Interview mit Holger Krumme
DKE: Herr Krumme, erläutern Sie doch kurz Obsoleszenz am Beispiel Ihrer Arbeit und HTV.
Krumme: Obsoleszenz begleitet uns schon seit vielen Jahren bei HTV. Zunächst einmal aus dem Grund, weil wir Bauteile auf Originalität untersuchen. Viele Kunden kommen auf uns zu, weil sie nicht wissen, ob Bauteile, die sie auf dem Markt beschafft haben, original vom Hersteller oder gefälscht sind, bzw. schon einmal eingebaut waren und „refurbished“ sind. Es besteht außerdem oft die Frage, was sich in den Bauteilen genau befindet und ob der Chip der Original-Chip ist.
Untersuchungen, die wir für Kunden durchführen, sind sehr umfangreich. Wir führen elektrische Prüfungen zur Verifizierung der Datenblattwerte sowie Inspektionen durch, um zu sehen, ob Manipulationsspuren von außen zu erkennen sind: Wurde zum Beispiel nachträglich eine Verzinnung durchgeführt? Mithilfe von Bauteilöffnungen prüfen wir außerdem, ob noch der Original-Chip enthalten ist oder irgendwelche ESD Schäden vorhanden sind.
Gerade jetzt, wo die Verknappung (Allokation) an Halbleiterbauteilen herrscht, kommen Kunden sehr oft auf uns zu. Ihre Not, Bauteile auf dem Markt zu beschaffen, weil sie vom Originalhersteller nicht verfügbar sind, ist sehr präsent.
Zum anderen gibt es die Obsoleszenz durch Bauteile, die abgekündigt wurden, weil die Hersteller ihre Fertigung einstellen. Das kann viele Gründe haben. Manchmal sind es Zusammenschlüsse von Unternehmen, wodurch die Produktlinien, die sozusagen doppelt sind, geschlossen werden und das Bauteil somit nicht mehr verfügbar ist. Das kann von heute auf morgen passieren. Kunden, die langlebige Produkte am Markt haben, stehen dann oft vor dem Problem, ihre Produkte nach wie vor mit identischen Bauteilen fertigen zu müssen.
Gerade im Bereich Sicherheitstechnik, Raumfahrt, Luftfahrt, Maschinenbau und zum Teil auch bei Medizingeräten ist es schwierig, ein Bauteil einfach durch ein anderes zu ersetzen. Es gibt manchmal Zertifizierungen, die verhindern, dass ein Bauteil ausgetauscht werden darf. Auch in der Bahntechnik oder Luftfahrt muss ein Bauteil oder die Baugruppe vielfach genauso wieder gefertigt werden, wie sie schon immer gefertigt oder freigegeben wurden. Hier ist das Thema Obsoleszenz sehr präsent.
Aktiv werden wir als HTV an dieser Stelle, indem wir Bauteile, die Kunden aufgrund einer Abkündigung in großen Stückzahlen kaufen, in unserem Langzeitlager einlagern. Hier haben wir ein weltweit einmaliges Verfahren, unser TAB-Verfahren, entwickelt, mit dem wir Bauteile bis zu 50 Jahre nahezu alterungsfrei lagern können.