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21.10.2024 Fachinformation

IEC Conformity Assessment Board: Wächter über die Zertifizierungswelt

Die Zahl der elektronischen Produkte im Alltag nimmt stetig zu, oft sind sie auch noch smart und mit dem Internet verbunden. Umso wichtiger ist es, dass Toaster, Saugroboter & Co. technisch sicher sind. Während Normen dafür Vorgaben machen, stellt die Konformitätsbewertung deren Einhaltung sicher.

Das IEC Conformity Assessment Board sitzt noch eine Etage höher, schaut Zertifizierern auf die Finger und prüft, welche Themen künftig auf die Agenda gehören. Einblicke in eine spannende Welt mit Normungsprofi und CAB-Insider Heribert Schorn.

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Raymond Puppan

Ein perfektes Paar: Normung und Konformitätsbewertung

Um zu veranschaulichen, wofür Normen in jedermanns Alltag stehen, bringt Heribert Schorn ein plakatives Beispiel: „Wenn Sie ein Netzteil anfassen, möchten Sie keinen Stromschlag bekommen. Für diese Sicherheit sorgen Normen.“ Sie legen exakt fest, was gegeben sein muss, damit ein Produkt nicht überhitzt, nicht anfängt zu brennen oder keine schädlichen Substanzen enthält. Auch geben Normen einen Rahmen vor, wie sich die Einhaltung dieser Vorgaben überprüfen lässt. Sie sind zudem von Herstellern, Lieferanten und anderen Dritten anwendbar, also neutral formuliert.

„Das ist alles gut und schön“, sagt Schorn, seit 30 Jahren in Normung und Konformitätsbewertung aktiv und u. a. aktuell als Vorsitzender des internationalen Gremiums IEC/TC 42 und als stellvertretendes Mitglied im IEC Conformity Assessment Board (IEC CAB) tätig. „Aber wer stellt sicher, dass die Anforderungen der Normen in der Praxis auch berücksichtigt werden?“ Dafür hat die IEC (en: International Electrotechnical Commission) vier Konformitätsbewertungssysteme (en: Conformity Assessment Schemes) etabliert, die eine unabhängige Überprüfung von Produkten, Komponenten und Dienstleistungen ermöglichen.

Die Konformitätsbewertungssysteme der IEC sind international anerkannt und stehen für das weltweit größte Serviceangebot für Konformitätsbewertung im Sektor Elektrotechnik und darüber hinaus. Das größte System, das IECEE (en: IEC System of Conformity Assessment Schemes for Electrotechnical Equipment and Components), verzeichnete 1999 noch 3.000 Zertifizierungen, inzwischen sind es rund 40.000 pro Jahr, Tendenz steigend.

„Normung und Konformitätsbewertung bilden ein perfektes Paar, denn technische Regeln machen ohne Überprüfung wenig Sinn. Und eine Überprüfung ohne technische Basis funktioniert aber auch nicht“, erklärt Schorn. Fehlt nur noch eine Instanz, die die Zertifizierung überwacht – und auch die hat die IEC etabliert.


Containerfrachtschiff im Ozean
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Konformitätsbewertung: Freier Warenfluss weltweit

Der Begriff „Konformitätsbewertung“ (engl. „Conformity Assessment“) ist weitläufig bekannt, in vielen Fällen jedoch nicht greifbar. Im Wesentlichen sorgt Konformitätsbewertung für einen freien Warenfluss innerhalb eines oder auch zwischen verschiedenen Märkten der Welt. Zur Bewertung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen gelten sowohl nationale Gesetze als auch internationale Richtlinien und Verordnungen. Unser Fachbeitrag zur Konformitätsbewertung fasst die wichtigsten Aspekte zusammen und gibt Antworten auf häufig gestellte Fragen.

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Conformity Assessment Board: Aufsichtsrat und Regelgeber

Die IEC ist eine Mitgliederorganisation, zu der nationale Komitees wie die DKE gehören. Sie hat als steuernde Organe den IEC Council und das IEC Board eingerichtet. An das IEC Board berichten das Standardization Management Board, das Market Strategy Board und das Conformity Assessment Board (CAB). Die Hauptaufgabe des CAB ist es sicherzustellen, dass die Konformitätsbewertungssysteme ihre Arbeit transparent und zuverlässig erledigen. Schorn stellt fest: „Unsere Zertifizierungen übernehmen für unzählige Produkte die Rolle eines Reisepasses für den weltweiten Handel. Sie schaffen Vertrauen, allerdings nur so lange, wie wir dafür sorgen, dass unsere Arbeit dieses Vertrauen verdient. Wenn Sie so wollen, übernimmt das CAB in diesem Sinne die Rolle eines Aufsichtsrats.“

Das Gremium stellt Regeln auf, die vertrauenswürdiges Arbeiten ermöglichen. So verfolgt die IEC generell das Prinzip der Peer Evaluation, was bedeutet, dass die Teilnehmer der Systeme sich gegenseitig begutachten und überprüfen. Wie das genau funktioniert, wird über solche Regeln definiert. Auch begleitet das CAB die Konformitätsbewertungssysteme dabei, neue Business Cases zu öffnen und neue Dienstleistungen anzubieten, und schafft dafür entsprechende Vorgaben. „Das CAB ist nicht operativ tätig, aber es schafft die Grundlage für das operative Geschäft.“

CAB WG 18 „Radar“: Fahrt aufnehmen, Relevanz erhalten

Neben der Rolle als Regelgeber und Kontrollinstanz kümmert sich das IEC Conformity Assessment Board um die Finanzen und überprüft, wie erfolgreich die Konformitätsbewertungssysteme laufen und wie sie sich aufstellen müssen, um künftig relevant zu bleiben. Die CAB Arbeitsgruppe 18 „Radar“ beschäftigt sich daher ausschließlich mit der Frage, welche Technologien auf den Markt kommen werden und eine Konformitätsbewertung brauchen. Zu solchen Themen werden Task Forces gebildet, die sich damit auseinandersetzen, wie die normativen Grundlagen und die Konformitätsbewertung aussehen könnten. Die erarbeiteten Vorschläge werden auf den zwei jährlichen Treffen des CAB intensiv diskutiert, um eine gemeinsame Herangehensweise festzulegen.

„Der internationale Austausch ist unglaublich spannend und wertvoll“, erzählt Schorn, der ab Januar 2025 Mitglied im CAB sein wird. „Wir haben mit China, Japan, Frankreich, USA, Deutschland und Großbritannien sechs ständige Mitglieder. Hinzu kommen neun rotierende Mitglieder, die auf dem IEC Council gewählt werden – so sind Stabilität und neue Impulse sichergestellt.“ Neben den CAB Meetings gibt es Working Groups, die sich dreimal jährlich treffen und ansonsten über Telefonkonferenzen an den Themen arbeiten. „Wir müssen schneller werden und dran bleiben, damit wir auch in Zukunft relevant bleiben.“

Was aktuell diskutiert wird: KI, Digitalisierung & Co.

Zentrale Zukunftsthemen für das CAB sind Künstliche Intelligenz und Digitalisierung, wozu auch auf dem IEC General Meeting in Edinburgh im Oktober 2024 ein intensiver Austausch stattfand. Mit Blick auf die Digitalisierung steckt vor allem im Bereich SMART Standards aus Sicht von Heribert Schorn eine große Chance. „Wir haben immer noch die Situation, dass es sehr viel Expertenwissen braucht, um beispielsweise einen Normen-Prüfplan abzuarbeiten und die richtigen Normen zu ziehen. Bringt eine Norm eine Struktur mit, die automatisiert ausgelesen werden kann und zeigt, was geprüft werden muss, ist das eine riesige Arbeitserleichterung.“

Beim Thema Künstliche Intelligenz gibt es zwei zentrale Aspekte, die das CAB beschäftigen. Zum einen geht es darum festzulegen, wie sich KI in Produkten so zertifizieren lässt, dass der Kunde dem Produkt vertrauen kann. Zum anderen hat das CAB auf dem Radar, wie sich KI in Zukunft für die Konformitätsbewertung einsetzen lässt.


Kleinkind spielt mit einem KI-Roboter zu Hause
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Ein neuer Standard muss her! Rollenspiel fördert das Verständnis von Normung und Konformität

Vom 18. bis 19. Januar 2024 fand das erste Conformity Assessment Bootcamp statt. Organisiert von der Next Generation DKE in Kooperation mit der International Product Safety GmbH in Bonn schlüpften die zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils in unterschiedliche Rollen.

Ziel war es, die individuellen Sichtweisen darzulegen und die eigenen Argumente zur Erarbeitung eines neuen Standards einzubringen. Das Produkt in diesem Fall? Ein Baby-Roboter. Ein Rückblick auf zwei informative und diskussionsreiche Veranstaltungstage.

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Herausforderungen für die Zukunft: Staffelstab übergeben, Marke erhalten

Es zeigt sich, dass die Arbeit des CAB sehr vielfältig und für den Stellenwert der Konformitätsbewertungssysteme von großer Bedeutung ist. Umso wichtiger ist es, dass auch für die Zukunft die richtigen Köpfe gefunden werden und die Generationennachfolge geklärt wird. In Deutschland gehen viele Baby Boomer in Rente, die Anfang der 1990er Jahre begonnen haben, sich für Normung und Konformitätsbewertung zu engagieren. 

Heribert Schorn, seit 2006 im deutschen Spiegelgremium des CAB aktiv, dem TBKON (Technischer Beirat Konformitätsbewertung), wirkt seit 2021 im CAB mit. Aus seiner Sicht stehen die derzeit Aktiven in der Pflicht, sich um ihre Nachfolge zu kümmern: „Ich selbst baue in meinem Unternehmen gerade die Person auf, die meine Rolle irgendwann übernehmen kann – das sollten alle tun, um Know-how weiterzugeben und Stabilität für die Zukunft zu erreichen.“

Auch mit Workshops im Rahmen von Veranstaltungen der Next Generation DKE versucht der erfahrene Gremienarbeiter, junge Menschen zu begeistern. „Meine Arbeit ist spannend, macht Spaß, man lernt viele interessante Expertinnen und Experten kennen, und Verhandlungen auf internationalem Niveau haben einen großen Reiz.“

Gefragt nach seiner persönlichen Vision für das CAB, die er in den kommenden Jahren als Mitglied vorantreiben will, hat Schorn ein klares Bild „Das IEC CAB sorgt dafür, dass die IEC Konformitätsbewertungssysteme weltweit die erste Instanz für Konformitätsbewertung ist. Alle Systeme bilden relevante Themen ab, und wir kümmern uns systematisch um neue Felder. So erhalten wir die Marke IEC und verhindern, dass Themen anderweitig besetzt werden.“


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