen, aber wir arbeiten mit dem American National Standards Institute (ANSI) daran, die Normen zu harmonisieren und gemeinsam weiterzuentwickeln.


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e-Tech: Welche Herausforderungen stehen für IEC/TC 13 an?

Jansen: Da gibt es viele! Das Aufkommen verteilter Energieressourcen (en: distributed energy resources, DERs); sich veränderndes Konsumverhalten wie das Laden von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen, Kühlung, intelligente vernetzte Häuser und Gebäude und so weiter; neue Marktregeln und Netzcodes, sowie wachsende Erwartungen der Endverbraucher*innen. Das sind alles Herausforderungen, die wir meistern müssen. Sie sind der Grund, warum Smart Meter, Lastkontrolle, Verteilung, Netzbetrieb und Energiemanagement für Gebäude und Häuser eng miteinander verbunden sind. Wir können nicht länger isoliert arbeiten. Notwendige neue Normen können nur durch die Kooperation der verschiedenen involvierten technischen Komitees erarbeitet werden.

IEC/TC 13 hat verschiedene gemeinsame Aktivitäten mit anderen technischen Komitees initiiert und bringt sich aktiv ein. Dazu gehört beispielsweise eines der Subkomitees von IEC/TC 23, das energieeffiziente Produkte für verschiedene Anlagen, inklusive intelligente vernetzte Gebäude, normt. Wir arbeiten auch mit IEC/TC 57 zusammen, das einige der grundlegenden Normen für das Smart Grid entwickelt, und mit IEC/TC 69, das Normen für das Laden von E-Fahrzeugen erarbeitet. Das Systemkomitee Smart Energy (SyC Smart Energy) koordiniert unsere ganzen Aktivitäten.

IEC/TC 13 arbeitet aktuell an seinem nächsten strategischen Geschäftsplan und es muss noch viel innerhalb der verschiedenen gemeinsamen Arbeitsgruppen passieren, bevor wir einen vollständigen Aktionsplan erstellen können. Zu den neuen Bereichen, die wir aktuell betrachten, gehören messtechnische Fernanzeigen, Untermessung, Datenkommunikation für das Laden von Elektrofahrzeugen, Multienergiemessung sowie Lastkontrolldienstleistungen basierend auf einer fortschrittlichen Messinfrastruktur. Das ist ein umfangreiches Programm!

Über Peter Jansen

Peter Jensen ist Senior Researcher bei Frankreichs nationalem Stromversorger EDF R&D, Metering Systems Group. In dieser Funktion unterstützt er Messprojekte im häuslichen, gewerblichen und industriellen Bereich, Smart Meter für Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge und die Entwicklung zukünftiger Messsysteme. Er arbeitet seit vielen Jahren in der Normung und neben seiner Tätigkeit als Vorsitzender von IEC/TC 13 engagiert er sich als Experte in IEC/TC 57. Zudem ist er Vorstandsvorsitzender der DLMS User Association.


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