Interview mit Thomas Timke zur Batterieverordnung

Interview zur Batterieverordnung

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20.02.2023 Fachinformation

Experteninterview zur Batterieverordnung

Thomas Timke ist Normungsexperte und spricht im zweiten Teil dieses Interviews mit uns über die Besonderheiten der Batterieverordnung, den Batteriepass und die Herausforderungen für Hersteller.

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Dr. Kerstin Sann-Ferro
Zuständiges Gremium
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Thomas Timke im Gespräch zur Batterieverordnung – Teil 2

DKE: Wenn man mit beteiligten Akteuren spricht, vor allem aus der Industrie, kommt das Gefühl auf, alle sind in Aufruhr. Was ist das Besondere an der Batterieverordnung?

Timke: Es gibt viele Besonderheiten.

Zum einen ist die Batterieverordnung im Gegensatz zu anderen Verordnungen oder Richtlinien, die für die CE-Kennzeichnung relevant sind, sehr komplex, weil sie sehr viele Themen umfasst: Nachhaltigkeit inkl. Recycling, Sicherheit, Mindestanforderungen, Reparatur, Second Life etc. Natürlich kann man das unter Nachhaltigkeit zusammenfassen, aber normativ betrachtet sind dies separate Themen mit Überschneidungen, zum Beispiel bei Umnutzung und Sicherheit.

Zum anderen, und hier müssen wir auch Kritik äußern, haben die Autoren der Batterieverordnung – im übertragenen Sinne – nicht immer nach links oder rechts geschaut. Der gesetzliche Rahmen wurde zwar berücksichtigt, aber im Kern war es das auch schon. In der Regel wird bei neuen Richtlinien oder Verordnungen geschaut, welche anderen bereits existieren, zu denen dann die neue Verordnung in Beziehung gesetzt wird.

Ein Beispiel: Die Niederspannungsrichtlinie regelt die elektrische Sicherheit. Die Maschinenrichtlinie folgte später. Darin ist festgelegt, dass die elektrische Sicherheit in der Niederspannungsrichtlinie geregelt ist. Punkt. Alternativ, wenn genug eigene Anforderungen vorliegen, können auch eigene Vorgaben gemacht werden – so zum Beispiel bei den Richtlinien für Spielzeug und Medizingeräte.

Die Batterieverordnung macht weder das eine noch das andere. Wir hatten sogar Probleme, elektrische Sicherheit als Schutzziel auf die Liste der Mindestanforderungen zu bekommen – und das ist bis heute nicht auf der Liste, was in keiner Weise nachvollziehbar ist. Wir haben das später im Arbeitsplan noch untergebracht, weil elektrische Sicherheit bei Batterien einfach wichtig ist.

Es wird in dem Zusammenhang auch nicht das Gefahrgutrecht durchgehend berücksichtigt. Geht es nach der Batterieverordnung, können Batterien aus gebrauchten Lithium-Ionen-Zellen neu zusammengebaut werden – aber es gibt noch kein Prüfverfahren dafür, die Transportsicherheit nachzuweisen, weil diese Batterien nicht die Vorgaben für die Prüfmuster erfüllen können. Das heißt, wir sollen Normen für Batterien schreiben, die anschließend gar nicht zu vernünftigen Bedingungen transportiert werden können. Aus unserer Sicht ist das schon sehr schräg – auch, weil eine Rückfrage beim zuständigen Ministerium ergab, dass nicht einmal eine Änderungsanfrage der EU bei der UN vorlag, um eine Lösung zu finden. Möglicherweise folgt eine Anpassung der UN38.3-Transporttests und/oder der ADR, aber Stand heute besteht dieses Problem – und auf CENELEC-Ebene allein können wir es nicht lösen.

Eine weitere Besonderheit der Batterieverordnung liegt in der unterschiedlichen Detailtiefe, was für Richtlinien und Verordnungen ebenfalls ungewöhnlich ist. Teilweise sind die Details aus fachlicher Sicht auch nicht qualifiziert genug ausgearbeitet, sodass wir im Gremium darüber diskutieren mussten, ob und wie diese Aspekte überhaupt umsetzbar sind.

Es war nicht damit zu rechnen, dass die kritischen Punkte im Trialog-Verfahren noch einmal herausgenommen werden. Wir hatten außerdem den Eindruck, dass tatsächlich kaum oder sogar gar nicht mit Expertinnen und Experten aller betroffenen Bereiche gesprochen wurde. Bei uns kam es so an, als wollte die EU unbedingt die Deadline einhalten – vielleicht in der Hoffnung, dass sie die Probleme später irgendwie erledigen. Vielleicht passiert das tatsächlich, wenn zusätzlich zur Kommentierung auch bei der Arbeit in den Normungsgremien deutlich wird, dass nicht alles umsetzbar ist.

Ich möchte aber nochmal betonen, dass trotz der erwähnten inhaltlichen Herausforderungen keine Haltung gegen die Batterieverordnung in den Gremien besteht. Für die Nachhaltigkeit von Batterien sind verbindliche Regeln wichtig, für die wiederum Normen zur Umsetzung benötigt werden. Mit etwas gutem Willen von beiden Seiten, EU und Normung, wird es Lösungen geben.


DKE Innovation Campus 2023

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Normungsroadmap Circular Economy mit eigenständigem Kapitel zu Batterien

DKE: Wie sieht der zeitliche Plan für die Umsetzung der Batterieverordnung aus?

Timke: Unser Stand ist, dass die Batterieverordnung im Sommer veröffentlicht wird. Bis dahin sind aber nicht alle Normen fertig – wir sprechen hier von mehr als 20 Normen. Bei den meisten Projekten werden 48 Monate genehmigt, um die Normen fertigzustellen. Im aktuellen Entwurf sind viele Fristen für die jeweiligen Themen und Stufen ab dem Inkrafttreten genannt. Diese können am besten im Entwurf oder der finalen Version der Verordnung nachgelesen werden. Empfehlenswert für einen ersten Überblick ist die im Januar 2023 veröffentlichte Normungsroadmap Circular Economy. Im Kap. 2.3 „Batterien“ hat die DKE maßgeblich mitgewirkt und dort sind die Themen für Batterien übersichtlich dargestellt.

Batterieverordnung muss in allen EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen umgesetzt werden

DKE: Sie haben bereits erwähnt, dass Sie die Grundidee der Batterieverordnung befürworten. Wo sehen Sie darin einen Vorteil?

Timke: Den wesentlichen Vorteil sehe ich darin, dass die Verordnung dem Zweck des vermehrten Einsatzes von Batterien, unter anderem in stationären Speichern für mehr erneuerbare Energien und im Traktionsbereich bzw. der Elektromobilität, entspricht. Dabei geht es vorrangig um Nachhaltigkeit. Zu wenig Beachtung dieses Themas bei der Herstellung von Batterien würde diesen Anwendungsbereichen unnötig entgegenwirken.

Gut ist auch, dass es sich um eine Verordnung handelt und nicht um eine Richtlinie. Das heißt, die Batterieverordnung muss in allen EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen umgesetzt werden. Auch im Hinblick auf das Sammeln von Batterien wird das eine Erleichterung, denn aktuell ist dieses Thema für Unternehmen eine Herausforderung – alle Länder machen unterschiedliche Vorgaben und haben unterschiedliche Systeme. Insofern begrüßen wir es als Hersteller, wenn hier eine Einheitlichkeit erzielt wird, auch wenn das anfangs zu weiteren und neuen Herausforderungen führt.

Normungsarbeit und Batteriepass erfordern Vernetzung zwischen Normung und Industriekonsortien

DKE: Die Batterieverordnung ist die erste Verordnung, die einen Produktpass fordert. Fluch oder Segen?

Timke: Von der Grundidee sehen wir das ebenfalls positiv. Wir waren allerdings überrascht, dass der Produktpass zuerst bei Batterien in Form des Batteriepasses gefordert wird, speziell Li-Ionen-Batterien sind ein sehr komplexes Thema. Auf der anderen Seite kann man es auch so sehen: Wenn es hier funktioniert, dann funktioniert es voraussichtlich auch mit allen anderen Produkten. 

Beim Batteriepass sollte darauf geachtet werden, dass dieser nicht zu eng gefasst wird oder die Fehler der Batterieverordnung 1:1 umgesetzt und dann erneut bearbeitet werden müssen. Es ist sinnvoll, zu wissen, welche Rohstoffe in einer Batterie stecken, woher sie stammen und wo sie erneut verwendet werden, wenn eine Batterie für ein zweites Leben aufbereitet wird.

Der Batteriepass selbst wird in entsprechenden Industriekonsortien sehr transparent erarbeitet. Und das sieht bislang schon sehr gut aus. Wir als Expertinnen und Experten in der Normung werden uns mit den zuständigen Industriekonsortien vernetzen, sodass die Arbeiten im Gremium DKE/K 371 „Akkumulatoren“ bzw. im dafür zuständigen Arbeitskreis DKE/AK 371.0.16 „Digitaler Batteriepass“ und am Batteriepass koordiniert ablaufen können.


Batterie Energiespeicher
frank peters / Fotolia

Normungsgremium DKE/K 371 Akkumulatoren

Aufgabenbereich des DKE/K 371 ist die Erarbeitung von Normen für die Sicherheitsanforderungen von wieder aufladbaren (sekundären) Batterien, Batteriezellen und Batteriesystemen beteiligt.

Zudem ist das Komitee für Produktnormen aller Anwendungsbereiche zuständig, wie beispielsweise stationäre Speicher, Starterbatterien, Traktionsbatterien, Flugzeugbatterien, aber auch für Batterien in Elektrostraßenfahrzeugen, Pedelecs und portablen Anwendungen.

Zum Normungsgremium DKE/K 371

Life Cycle Assessment von Batterien erfordert bei allen Beteiligten mehr Know-how

DKE: Wo sehen Sie für die Industrie die größten Herausforderungen, wenn die Batterieverordnung erscheint?

Timke: Für Hersteller, die im Hinblick auf Sicherheit und Nachhaltigkeit schon jetzt mehr unternehmen als erforderlich, wird sich weniger ändern als bei Herstellern, die sich eher an den Minimalanforderungen orientieren. Es kommt am Ende auch darauf an, wie die Normen zur Umsetzung der Batterieverordnung erarbeitet werden. Wenn es gut läuft, muss die Industrie nur wenig Neues lernen wie beispielsweise Life Cycle Assessment (LCA).

Auch von den Expertinnen und Experten im Gremium DKE/K 371 fehlt es noch an ausreichend Fachexpertise, um die unterschiedlichen Verfahren zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks zu vergleichen und dann herauszuarbeiten, welches das bessere Verfahren ist. Der Grund ist, dass wir uns vorrangig mit Sicherheit und Performance auskennen, mit der Lebenszeit von Batterien etc. LCA ist hingegen auch für uns ein vollkommen neues Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Und gleichzeitig müssen sich LCA-Fachleute zunehmend mit den vielfältigen Batteriespezifika auseinandersetzen. Erfahrungsgemäß ist es aber immer ein spannender Vorgang mit viel Potential, wenn Expertinnen und Experten einer Technologie mit denen eines Fachgebiets zusammenkommen, um beides zu kombinieren.

Besonders bei diesem Punkt wird allerdings auch das Verhalten der Hersteller und Verbraucher interessant: Bei der Sicherheit gibt es zwar Unterschiede, aber grob vereinfacht ist ein Produkt aus normativer Sicht entweder hinreichend sicher oder nicht. Beim LCA wird es voraussichtlich Kennzahlen geben. Sicherlich wird jeder Hersteller für seine Produkte gut abwägen müssen, ob beispielsweise der Materialeinsatz verbessert werden kann (z. B. bei Gehäusen) und welchen Einfluss das auf die Sicherheit hat. Li-Ionen-Batterien wären allerdings nicht die erste Technologie, bei der gerade im B2C-Bereich Abstriche bei wirklich wichtigen Aspekten gemacht werden – zugunsten von im Marketing besser verwertbaren Kennzahlen wie ein nicht wirklich sinnvoller Wettbewerb in den Nachkommastellen um die „Batterie mit dem geringsten CO2-Fußabdruck“. Es wird also interessant, wie die einzelnen Hersteller das priorisieren und ob die Kunden ausgewogen entwickelte Produkte honorieren.

Viele andere Themen der Batterieverordnung sind ebenfalls positiv zu bewerten – und viele der größeren Hersteller setzen diese auch schon um. Ein Beispiel hierfür sind Zyklentests auf Batterieebene. Sie raten also nicht einfach, wie die Lebensdauer einer Batterie erfahrungsgemäß sein könnte, sondern führen eine Vielzahl eigener Tests durch, um dann ihren Kunden gegenüber entsprechende Garantien zu geben. Der Batteriepass kann aufzeigen, welche nachgewiesenen Eigenschaften die Batterie hat, auch im Vergleich zum Neuzustand, über welchen Energiegehalt sie noch verfügt und welche Leistung sie noch unter welchen Bedingungen liefern kann. Wenn die Normen geschrieben und die inhaltlichen Fehler der Batterieverordnung glattgezogen sind, dann sehen wir die Herausforderungen eher bei den Punkten, die neu bearbeitet werden müssen, beispielsweise die Recycling-Effizienz zu erhöhen ohne andere Aspekte wesentlich zu beeinträchtigen.

Stand heute gibt es aber auch noch ein Paradoxon, von dem weder die Industrie weiß, wie es aufzulösen ist, noch die Recycler. Auf der einen Seite wächst der Batteriemarkt kontinuierlich und die Langlebigkeit der Batterien soll unter anderem durch Mindestvorgaben und Second Life erhöht werden. Auf der anderen Seite wird aber gefordert, mehr Rezyklate einzusetzen. Aber woher sollen diese dann in ausreichende Menge stammen?


Eine Asphaltstraße, welche umgeben von Bäumen ist
Andres / stock.adobe.com

Normungsroadmap Circular Economy

Das Produkt von heute ist der Rohstoff von morgen. Damit neue Geschäftsmodelle in der Circular Economy Anwendung finden, benötigen sie Normen und Standards als Grundlagen, denn diese geben Industrien eine gemeinsame Sprache und stellen damit eine klare Kommunikation und einen geeigneten Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Marktakteuren im Kreislauf sicher. Die Roadmap benennt die Normungsbedarfe für sieben entscheidende Sektoren der deutschen Wirtschaft. 

Zur Normungsroadmap Circular Economy

Second-Life-Batterien sollen der gleichen Sicherheit entsprechen wie First-Life-Batterien

DKE: Ein großes Thema ist die Umnutzung von Batterien für ihr „zweites Leben“. Wie ist dieser Aspekt aus Sicht der Industrie zu bewerten?

Timke: Genau, das ist eine andere große Herausforderung für Hersteller, denn jedes Produkt, das auf den Markt kommt, hat eine vorgesehene Verwendung. Daran sind Konstruktion, Sicherheitsprüfungen und die Dokumentation ausgelegt. Verwendet man das Produkt anders als vorgesehen, kann beispielsweise die Herstellerhaftung entfallen und die Sicherheit beeinträchtig werden. Und an dieser Stelle ist die geforderte Umnutzung von Batterien einfach nicht vollständig durchdacht. Das geht mit kompletten Batterien, ja. Aber die vorgesehene Verwendung eines Produktes zu ändern ist auch dann keine Kleinigkeit; von den Zweifeln an der ökonomischen Umsetzbarkeit verschiedener anderer 2nd-Life-Prozesse ganz zu schweigen. Zum Teil haben wir auch den Eindruck, dass bei solchen Vorgaben schlicht unterschätzt wurde, wie viel, zum Teil auch vertrauliches, Wissen der Hersteller erforderlich ist, damit jemand anderes Sicherheitstests nach der Umnutzung machen können soll.

Second-Life-Batterien sollen der gleichen Sicherheit entsprechen wie First-Life-Batterien. Ich denke, das ist nachvollziehbar, denn niemand möchte sich einem höheren Risiko aussetzen, nur weil es sich um Second-Life-Batterien handelt. Problematisch sind in dem Fall aber die Prüflinge für Typprüfungen – wie können diese repräsentativ für die Serie sein, wenn keine homogene Eingangsqualität vorliegt und auch nicht sichergestellt werden kann? Bei First-Life-Batterien bzw. neuen Produkten generell ist das kein Problem, die durchlaufen ihre standardisierten Typprüfungen.

Bei neuen Batterien aus Second-Life-Zellen ist das einfach nicht in gleicher Weise möglich, weil sie aus Komponenten, speziell Li-Ionen-Zellen, mit unterschiedlichen Zuständen in Bezug auf Alterung, nicht messbaren Veränderungen, z. B. Schwächung der Zellsiegelung nach der Vereinzelung, zusammengesetzt sind. Eigentlich ist diese Art der Umnutzung voraussichtlich auch gar nicht die, mit der am meisten erreicht wird. Das Gremium hat beispielsweise eine Vornorm erarbeitet, die sich auf einen speziellen Fall konzentriert, der ökonomisch und im Hinblick auf den Nachweis der Sicherheit, sinnvoll erscheint: wenn komplette Fahrzeugbatterien weitgehend unverändert in den stationären Bereich überführt werden – ohne sie aufzuschrauben und neu zusammenzusetzen. Reparaturen sind eine weitere Option, solange der Status des geprüften Typs erhalten bleibt. Das wird seit einiger Zeit von Automobilherstellern auch schon gut umgesetzt. Es wäre auch machbar, neue Batterien von vornherein für mehrere Anwendungsfälle zu entwickeln, um eine Umnutzung überflüssig zu machen.

Was die EU aber zusätzlich möchte: Batterien bis auf Zellebene zerlegen, daraus etwas Neues bauen, das die CE-Kennzeichnung bekommt und wie ein neues Produkt auf den Markt kommt, obwohl das auf die gleiche Art gar nicht prüfbar ist. Und darin sehen wir noch erhebliches Konfliktpotenzial, weil auch nur wenig Einsicht vorhanden ist. Wir werden uns aber in jedem Fall dafür einsetzen, dass es nicht so bleibt, denn Sicherheit steht immer an erster Stelle. Lithium-Ionen-Batterien sind eine sichere Technologie, aber nur, wenn sie auch sicher gestaltet wird. Und das sehen wir nicht bei allen Überlegungen hinreichend berücksichtigt.

Die gleiche Problematik zeigt sich auch „eindrucksvoll“ bei allen vier IEC-Normungsprojekten zu Second Life, die alle damit ringen, Verfahren für die Produktsicherheit zu finden, ohne dass Typprüfungen möglich sind. Das ist eine Herausforderung für alle Beteiligten, speziell für einige Start-ups, denen scheinbar niemand sagt, dass sie gegen eine Wand laufen werden, weil die Anforderungen an das Inverkehrbringen von Batterien, die aus gebrauchten Zellen bestehen, zumindest aus heutiger Sicht, nicht erfüllt werden können.

Und das ist ja noch nicht der Worst Case: Stellen wir uns vor, die EU zieht das trotzdem durch, interessiert sich aber weiterhin nicht für unsere Einwände und lässt die dafür notwendigen Normen einfach woanders schreiben, wie es als Option in der Batterieverordnung vorgesehen ist – was würde dann passieren? Ganz einfach: Einige Hersteller von neuen Batterien würden eine zusätzliche „2nd-Life“-Produktlinie kreieren, mit dem Ergebnis, dass die vermeintliche Marktlücke für Start-Ups verschwindet. Ein zweiter Effekt wäre wahrscheinlich, dass Produkthersteller, sogar auch aus anderen Bereichen, wie Medizintechnik oder Haushaltsgeräte, die Frage stellen, warum diese niedrigere Hürde nicht auch für Neuprodukte gilt. Dann sprechen wir von einer Kettenreaktion, die sich keiner wünscht.

Die EU würde damit einen Präzedenzfall schaffen, auf den sich auch Produkthersteller außerhalb des Batteriebereichs beziehen könnten. Ich weiß nicht, ob das beim Erstellen der Batterieverordnung bis zu Ende gedacht wurde und warum die entsprechenden Kommentare keine Wirkung zeigten. Mit der Umnutzung kompletter Batterien, eventuell auch von deren Submodulen sowie Reparaturen, ist das meiste schon abgedeckt und erreicht. Müssen für den voraussichtlich überschaubaren Rest dann aus vereinzelten 2nd-Life-Zellen wirklich noch neue Batterien herstellbar sein, wenn dafür Grundsätze der Produkt- und Transportsicherheit in Frage gestellt werden? Wäre es dann nicht besser und nachhaltiger, diesen Anteil gleich zu recyceln?

Hat Ihnen der zweite Teil dieses Interviews gefallen?

Wir bedanken uns für dieses Interview bei

Portraitfoto Thomas Timke

Thomas Timke

Senior Battery Expert, Solarwatt GmbH

Experte in den Normungsgremien DKE/K 371 und DKE/UK 371.1

Portraitfoto Thomas Timke

Senior Battery Expert, Solarwatt GmbH

Experte in den Normungsgremien DKE/K 371 und DKE/UK 371.1

Weitere Aktivitäten:

  • Experte in den Normungsgremien IEC/TC 21/WG 8, IEC/TC 21/SC 21A/WG 5 und IEC/TC 21/SC 21A/WG 6
  • Experte in den Normungsgremien CLC/TC 21X und den Working Groups darunter

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