Aufladen der Batterie eines modernen Elektroautos auf der Straße - Generative AI
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21.07.2023 Fachinformation

Elektromobilität stützt sich auf Normen

E-Fahrzeuge tragen dazu bei, unsere Kohlenstoffdioxidemissionen deutlich zu senken, vor allem, wenn der zum Laden der Elektrofahrzeuge verwendete Strom aus sauberen bzw. erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird.

Peter Herbert ist Vorsitzender vom internationalen Gremium IEC/TC 69. Im Interview mit e-Tech spricht er über normative Entwicklungen im Bereich der Elektromobilität, Herausforderungen und die Zusammenarbeit mit anderen Gremien.

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Interview mit Peter Herbert

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Von Catherine Bischofberger

e-Tech: Sie sind seit etwa anderthalb Jahren Vorsitzender von IEC/TC 69 – was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Errungenschaften Ihres Komitees in dieser Zeit?
 
Herbert: Normung ist echte Teamarbeit. Viele Convenor und Fachleute arbeiten in IEC/TC 69 (DKE/ 353) zusammen, um die grundlegenden Normen für Elektromobilität zu erarbeiten. Meine Rolle als Vorsitzender besteht darin, die Dinge ins Laufen zu bringen bzw. am Laufen zu halten. Ich bemühe mich, die Normung voranzutreiben, Probleme zu lösen und die Zusammenarbeit mit anderen technischen Komitees zu fördern.

Ich würde sagen, eine der größten Leistungen von IEC/TC 69 in dieser Zeit ist, dass wir trotz COVID-Pandemie die dynamische Entwicklung in der Normung dank virtueller Meetings beibehalten konnten. Wir haben 2022 mehrere Normen veröffentlicht, darunter zum Beispiel die öffentlich verfügbare Spezifikation (PAS) IEC 62840-3, eine Sicherheitsnorm zu Batteriewechselsystemen. Wir haben auch IEC 63119-2 herausgegeben, eine Norm, die Anwendungsfälle für Roaming-Ladedienste enthält. Ein solcher Dienst ermöglicht den Fahrerinnen und Fahrern von Elektrofahrzeugen, ihre Autos außerhalb des Netzes ihres Ladedienstleisters aufzuladen, wofür sie lediglich ihr Kundenkonto benötigen.

Aber die vielleicht interessanteste Norm ist die erste Ausgabe von IEC 63110, einer zentralen Norm, die das Protokoll zum Management von Lade- und Entladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge festlegt. Es ist der erste Teil einer Norm, die sich mit den allgemeinen Anforderungen an den Aufbau eines E-Mobilitäts-Ökosystems befassen wird und somit die Kommunikationsabläufe zwischen den verschiedenen E-Mobilitäts-Akteuren sowie den Datenaustausch mit dem Energieversorgungssystem abdeckt.

IEC 63110 ist eine wichtige Norm für die Fernsteuerung und -überwachung der Ladeinfrastruktur und hat das Potential, die Interaktion zwischen den Nutzenden von Elektrofahrzeugen, der lokalen Installationen, E-Mobilitäts-Akteuren, dem Netz und dem Strommarkt zu unterstützen. Wir werden die vollständige Norm voraussichtlich gegen Ende nächsten Jahres veröffentlichen.


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e-Tech: Sind irgendwelche neuen Projekte in Planung?

Herbert: Wir haben mehrere neue Projekte in verschiedenen Bereichen begonnen, darunter ein Projekt zu drahtlosem Laden mit hohen Ladeleistungen, Megawatt-Laden, Datenaustausch von lokalen Ladestationen mit lokalen Energiemanagementsystemen, Management von verteilten Energiespeichern, die auf Elektrofahrzeugen basieren, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wir haben zudem mit der Pflege verschiedener Normen begonnen, beispielsweise der Norm IEC 61851-1, der Grundnorm für konduktives Laden. Ein interessanter Bereich, in dem sich aktuell auch einiges tut, ist die bidirektionale Energieübertragung.

Wir werden 2023 voraussichtlich auch viele Normen veröffentlichen, die die Nutzung neuer Technologien für das Laden, die Steuerung und Verwaltung unterstützen. Wir werden die Normenreihe IEC 61980 zu drahtloser Energieübertragung vervollständigen. Die Technologie ermöglicht bequemes und nutzerfreundliches Laden ohne Kabel.

Neben der bereits erwähnten Normenreihe IEC 63110 werden wir voraussichtlich die erste technische Spezifikation in der Normenreihe IEC 61851-3 zu Gleichstromladestationen für Elektrofahrzeuge, bei denen der Schutz vor einem elektrischen Schlag auf doppelter bzw. verstärkter Isolierung zwischen sämtlichen AC- und DC-Eingängen und -Ausgängen beruht, veröffentlichen. Diese technische Spezifikation ist ein wichtiger Schritt zur Bereitstellung von Normen für das Laden kleiner Elektrofahrzeuge wie Fahrräder, Mopeds, Roller und Motorräder. Es besteht die Möglichkeit, dass die technische Spezifikation zu einer internationalen Norm wird, wenn es der Markt erfordert.

Wir werden auch die zweite Ausgabe von IEC 61851-23 und IEC 61851-24 veröffentlichen, bei denen es sich um wichtige Sicherheits- und Kommunikationsnormen für das Schnellladen kleiner Elektrofahrzeuge, die Gleichstrom nutzen, handelt. Auch hier ist für den Markt die bidirektionale Energieübertragung von Interesse, deshalb wird das wahrscheinlich künftig ein Thema für die Normung.

IEC TS 61851-26 und IEC 61851-27, deren Veröffentlichung ebenfalls für 2023 geplant ist, sind die ersten Versuche, die automatisierte Verbindung von Fahrzeugkupplungen zum Laden sowie die automatisierte Verbindung vom Unterboden eines Elektrofahrzeugs zu normen.


Eine Aufladestation mit einem weißen E-Auto
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Bidirektionales Laden: Energiewende mit E-Fahrzeug-Akkus ermöglichen

Einer Überproduktion von erneuerbarer Energie an sonnen- und windreichen Tagen steht eine Unterversorgung des Energienetzes mit Erneuerbaren Energien an bewölkten und windstillen Tagen entgegen. Die Technologie des bidirektionalen Ladens könnte eine Möglichkeit sein, dieses Problem partiell zu lösen und für Stabilität im Stromnetz zu sorgen.

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e-Tech: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Elektrofahrzeuge mit Blick auf die Zukunft und wie können IEC-Normen helfen?

Herbert: Es gibt viele Herausforderungen aufgrund der großen Verbreitung von Elektrofahrzeugen, sowohl jetzt als auch in Zukunft. Die Gesellschaft muss sicherstellen, dass es genügend Ladestationen gibt, insbesondere in Gebieten, in denen sie von den Verbraucherinnen und Verbrauchern am dringendsten benötigt werden.

Die Technologien müssen verschiedene Arten und Geschwindigkeiten von Ladevorgängen ermöglichen, damit das Laden so bequem und funktional wie möglich ist. Sicherheitsaspekte sind nicht nur für das Laden von elementarer Bedeutung, sondern auch für die bidirektionale Energieübertragung von Elektrofahrzeugen, die das Netz betreffen wird. Die Batterien von Elektrofahrzeugen können in einer intelligenten Ladekonfiguration als Energieressource genutzt werden. Neue dezentrale Energiesysteme, basierend auf erneuerbaren Energiequellen, werden ebenfalls eine Rolle spielen.

In all diesen Bereichen werden die Normen von IEC/TC 69 zusammen mit den Normen von anderen technischen Komitees der IEC oder ISO einen wichtigen Beitrag zur weiteren Entwicklung leisten.

e-Tech: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit anderen technischen Komitees?

Herbert: Wir arbeiten nicht im luftleeren Raum und haben gemeinsame Arbeitsgruppen (JWGs) mit vielen anderen Komitees eingerichtet. Ich freue mich, dass sich viele Fachleute sowohl an der Normungsarbeit von IEC/TC 69 als auch bei ISO/TC 22, das Normen für Straßenfahrzeuge erstellt, beteiligen. IEC/TC 69 arbeitet beispielsweise auch in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit IEC/TC 57 (DKE/K 952), das grundlegende Normen für das Smart Grid erarbeitet, an der Normung im Bereich von Elektrofahrzeugen.

Wir stehen zwar noch am Anfang, aber es wurde ein Systemkomitee für nachhaltige elektrifizierte Verkehrsmittel, das Systems Committee on Sustainable Electrified Transportation, eingerichtet und wir hoffen, dass es die Koordinierung zwischen der Arbeit der verschiedenen Komitees, die sich mit Elektromobilität befassen, unterstützen wird.


Mann bezahlt fuer das Aufladen eines E-Autos
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Das Bezahlsystem an der Ladesäule: Investitionssicherheit durch Normen und Standards

Obwohl die Lade- und Entladeinfrastruktur zuletzt stetig ausgebaut wurde, herrscht auf Betreiber- und Endkundenseite noch immer Unsicherheit. Insbesondere das Bezahlsystem an der Ladesäule ist aktuell vielerorts uneinheitlich geregelt.

Mit der Ladesäulenverordnung und der neuen VDE Anwendungsregel VDE-AR-E 2532-100 ist zukünftig eine umfassende Standardisierung sowie ein einheitliches Bezahlsystem an der Ladesäule möglich.

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e-Tech: Wie wichtig sind die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) für IEC/TC 69?

Herbert: IEC/TC 69 konzentriert sich auf die Erarbeitung elektrisch sicherer und funktionaler Lösungen für die Energieübertragung zwischen der Strominfrastruktur und Elektrofahrzeugen. Ich würde jedoch sagen, dass es IEC/TC 69 vermutlich nicht geben würde, wenn die SDGs keine wichtige gesamtgesellschaftliche Bedeutung hätten.

Mit unserer Normungsarbeit leisten wir einen Beitrag zu folgenden Zielen: Zugang zu bezahlbarer und sauberer Energie (SDG 7), Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9), Nachhaltige Städte und Gemeinden (SDG 11), Nachhaltige/r Konsum und Produktion (SDG 12) und Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13).

e-Tech: Wie wird Ihrer Meinung nach die Entwicklung im Bereich der Elektrofahrzeuge in Zukunft aussehen?

Herbert: Wir stehen erst am Anfang der Elektrofahrzeug-Revolution. In der Zukunft werden Elektrofahrzeuge eventuell anders aussehen als die Fahrzeuge, wie wir sie heute kennen, aber entsprechende Spekulationen überlasse ich den Herstellern von Elektrofahrzeugen. Sicher ist, dass wir Energie und natürliche Ressourcen effizient nutzen und das Beste aus dem verfügbaren Raum in unseren Städten machen müssen.

Ich gehe davon aus, dass Elektrofahrzeuge an den zukünftigen Anforderungen an den Verkehr und die Bedürfnisse der Nutzenden ausgerichtet werden. Ich glaube zum Beispiel, dass Elektrofahrzeuge in Zukunft in der Lage sein werden, sich automatisch wieder aufzuladen, wenn sich eine gute Gelegenheit bietet. Vielleicht wird es autonome Elektrofahrzeuge geben, die sich selbst zu einer Station zum Laden begeben und dann fahrbereit zurückkommen. Elektrofahrzeuge werden wahrscheinlich ohne Kabel laden, wenn sie parken oder selbst während sie fahren.

Elektrofahrzeuge werden die Technologien nutzen, die auf zukunftsweisenden Normen beruhen, die in IEC/TC 69 erarbeitet werden. Ich bin sehr stolz auf die Arbeit unserer Fachleute, die dazu beitragen, eine nachhaltigere Welt zu schaffen.


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Die Elektromobilität ist eine Sprunginnovation, die ein neues, übergreifendes Systemdenken erfordert. Um die deutsche Wirtschaft erfolgreich im Bereich Mobility zu positionieren, ist es wichtig, die positiven Effekte von Normen und Standards von Beginn an in den Entwicklungsprozess einzubeziehen und damit voll auszuschöpfen. Gleiches gilt aber auch für die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Mobilität – die Mikromobilität. Weitere Inhalte zu diesem Fachgebiet finden Sie im

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